Der Eroberer. Paul Weidmann

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Der Eroberer - Paul Weidmann


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      Marionetenspiel

      In den Städten und an den Höfen unterhält man sich mit einem sinnreichen Puppenspiele. Man sucht Figuren von verschiedenen Ständen, Fürsten, Grafen, Baronen, Bürger, Beamte, Künstler, Gelehrte. Sie sind so natürlich gemacht, daß man schwören sollte, sie wären ächte Menschen; aber sie haben keine Seele. Sie sitzen, gehen, stehen, schlafen, essen, trinken, lachen, sprechen, ohne daß man die verborgenen Schnüre sieht, welche diese Maschinen in Bewegung setzen. Die Triebfedern sind verschieden. Oft eine schwache weibliche Hand belebt ungeheure Kolossen.

      Taschenspiel

      Das Taschenspiel wird am Hofe bis zur Vollkommenheit gebracht. Die Behändigkeit der Zunge, und der Finger zeugt jene Zauberey. Alles verwandelt sich, entflieht auf einen Wink; kömmt wieder durch einen Hauch. Man giebt, ohne zu geben. Man nimmt, ohne daß man den Räuber entdeckt. Alles ist verabredet. Den staunenden Zuschauern wird nicht Zeit gelassen zu überdenken, durch welche Griffe alles geschieht, und wenn sie die Ursache untersuchen wollen, ist alles schon geschehen.

      Schattenspiel

      Dieses ist das Meisterstück der Grossen. Sie versetzen ihre Zuschauer in eine ewige Nacht; verbergen sich hinter einer Schleyerwand, und gaukeln über ein Licht wunderliche Grimassen. Dadurch erhalten alle ihre Handlungen jene täuschende risenmäßige Grösse, die für scharfsichtige Augen zwar immer Gaukeleyen sind, den blödsinnigen Pöbel aber in Erstaunung setzen, und ihm eine kriechende knechtische Ehrfurcht für die grossen Schattenspieler abnöthigen.

      Die Zauberlaterne und der Gukkasten

      Die optischen Maschinen sind auch ein Blendwerk, das man mit Licht und Schatten am Hofe sehr glücklich anwendet. Das seltsame Gemische von grotesken Figuren, neuen Masken, phantastischen Scenen, Handlungen, Geberden der Zauberlaterne zeiget die wunderbaren und flüchtigen Auftritte der königlichen Burg. Man bedarf eines beredten Einsagers, der mit rascher Zunge seine Zuschauer zubereitet, denn in einer Minute verschwinden die Vorstellungen, und neue Begebenheiten verdrängen die Alten.

      Alle. Hahaha! Das war eine feine Satyre!

      Mars. Izt etwas von der Liebe, meine Freunde!

      Sonnet

      O Amor, schönster Gott, hör meine lezte Bitte!

      Sey meiner Liebe hold, dies soll die Gnade seyn.

      Der Wunsch ist für mich groß, für deine Kräfte klein;

      Wie oft empfand mein Herz Beweise deiner Güte!

      Du warst mein Busenfreund, du lenktest meine Schritte;

      Wer kann so fromm wie ich dir täglich Weihrauch streun?

      Wen wird dein Lächeln mehr als meine Brust erfreun?

      Sie glüte nur für dich schon in der ersten Blüte.

      Von dir beseelt steh ich izt in der Lebensmitte.

      Mich reizt die Grösse nicht: ich geize nicht um Aerz;

      Du labest mich allein; durch dich entflieht der Schmerz.

      Besuche süsses Kind noch einmal meine Hütte!

      Dir folget jede Lust, Du bringst den sanften Scherz

      Durch deine Gabe mit; schenk mir Sophiens Herz.

      Rasian. Ich zahle dich mit einem –

      Madrigal

      Du buhlest um mein Herz, Rosine?

      Betrachte besser deine Miene;

      Schlag heimlich den Kalender auf,

      Und überdenk den ganzen Lebenslauf!

      Izt sind es volle dreyßig Jahre,

      Da warst du mir zur Braut zu jung.

      Ich lud dich später zum Altare,

      Und hörte mit Demüthigung,

      Du seyst bereits, ich weiß nicht, wem versprochen.

      So war die Zärtlichkeit bezahlt.

      Izt kömmt die lezte der Epochen.

      Du scheinest mir, ich sag es frey, zu alt,

      Das macht auch meine Liebe kalt.

      Der König. Wer ist der Verfasser?

      Ras. Ein Dichter, der mit den Reifröcken zerfallen ist, und vermuthlich in einem Krankenspitale hungert.

      Der König. Der Mann scheint mir Kopf zu haben.

      Ras. Er schrieb auf sich selbst dies lezte –

      Epigram

      Die Menschen fliehen ihn wie eine Schlange;

      Was mag die Ursach seyn? Ist er Medusens Schild?

      Zeigt seine Larve sich mit eingeschrumpfter Wange;

      Sind seine Züge häßlich wild?

      Macht eine Krankheit ihn so stinkend wie die Leichen?

      Ist er beschwert mit bösen Seuchen?

      Zernagt ihn innerlicher Harm,

      Und macht ihn wild und ungesellig?

      Ist er zu ungestüm, zu ungefällig?

      O nein! Erstaunt! Er ist – zu arm.

      Der König. Ich will mich seiner erinnern. Verdienste sollen nie darben! Sucht sie auf, ruft sie aus den Schlupfwinkeln, und es soll mein schönstes Geschäfte seyn, sie zu belohnen!

Ende der ersten Kaprizze

      Der Jüngling Eduard

      Zweyte Kaprizze

      Biographie

      Das Leben grosser Könige ist das Vorbild, und die Schule der Herrscher. Sie sehen die Tugenden, die sie erreichen sollen, und die Fehler, die ihre Vollkommenheiten entstalten, und ihr Gedächtniß bey der Nachwelt verächtlich machen. Der Donner der Wohlredenheit und der Pinsel der Wahrheit verewiget entweder ihr Lob, oder ihre Schande. Eduard ist einer von den besondern Fürsten, deren edlere Thaten die Aufmerksamkeit späterer Geschlechter verdienen. Die ersten Jahre seiner glorreichen Regierung sind rühmliche Beweise der erhabensten Eigenschaften, und das Muster grosser Monarchen.

      Die gütige Natur erschöpfte sich gleichsam, in ihm ausserordentliche Gaben als in einem Mittelpunkte zu vereinigen, und ihn zum Meisterstücke der erstgebornen Genien zu bilden. Seine erhabene Miene verrieth seinen königlichen Stand. Sein Wuchs war schön, seine Züge einnehmend, und seine Suada bezaubernd. In ihm versammelten sich alle schätzbaren Eigenschaften seiner würdigen Ahnen, und vielleicht aller kommenden Enkel. Sein Herz war groß und zärtlich, und sein Geist durchdringend und erlaucht. Sein Auge war scharfsichtig; er spähete die Verdienste, und selten entwischten sie seinem Adlerblicke. Die Rechtschafnen freuten sich, denn sie sahen in ihm einen billigen Richter, der ihre Treue und Geschicklichkeit prüfte, und belohnte; die Verdienstlosen hingegen wurden desto mehr beschämt, weil schon die entehrende Ausschliessung von den Gnaden ihres wohlthätigen Landes-Fürsten ihre Schande bezeichnete. Da er den Charakter der Menschen mit einem Blick übersah; wuste er die unentbehrliche Kunst weiser Regenten jeden an seinen ächten Platz zu stellen, und jede Fähigkeit zu benutzen. Er kannte andere, ohne sich selbst ergründen zu lassen. Doch haßte er die alberne Grimasse feiner Politiker, die aus Kleinigkeiten Geheimnisse machen. Nur Hauptgeschäfte, deren glücklicher Erfolg von einem heiligen Stillschweigen abhieng, wurden von ihm in eine tiefe Nacht gehüllet. Er ließ seine Nachbarn nicht bey jedem Schritte zittern; seine Verheissungen waren unverbrüchliche Schwüre, und seine Bündnisse so ehrwürdig wie Eide. Seine Handlungen blieben allezeit königlich. Er gab seinen Thaten eine majestätische Grösse; seine Gedanken und Worte verriethen, aus welcher vortreflichen Seele sie ihren Ursprung zogen; er nahm nicht Zuflucht zu übertriebnen Gepränge; aber er würdigte nie seinen Stand durch geizige Sparsamkeit ab, damit er den Künstlern die Nahrungswege


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