Sündige Herrschaft. Andreas Nass

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Sündige Herrschaft - Andreas Nass


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herausfinden«, forderte Moi’ra.

      »Vielleicht weiß der alte Holzfäller mehr«, schlug Wogar vor, »wenn sich jemand mit Holz auskennt, dann er.«

      Wir folgten dem Halbork zum Haus des alten Mannes. Es brauchte langes Klopfen, bis wir ihn aus tiefem Schlaf wecken konnten. Ohne viele Worte hielt Wogar ihm die Splitter hin.

      »Könnt Ihr mir sagen, Ukar, was das für ein Holz ist?«

      Bei seinen langsamen Bewegungen mühsam ächzend besah sich der Holzfäller die dargebotenen Stücke und holte ein geschliffenes Glas hervor, um Einzelheiten für seine betagten Augen zu offenbaren.

      »Nein«, schüttelte er sein Haupt, »solch ein Holz habe ich noch nie gesehen.«

      »Und was könnte der Grund für das Loch sein?«, deutete Wogar mit breitem Finger auf den Splitter.

      »Oh, das ist einfach erklärt.« Der Holzfäller wandte sich um und ging zu einer kleinen Werkbank, hob eine Axt mühsam auf und steckte den Splitter an eine Ecke der Schneide. »Wenn ein Hieb schräg auftrifft, werden ganze Splitter abgelöst. Doch gelegentlich passiert es, dass sich ein Schlag verkeilt und das Holz durchbohrt. Jedoch, wovon das Holz abgeschlagen wurde, kann ich nicht sagen. Aber ich kenne einen Ort, wo Ihr Antwort finden könnt. Bei den Waldriesen, ihr Lager befindet sich tief im Wald und sie kennen Baum und Strauch weit besser als der alte Ukar.«

      Wir dankten und ritten zum Haus des Tischlers zurück.

      »Dann werden wir den Rat der Riesen einholen müssen«, sagte ich enttäuscht.

      »Ich habe etwas Anderes vor, doch dafür muss ich mich vorbereiten. Ihr dort, tragt die Leiche zur Burg.« Bei seiner herrischen Stimme zuckten die von Wogar angesprochen Stadtwachen zusammen. Zu uns gewandt ergänzte er: »kommt in zwei Stunden in den Kellerraum der Burg. Dann wird der Geist des Erschlagenen mir vier Fragen beantworten!«

      Neugierig näherte ich mich zur verabredeten Zeit den Kellerräumen der Burg. Manche Riten der Orks waren sehr barbarisch, insbesondere wenn menschliche Körper eine Rolle darin spielten. Rauchschwaden sammelten sich an der niedrigen Decke und reizten meine Lunge. Im schummrigen Licht flackernder Kerzen blickte ich in den Ritualraum.

      Von zahlreichen Runen überzogen lag der nun kalte Körper des Verstorbenen nackt auf dem grauen Steinboden. Wogar hatte sich in der Zeit viel Mühe gemacht, seinem Gott zu gefallen. Gutturale Laute echoten durch das Gewölbe, riefen nach Buu-naa und seinem Segen und baten um ein Gespräch über die Grenzen unserer Zeit hinweg. Die noch frische Verbindung des Geistes mit seinem früheren Körper nutzte unser Kleriker, mit dem Totenreich in Kontakt zu treten.

      Auf dem starren Gesicht der Leiche bildete sich ein grüner Nebel und ahmte die Mimik nach, die zu Lebzeiten Bedeutung hatte. Sie sah ärgerlich aus.

      »Wer stört mich?« Von weit her und von einem Echo verzerrt erklang die Stimme des Geistes.

      »Wogar, Diener des Buu-naa«, zelebrierte der Halbork mit strenger Stimme. »Du wirst meine Fragen aus den letzten Minuten deines Lebens beantworten!«

      »Nenne sie mir!«, hauchte die ausdruckslose Stimme gedehnt.

      »Wie sahen die Angreifer aus?«

      »Schwarze Orks aus Holz.« Der knappen Antwort folgte eine kurze Pause, bis klar war, dass der Geist nicht mehr sagte.

      »Wie viele waren es?«

      »Drei.« Schmerzhaft rang sich der Beschworene die Zahl ab.

      »Welche Waffen führten sie?«

      »Sie trugen keine Waffen.«

      »Haben sie sich unterhalten?«

      »Hatten keine Münder, um zu sprechen.«

      Das schemenhafte Gesicht verblasste und zog sich aus dieser Welt zurück.

      »Na toll. Jetzt wissen wir auch nicht mehr.« Unser Mönch sprach nüchtern aus, was meine Enttäuschung verbarg.

      »Lasst uns schlafen gehen. Morgen sieht alles wieder anders aus.« Mein Angebot nahmen alle gerne an. »Wir sehen uns zum Frühstück.«

      Da die Nacht noch nicht vorbei war, begab ich mich in das geräumige Gemach und kuschelte mich wieder an Yana.

      »Was war denn los?«, murmelte sie verschlafen.

      Ich erzählte ihr von dem Überfall.

      »Du kennst Dich doch in Alchimie gut aus«, deutete ich an. »Ich habe eine Blutprobe genommen, vielleicht kannst du ja etwas über die Gestalten herausfinden.«

      »Dann musst du mir erst einmal helfen, mein Labor aus dem nimmervollen Beutel zu packen.«

      Nach einigen Minuten hatten wir alles Notwendige aufgebaut. In Ruhe untersuchte sie die mitgebrachte Blutprobe, destillierte sie, teilte sie auf und gab den einzelnen Proben unterschiedliche Stoffe hinzu. Interessiert sah ich ihr bei der Arbeit zu, lag dabei mit dem Bauch auf dem Bett und wackelte mit meinen Füßen.

      »Auch wenn ich für genauere Angaben mehr Zeit benötige«, erläuterte sie mir, »bin ich mir sicher, dass im Blut ein pflanzliches Gift enthalten ist. Sehr merkwürdig. Es hält den Körper warm und stoppt die Blutung. Das ist nicht gerade mein Fachgebiet. Der Rakshasa weiß bestimmt mehr.«

      Dankbar zog ich sie in meine Arme.

      »Diese Erkenntnis ist schon sehr viel. Und ich weiß auch, wie ich dir dafür danken kann.« Zärtlich küssten wir uns. Unsere Leidenschaft wuchs mit jedem Zungenschlag. Bevor der Tag begann, widmeten wir uns ausgiebig meiner befriedigenden Spruchvorbereitung.

      Am Frühstückstisch hielten wir gerade unsere Besprechung ab, als der Rakshasa klopfte.

      »Wie gerufen!«, meinte ich trocken.

      »Ich spürte, mein Wissen würde hier gebraucht, und so machte ich mich auf den Weg durch den frischen Morgen.« Seine spitzen Ohren drehten sich leicht.

      Zwischen meinen Fingernägeln hielt ich ihm den gefundenen Splitter hin. Er öffnete seine Hand, damit ich unsere Ausbeute der letzten Nacht hinein legen konnte. Aus einer kleinen Tasche zog er ein Monokel, hielt es vor seinem Auge und betrachtete das Fundstück.

      Ohne Forderungen zu stellen erläuterte er seine Erkenntnisse.

      »Dieser kleine Splitter gehört zu den ausgewachsenen Früchten einer Orkwaide, auch Waidling genannt. Es handelt sich um eine parasitäre Pflanze.«

      Begleitet von einem kurzen Schnurren und dem Zucken seiner langen Schnurrbarthaare bildete sich eine Illusion über seiner Handfläche, um uns eine Vorstellung zu geben. Sie zeigte einen Baum mit dunklen Früchten.

      »Entgegen normaler Bäume ernährt sich diese Gattung von Fleisch. Ihre Sprösslinge sind die benannten Waidlinge, deren Aussehen auf dem ersten Blick Orks gleicht. Daher auch die Verwechslung und der Name Orkwaide. Der Baum zieht weiter, wenn er satt ist. Das ist erst der Fall, wenn sich kein Leben mehr in der Nähe befindet. Es handelt sich um eine Pflanze aus den Narbenlanden, der man Herr werden muss. Sie trägt matschige Früchte in der Krone, verfügt über ein riesiges Maul und es stinkt in ihrer Nähe nach Verwesung. Dort liegen in der Regel auch die Knochen der verdauten Opfer. Das betäubende Gift der Waidlinge hält drei Stunden lang den Körper warm. Dann ist er zu kalt und nicht mehr schmackhaft für die Pflanze.«

      »Wie können wir den Baum aufspüren?«, erkundigte ich mich interessiert.

      »Pflanzen zeichnen sich nicht durch Intelligenz aus. Wenn Ihr eine Richtung habt, findet Ihr auch die Orkwaide. Berichten zufolge sind zwischen fünf und zwanzig Sprösslinge ständig aktiv. Sie sollten alle auf einen Schlag erwischt werden.«

      »Wie empfindlich reagieren sie auf Feuer?«, kam bei mir die Frage nach ihrer Verletzbarkeit auf.

      »Ihre Rinde ist sehr widerstandsfähig. Feuer schadet ihnen wie jedem anderen Wesen auch. Hinzu kommt ihre besondere Beziehung zu Holz. Die Sprösslinge können sich ungehindert durch Holz hindurch bewegen. Waffen aus Holz verletzen sie nicht. Auch Stichwaffen können


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