Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма

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Der Graf von Monte Christo - Александр Дюма


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Gemach geleitete, dessen nackte, schwitzende Wände von Tränen geschwängert zu sein schienen. Eine Art von Lampe, deren Docht in einem stinkenden Fett schwamm, beleuchtete, auf einem Schämel stehend, die glänzenden Mauern dieses abscheulichen Aufenthaltes, und zeigte Dantes seinen Führer, einen schlecht gekleideten, gemein aussehenden Gefangenenwärter.

      »Das ist Ihr Zimmer für diese Nacht.« sagte er. »Es ist schon spät und der Herr Gouverneur hat sich bereits zu Bette gelegt. Wenn er morgen erwacht und von den Sie betreffenden Befehlen Kenntnis genommen hat. wird er Ihnen vielleicht eine andere Wohnung anweisen. Mittlerweile finden Sie hier Brot, Wasser in diesem Kruge und Stroh in einem Winkel da unten. Das ist Alles, was ein Gefangener wünschen kann.«

      Und ehe Dantes daran dachte, seinen Mund zu einer Antwort zu öffnen, ehe er bemerkte, wohin der Kerkerknecht dieses Brot gelegt hatte, ehe er sich Rechenschaft von dem Orte gab, wo der Krug stand, ehe er die Augen nach dem Winkel wandte, wo ihn das Stroh erwartete, das ihm als Bett dienen sollte, hatte der Gefangenenwärter, die Lampe genommen und dem Gefangenen, die Thüre verschließend, den bläulichen Reflex entzogen, der ihm, wie bei dem Schimmer eines Blitzes die feuchten Wände seines Gefängnisses gezeigt hatte.

      Er befand sich nun allein in der Finsternis und in einer Stille, so stumm und so düster, wie diese Gewölbe, deren eisige Kälte er auf seine glühende Stirne sich herabsenken fühlte.

      Als die ersten Strahlen des Morgens etwas.Klarheit in diese Höhle gebracht hatten, kam der Gefangenenwärter mit dem Befehle zurück, den Gefangenen zu lassen, wo er war. Dantes hatte den Platz nicht verändert. Eine eiserne Hand schien ihn an die Stelle genagelt zu haben, auf der er am Abend zuvor stille gestanden war. Nur verbarg sich sein tiefes Auge unter einer durch den feuchten Dunst seiner Tränen verursachten Geschwulst. Er war unbeweglich und schaute den Boden an.

      So hatte er die ganze Nacht stehend und ohne einen Augenblick zu schlafen zugebracht.

      Der Gefangenenwärter näherte sich ihm, ging um ihn her, aber Dantes schien ihn nicht zu sehen.

      Er schlug ihm auf die Schulter, Dantes bebte und schüttelte den Kopf.

      »Haben Sie denn nicht geschlafen?« fragte der Gefangenenwärter.

      »Ich weiß es nicht.« antwortete Dantes.

      Der Gefangenenwärter schaute ihn erstaunt an.

      »Haben Sie keinen Hunger?« fuhr er fort.

      »Ich weiß es nicht.« antwortete Dantes abermals.

      »Wünschen Sie etwas?«

      »Ich wünschte den Gouverneur zu sehen.«

      Der Gefangenenwärter zuckte die Achseln und entlernte sich.

      Dantes folgte ihm mit den Augen. streckte die Hände nach der halb geöffneten Thüre aus, aber die Thüre schloß sich wieder.

      Dann schien sich seine Brust in einem langen Schluchzen zu zerreißen. Seine Tränen, welche seine Augenlieder aufschwellten. sprangen wie zwei Bäche hervor. Er warf sich mit der Stirne auf die Erde, betete lange, durchlief in seinem Geiste sein ganzes vergangenes Leben und fragte sich, welches Verbrechen er, noch so jung, begangen hätte, das eine so grausame Bestrafung verdiente.

      So ging der Tag hin..Kaum aß er einige Bissen Brot und trank ein paar Tropfen Wasser. Bald saß er in seine Gedanken versunken, bald lief er in seinem Gefängnis umher wie ein wildes Tier. das in einem eisernen Käfig eingeschlossen ist.

      Ein Gedanke besonders machte ihn immer wieder auffahren: der, daß er während der Überfahrt, wo er in seiner Unkenntniß des Ortes, nach welchem man ihn führte, so ruhig geblieben, zehnmal im Stande gewesen wäre, sich in das Meer zu werfen, einmal im Wasser, durch seine Geschicklichkeit im Schwimmen, durch eine Geschicklichkeit, die aus ihm einen der gewandtesten Taucher von Marseille machte, unter dem Wasser zu verschwinden, seinen Wächtern zu entgehen, die Küste zu erreichen, zu fliehen, sich in irgend einem verlassenen Krek zu verbergen, ein genuesisches oder catalonisches Schiff zu erwarten, Italien oder Spanien zu erreichen und von dort aus Mercedes zu schreiben, sie möge zu ihm kommen. Über sein Leben durfte er in keinem Lande unruhig sein: überall sind gute Seeleute selten. Er sprach Italienisch wie ein Toscaner, Spanisch wie ein Kind von Altcastilien. Er hatte frei und glücklich mit Mercedes und seinem Vater gelebt, denn sein Vater wäre ihm auch nachgefolgt, während er nun ein Gefangener in dem Castell If, in diesem undurchdringlichen Kerker, eingeschlossen war und nicht wußte, was aus seinem Vater, was aus Mercedes wurde, alles dies, weil er an das Wort von Villefort geglaubt hatte. Dies war, um wahnsinnig zu werden. Dantes wälzte sich auch wütend auf dem frischen Stroh, das ihm der Gefangenenwärter gebracht hatte.

      Am andern Tage erschien dieser zu derselben Stunde.

      »Nun,« sagte er. »sind Sie heute vernünftiger als gestern?«

      Dantes antwortete nicht.

      ».Auf,« sprach der Gefangenenwärter. »Mut gefaßt. Wünschen Sie etwas, worüber ich zu verfügen habe, so sagen Sie es.«

      »Ich wünschte den Gouverneur zu sprechen.«

      »Ei,« erwiderte der Gefangenenwärter ungeduldig. »ich sagte Ihnen bereits, es wäre dies unmöglich.«

      »Warum unmöglich?«

      »Weil nach der Vorschrift des Gefängnisses eine solche Bitte den Gefangenen nicht gestattet ist.«

      »Und was ist denn hier erlaubt?« fragte Dantes.

      »Eine bessere Kost gegen Bezahlung, einen Spaziergang und zuweilen Bücher.«

      »Ich brauche keine Bücher, ich habe keine Lust spazieren zu gehen und finde meine Nahrung gut. Ich will also nur Eines: den Gouverneur sehen.«

      »Wenn Sie mich dadurch ärgern. daß Sie beständig dasselbe wiederholen,« sagte der Gefangenenwärter. »so bringe ich Ihnen nichts mehr zu essen.«

      »Gut!« erwiderte Dantes. »wenn Du mir nichts mehr zu essen bringst, so sterbe ich Hungers.«

      Der Ton, mit welchem Dantes diese Worte aussprach. bewies dem Schließer, daß sein Gefangener glücklich wäre, wenn er sterben könnte. Da nun jeder Gefangene seinem Wärter ungefähr zehn Sous täglich einträgt, so faßte der von Dantes das Defizit in das Auge, das sein Tod für ihn zur Folge haben würde, und versetzte freundlicher:

      »Hören Sie: was Sie wünschen. ist unmöglich, verlangen Sie es also nicht mehr von mir, denn es gibt kein Beispiel, daß der Gouverneur in das Zimmer eines Gefangenen auf dessen Bitte gekommen wäre. Seien Sie nur vernünftig, und man wird Ihnen den Spaziergang erlauben, dann ist es möglich, daß eines Tages, während Sie spazieren gehen, der Gouverneur vorüber kommt. Sie mögen ihn hierbei anreden, und wenn er antworten will. ist es seine Sache.«

      »Aber wie lange kann ich warten, bis dieser Zufall eintritt?« sagte Dantes.

      »Oh. bei Gott! einen Monat, drei Monate, sechs Monate, ein Jahr vielleicht.« r

      »Das ist zu lang.« erwiderte Dantes. »ich will ihn sogleich sehen.«

      »Erschöpfen Sie sich nicht in einem einzigen, unmöglichen Wunsche.« sprach der Gefangenenwärter. »oder Sie sind, ehe vierzehn Tage vergehen, ein Narr.«

      »Ha, Du glaubst!« rief Dantes.

      »Ja, ein Narr; so fängt die Narrheit immer an, wir haben hier ein Beispiel davon. Das Gehirn des Abbé. welcher vor Ihnen dieses Zimmer bewohnte, verrückte sich, indem er unabläßig dem Gouverneur, wenn man ihn freilassen würde, eine Million bot.«

      »Wann hat er dieses Zimmer verlassen?«

      »Vor zwei Jahren.«

      »Hat man ihn in Freiheit gesetzt?«

      »Nein, man hat ihn in einen Kerker gebracht.«

      »Höre,« sprach Dantes, »ich bin kein Abbé, ich bin kein Narr; vielleicht werde ich es, zu dieser Stunde aber habe ich leider noch meinen vollen Verstand und will Dir einen andern Vorschlag machen.«

      »Welchen?«

      »Ich werde Dir keine Million bieten, denn ich könnte sie Dir nicht geben; aber ich biete Dir hundert Thaler. wenn Du das erste Mal, wo Du


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