Der Page des Herzogs von Savoyen. Александр Дюма

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Der Page des Herzogs von Savoyen - Александр Дюма


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fühlte sie einigermaßen Gewissensbisse, daß sie den armen Philipp so am Rande eines Grabens in Ohnmacht liegen lasse, aber sie sah auch fünf bis sechs Reiter auf sich zukommen. Vielleicht gehörten diese zu den Leuten des Grafen Waldeck und sie hatte also gar keine Zeit zu verlieren, wenn sie ihnen entkommen wollte. Sie lief also nach dem Walde hin, ohne zurück zu sehen, sie lief wie gehetzt, bis sie das Gebüsch erreicht hatte; da erst blieb sie stehen, lehnte sich an einen Baum, um nicht zu fallen, und blickte ins Freie hinaus.

      Die fünf oder sechs Reiter waren an der Stelle angekommen, wo sie den ohnmächtigen Philipp verlassen hatte. Sie hatten ihn aufgehoben, da er aber keinen Schritt gehen konnte, legte ihn einer quer vor sich über den Sattel und so jagten sie fort.

      Uebrigens schienen die Leute nur gute Absichten zu haben und Gertrude fing an zu glauben, es hätte dem armen Philipp nichts Besseres geschehen können, als in solche Hände zu fallen, die so mitleidig zu seyn schienen.

      Als Gertrude sich so über das Schicksal ihres Begleiters beruhigt, auch sich etwas erholt hatte und zu Athem gekommen war, lief sie weiter in der Richtung hin, in welcher sie die Höhle zu finden glaubte, aber der Kopf war ihr so wüst, daß ihre Augen nicht auf die Zeichen merkten, die sie sonst auf ihrem Gange leiteten. Sie verirrte sich also und erst nach einer Stunde kam sie zufällig oder aus Instinkt in die Nähe der Höhle, wo Franz Scharfenstein sie ergriff.

      Das Uebrige erräth man: Franz streckte einen Arm aus, den er um Gertrude legte, mit der andern Hand hielt er ihr den Mund zu, dann hob er das Mädchen leicht auf, trug sie in die Höhle und setzte sie dann erschrocken mitten unter den Abenteurern nieder, denen sie, durch freundliche Worte Yvonnet’s beruhigt, das erzählte, was wir eben den Lesern mitgetheilt haben und was von den Zuhörern mit einem Schrei des Unwillens aufgenommen wurde.

      Aber, man irre sich nicht, dieser Unwille hatte eine selbstsüchtige Quelle. Die Abenteurer fühlten sich keineswegs durch den Mangel an Moral empört, welchen die Plünderer in dem Schlosse Parcq bewiesen hatten; nein, sondern darüber, daß Graf Waldeck mit seinen Söhnen das Schloß früh ausgeraubt hatte, welches sie Abends hatten plündern wollen.

      Dieser Unwille sprach sich in lauten Verwünschungen aus, denen dann der einmüthig gefaßte Beschluß folgte, auf Entdeckung auszugehen und zuzusehen, was draußen geschehe, sowohl nach der Seite hin, nach welcher man Philipp gebracht, als auch in der Gegend des Schlosses, in welcher das Drama gespielt, welches Gertrude mit aller Beredsamkeit und Energie der Angst beschrieben hatte.

      Der Unwille schloß indeß bei den Abenteurern die Vorsicht nicht aus. So beschlossen sie denn ein Zuverlässiger und Gutwilliger solle vorher den Wald durchsuchen und dann den Andern Bericht erstatten. Je nach den Aussichten auf Sicherheit oder Unsicherheit, welche diese Musterung gäbe, wollte man handeln.

      Yvonnet erbot sich die Durchsuchung des Waldes zu übernehmen. Auch war er allerdings am geeignetsten dazu, denn er kannte den Wald genau und war gewandt wie ein Reh und schlau wie ein Fuchs.

      Gertrude protestirte laut dagegen, daß ihr Geliebter einen so gefährlichen Auftrag übernehme, aber man machte ihr mit sehr wenigen Worten begreiflich, daß sie die Zeit übel wähle, um Liebesbesorgnisse in einer Gesellschaft zu äußern, die an dergleichen Zartheiten und Zärtlichkeiten nicht gewöhnt sey. Sie war denn auch im Grunde ein sehr verständiges Mädchen und beruhigte sich, da sie sah, daß ihre Klagen und Thränen nicht nur nichts nützten, sondern am Ende gar für sie schlecht ablaufen könnten. Auch setzte ihr Yvonnet heimlich auseinander, die Geliebte eines Abenteurers dürfe nicht so reizbar und empfindlich seyn wie eine Romanprinzessin, dann übergab er sie den Händen seines Freundes Fracasso, unter der besondern Obhut der beiden Scharfenstein, und verließ die Höhle, um den wichtigen Auftrag auszuführen, den er übernommen hatte.

      Nach zehn Minuten war er zurück.

      Der Wald war vollkommen frei und schien durchaus keine Gefahr zu bieten.

      Da die Neugierde der Abenteurer in der Höhle durch die Erzählung der Jungfer Gertrude fast so gereizt worden war, wie die Gertrude’s durch die Erzählung Philipps und der vielerprobte Lanzknecht schicklicherweise nicht dieselben Gründe zur Vorsicht haben konnte wie ein schönes schüchternes junges Mädchen, so verließen sie die Höhle und ließen den Gesellschaftsvertrag Procops unter der Bewachung der Erdgeister, forderten Yvonnet auf, sich an ihre Spitze zu stellen, und gingen unter seiner Führung nach dem Waldsaume zu, freilich nicht ohne daß ein Jeder sich vorher überzeugt hatte, daß sein Schwert oder Dolch in der Scheide nicht eingerostet sey.

       VI.

      Der Richter

      In dem Maße wie die Abenteurer sich der Spitze des Waldes näherten, die sich wie eine Lanzenspitze bis eine Viertelstunde von Hesdin vorschob und die unsern Lesern bereits bekannten Becken der Ebene trennte, folgte dem Hochwalde dichtes Unterholz, das, weil die Bäume da nahe neben einander standen und ihre Zweige in einander flochten, die Sicherheit derer mehrte, welche sich in seinem Schatten bargen. Die kleine Schaar gelangte also an den Waldsaum ohne von einem lebendigen Wesen gesehen worden zu seyn.

      Etwa fünfzehn Schritte von dem Graben, welcher den Wald von der Ebene trennte und um den Weg herumging, auf welchen wir die Aufmerksamkeit der Leser schon im ersten Capitel dieses Buches gelenkt haben und der eine Verbindung zwischen dem Schloß Parcq, dem Lager des Kaisers und den benachbarten Dörfern bildete, blieben unsere Abenteurer stehen.

      Der Ort war dazu auch gut gewählt; eine riesige Eiche, die mit einigen ähnlichen Bäumen geblieben war, um anzudeuten, welche Riesen sonst da gestanden hatten, breitete ihren buschigen Wipfel über ihre Köpfe aus, während sie, sobald sie einige Schritte thaten, über die Ebene hinblicken konnten, ohne gesehen zu werden.

      Alle erhoben sich gleichzeitig zu dem mächtigen hundertjährigen Baume. Yvonnet errieth, was man noch von ihm erwartete, er nickte deshalb zustimmend, ließ sich die Schreibtafel Fracasso’s geben, in welcher sich ein einziges reines Papierblatt befand, das ihm der Dichter mit der Empfehlung zeigte, die andern zu schonen, da auf ihnen seine dichterischen Ereignisse ruhten. Er lehnte einen der beiden Scharfenstein an den Baumstamm, den er mit seinen Armen nicht umfassen konnte, stieg in die zusammengehaltenen Hände des Riesen, von den Händen ihm auf die Achseln, von diesen zu den ersten Zweigen des Baumes und im nächsten Augenblicke ritt er auf einem der gewaltigen Aeste so sicher und bequem wie ein Matrose auf der Rat eines Mastes.

      Gertrude hatte ihm bei diesem Kletterwerke ängstlich nachgesehen, aber auch, bereits gelernt ihre Besorgnisse bei sich zu behalten und ihr lautes Schreien zu unterdrücken. Als sie überdies die Gewandtheit bemerkte, mit welcher sich Yvonnet auf den Ast geschwungen hatte, und die Leichtigkeit, mit welcher er nach rechts und links blickte, überredete sie sich, daß er gar nicht in Gefahr sey.

      Yvonnet, welcher die Hand als Schirm über die Augen hielt und so bald nach Norden bald nach Süden sah, schien übrigens auf beiden Seiten gleich Beachtenswürdiges zu bemerken.

      Sein öfteres Hinüber- und Herüberblicken erregte die Neugierde der Abenteurer sehr, welche unten in dem dichten Gebüsche nichts von dem erblicken konnten, was Yvonnet von seinem hohen Sitzpunkte sah. Auch begriff Yvonnet ihre Ungeduld, da sie ihn so fragend ansahen, ja leise zu fragen wagten: »Aber was gibt es denn?«

      Zu den Ungeduldigsten, das läßt sich nicht läugnen, gehörte Jungfer Gertrude.

      Yvonnet, gab endlich seinen Gefährten zu verstehen, daß sie nach wenigen Minuten so viel wissen sollten als er. Er öffnete die Schreibtafel Fracasso’s, riß das letzte weiße Blatt heraus, schrieb darauf mit Bleistift einige Zeilen, rollte dann das Papier zusammen, damit es nicht hinwegfliege, und ließ es hinunterfallen.

      Alle Hände streckten sich darnach aus, auch die weißen, kleinen Hände Gertrudens, aber es gelangte in die tüchtigen Fäuste des Franz Scharfenstein.

      Der Riese lachte über sein Glück, gab aber das Papier seinem Nachbar und sagte:

      »Du, Procop, lesen kann ich wenig, französisch gar nicht.«

      Procop, der so neugierig war wie die Andern, rollte das Blättchen auseinander, und las unter allgemeiner Aufmerksamkeit:

      »Das Schloß Parcq steht in Feuer.

      »Der


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