Edgar Wallace - Gesammelte Werke. Edgar Wallace

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Edgar Wallace - Gesammelte Werke - Edgar Wallace


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auf ihrer Stirn noch mehr.

      »Das Essen ist fertig, Pertham«, wandte sie sich an den Lord und machte nicht den geringsten Versuch, ihren Gästen gegenüber freundlich zu sein.

      Bei Tisch war es sehr peinlich. Lord Pertham war nervös, aber obwohl eine denkbar schlechte Stimmung herrschte, ließen sich die beiden Freunde nicht beeinflussen. Dieser große, stattliche Mann schien sich vor seiner Frau zu fürchten, er war sehr rücksichtsvoll, fast unterwürfig in ihrer Gegenwart. Als die unliebenswürdige Gastgeberin schließlich das Zimmer verließ, machte er kein Hehl daraus, daß er sich erleichtert fühlte.

      »Ich fürchte, daß Sie sich bei Tisch nicht gut unterhalten haben. Mylady hatte eine kleine Auseinandersetzung mit dem Koch.«

      Offensichtlich hatte Mylady die Angewohnheit, sich stets mit ihren Dienstboten zu überwerfen, denn der Lord erwähnte in der Unterhaltung einige Leute, die sie entlassen hatte. Er sprach des langen und breiten über die Physiognomie von Dienstboten. Aber Manfred, der wie sein Freund eifrig zuhörte, schien es, daß der Lord keine große Autorität auf diesem Gebiet war. Er sprach sehr stockend und machte viele Fehler, aber Leon verbesserte ihn nicht. Gelegentlich erwähnte er auch, daß sein Interesse an Verbrechen noch gestiegen sei, da sein eigenes Leben bedroht würde.

      »Wir wollen jetzt nach oben gehen und Mylady Gesellschaft leisten«, sagte er nach einer Weile. Manfred hätte darauf wetten können, daß Lord Pertham alles, was er über Kriminologie gesagt hatte, besonders für diesen Abend einstudiert hatte.

      Sie gingen die breite Treppe zur ersten Etage hinauf und traten in einen kleinen Salon ein. Der Lord schien überrascht zu sein, daß niemand anwesend war.

      »Ich bin sehr erstaunt«, begann er, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und Lady Pertham hereinstürzte. Sie war totenbleich, und ihre dünnen Lippen zitterten.

      »Pertham«, rief sie atemlos, »es ist ein Mann in meinem Ankleidezimmer!«

      »Was, ein Einbrecher?« Der Lord eilte aus dem Zimmer.

      Die beiden Freunde wollten ihm folgen, aber er blieb halbwegs auf der Treppe stehen und wehrte sie mit einer Handbewegung ab.

      »Es ist besser, Sie bleiben unten bei Mylady. Läute doch bitte nach Thomas, Liebling!«

      Leon und George standen am Fuß der Treppe, als er oben eine Tür aufstieß. Gleich darauf hörten sie einen Schrei und Geräusche, als ob jemand handgemein geworden wäre. Manfred eilte die Treppe hinauf; oben wurde eine Tür heftig zugeworfen. Man hörte erregte Stimmen, dann krachte ein Schuß, und etwas fiel schwer zu Boden.

      Manfred stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Tür des Zimmers, aus dem der Lärm kam.

      »Es ist alles in Ordnung«, hörten sie Lord Perthams Stimme.

      Einen Augenblick später schloß er die Tür auf.

      »Ich fürchte, ich habe diesen Menschen umgebracht.«

      Er hatte die rauchende Pistole noch in der Hand. Mitten im Zimmer lag ein ärmlich gekleideter Mann, sein Blut färbte den perlgrauen Teppich.

      Gonsalez ging schnell zu dem reglos Daliegenden und drehte, ihn um. Auf den ersten Blick sah er, daß der Mann tot war. Lange und ernst blickte er in das Gesicht des Einbrechers.

      »Kennen Sie ihn?« fragte Lord Pertham.

      »Ich glaube, ja«, erwiderte Gonsalez ruhig. »Es ist mein farbenblinder Verbrecher.« Er erkannte den Bruder von Mrs. Prothero.

      Die beiden Freunde gingen nach Hause und ließen Lord Pertham mit einem Detektiv von Scotland Yard zurück. Seine Frau war ganz aufgelöst vor Aufregung und hatte einen Weinkrampf bekommen.

      Keiner der beiden sprach, bis sie ihre Wohnung erreicht hatten. Leon setzte sich mit einem Seufzer der Erleichterung in den großen Armsessel und rauchte zufrieden.

      »Leon!«

      Gonsalez rührte sich nicht.

      »Leon!«

      Gonsalez drehte sich langsam um und sah George an.

      »Ist dir heute abend bei der Schießerei nichts aufgefallen?«

      »O doch, verschiedenes.«

      »Was denn?«

      »Vor allem dieses seltsame Zusammentreffen, daß ausgerechnet der Bruder von Mrs. Prothero in Lord Perthams Haus einbrechen muß. Hast du eigentlich die Hand des Toten betrachtet?«

      »Nein.« Manfred sah Leon erstaunt an.

      »Das ist schade – die Sache wäre dir dann wohl noch viel merkwürdiger vorgekommen. Was hast du denn beobachtet?«

      »Ich wunderte mich, daß Lord Pertham eine Pistole bei sich trug. Er muß sie schon während des Essens bei sich gehabt haben.«

      »Das kann ich dir leicht erklären. Erinnerst du dich, daß er uns erzählte, er sei in anonymen Briefen bedroht worden?«

      »Das hatte ich ganz vergessen. Wer hat denn die Tür oben abgeschlossen?«

      »Natürlich der Einbrecher.« Leon lächelte, und dieses Lächeln verriet Manfred, daß sein Freund nicht seine wahre Meinung sagte.

      »Da wir nun gerade von verschlossenen Türen sprechen –«

      Leon erhob sich, ging in sein Zimmer und kehrte mit zwei kleinen Instrumenten zurück, die wie Glocken von elektrischen Klingeln aussahen. Feine Metallspitzen schauten daraus hervor.

      Leon schloß die Tür des Wohnzimmers und legte eine der Alarmglocken auf den Fußboden. Dann befestigte er die Metallspitze an dem Türflügel, so daß es unmöglich war, die Tür zu öffnen, ohne einen Druck auf die Klingel auszuüben. Er versuchte es, und sofort ertönte ein schrilles Klingelzeichen.

      »Das wäre in Ordnung«, sagte er und wandte sich zu den Fenstern.

      »Erwartest du denn Einbrecher?«

      »Allerdings, und ich möchte wirklich nicht deshalb meinen Schlaf opfern.«

      Leon schien mit dem Verschluß der Fenster nicht zufrieden zu sein und schob noch einen Keil hinein.

      Eine andere Tür, die von Manfreds Zimmer direkt auf den Gang führte, sicherte er in derselben Weise wie die erste.

      Mitten in der Nacht schlug die eine Alarmklingel schrill an. Manfred sprang aus dem Bett und drehte das Licht an. Seine eigene Tür war intakt, und er eilte in das Wohnzimmer, aber Gonsalez war ihm schon zuvorgekommen und betrachtete die Sicherung. Die Tür war nicht zugeschlossen. Mit dem Pantoffel schob er die Alarmglocke beiseite.

      »Kommen Sie herein, Lord Pertham«, sagte er dann. »Wir wollen die Sache in aller Ruhe besprechen.«

      Einen Augenblick herrschte tiefe Stille, dann hörten sie Schritte, und ein Mann trat in das Zimmer. Er war in Gesellschaftskleidung, trug aber keinen Hut. Manfred sah erstaunt auf den kahlen Kopf.

      »Nehmen Sie Platz und machen Sie es sich bequem. Ich darf Ihnen wohl die Waffe abnehmen, die Sie in der Tasche haben? Vielleicht können wir dann die Angelegenheit auf freundschaftliche Weise erledigen.«

      Zweifellos war es Lord Pertham, obwohl man nichts mehr von seinem üppigen Haarwuchs sehen konnte. Manfred war aufs höchste überrascht, als Leon mit seiner linken Hand in die Rocktasche des Besuchers griff und eine Pistole hervorzog, die er sorgfältig auf den Kaminsims legte.

      Lord Pertham sank in einen Stuhl und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Eine Weile herrschte tiefe Stille in dem Zimmer.

      »Erinnerst du dich des ehrenwerten George Fearnside?« begann Leon.

      »Fearnside – ja, er war doch damals auf der Jacht des Herzogs«, sagte Manfred verblüfft.

      »Ganz recht. Wir dachten seinerzeit, daß er uns nicht mit entkommenen Übeltätern identifizieren würde, aber offensichtlich wußte er doch, daß wir die Vier Gerechten waren. Sie erbten Ihren Titel doch etwa vor sechs Jahren, Lord Pertham?«

      Der


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