Der Page des Herzogs von Savoyen. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.hat, könnte er glauben, ich fürchte mich.«
Die Reiter entwanden dem Bastard das Schwert und ließen ihn los.
Er spornte sein Pferd heftig, daß es in einem gewaltigen Satze bis dicht an Emanuel Philibert flog.
Dieser hatte die Hand an dem zweiten Pistol und erwartete ihn so.
»Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen, Fürst von Piemont,« rief der Bastard von Waldeck indem er drohend die Hand nach ihm ausstreckte, »Du verstehst wohl, daß von heute an Todfeindschaft zwischen Dir und mir besteht? Emanuel Philibert, Du hast meinen Vater getödtet,« – er schlug das Visir seines Helmes auf – »betrachte mein Gesicht genau; so oft Du es sehen wirst, in der Nacht oder am Tage bei einem Feste oder im Kampfe… Wehe, Wehe Dir, Emanuel Philibert!«
Er riß darauf sein Pferd herum, jagte im Galopp davon, schüttelte seine Hand, als wolle er noch einen Fluch gegen den Herzog schleudern und rief zum legten Male:
»Wehe!«
»Elender!« brummte der Knappe Emanuels, indem er seinem Pferde die Sporen gab, um ihn zu verfolgen; der Herzog machte aber eine gebieterische Bewegung mit der Hand und sagte:
»Keinen Schritt weiter, Scianca-Ferro! Ich verbiete es!«
Er wendete sich dann zu dem Pagen, der todtenbleich auf dem Pferde saß, als müsse er herunter fallen.
»Was ist das, Leon?« fragte er, indem er ihm die Hand reichte, »wahrhaftig, ich könnte Dich für ein Mädchen halten, wenn ich Dich so bleich und zitternd neben mir sehe.«
»Ach, theurer Herzog,« antwortete der Page, »sagt mir, daß Ihr nicht verwundet seyd, oder ich sterbe.«
»Kind, « entgegnete der Herzog, »stehe ich nicht in Gottes Hand?«
Zu den Reitern sagte er, indem er auf den todten Grafen zeigte:
»Freunde, gebt dem Manne ein christliches Begräbniß und möge die Gerechtigkeit, die ich an ihm geübt habe, Euch als Beweis dienen, daß es in meinen Augen wie in den Augen Gottes weder Große noch Kleine gibt.«
Er winkte Scianca-Ferro und Leon und kehrte mit ihnen nach dem Lager zurück, ohne daß sich in seinem Gesichte eine andere Spur von dem schrecklichen Ereignisse, das geschehen war, zeigte, als die gewöhnliche Runzel auf seiner Stirn, die sich nur ein wenig tiefer gegraben zu haben schien.
VII.
Geschichte und Roman
Während die Abenteurer, die ungesehen Zeugen der Katastrophe gewesen, welche wir geschildert, mit einem traurigen Blicke auf die rauchenden Trümmer des Schlosses Parcq in ihre Höhle zurückkehren, um die letzte Hand an den Gesellschaftsvertrag zu legen, der zwar vor der Hand nutzlos geworden ist, aber in Zukunft den Verbündeten doch die wunderbarsten Früchte tragen kann; während auf der andern Seite die Retter auf den Befehl oder vielmehr aus die Empfehlung ihrem ehemaligen Anführer ein christliches Begräbnis zu gewähren, in einem Winkel des Friedhofes von Hesdin das Grab dessen gruben, welcher die Strafe für sein Verbrechen auf der Erde empfangen hat und nun auf die göttliche Barmherzigkeit hofft; während endlich Philibert Emanuel zwischen seinem Knappen Scianca-Ferro und seinem Pagen Leon nach seinem Zelte zurückkehrt, wollen wir Alles das, was nur Prolog war, die Inscenesetzung und die untergeordneten Personen unseres Dramas bei Seite setzen, uns mit der Wirklichkeit und den Hauptpersonen beschäftigen, welche hervorgetreten sind, und um – die Leser gründlicher mit den Charakteren bekannt zu machen, – einen historisch-romantischen Ausflug oder Abstecher in die Vergangenheit machen, jenes glänzende Reich des Dichters und Geschichtschreibers, das ihnen keine Revolution entziehen kann.
Emanuel Philibert, der dritte Sohn Carls III., des Gütigen, und der Beatrice von Portugal, wurde am 8. Juli 1528 in dem Schlosse zu Chambéry geboren.
Er empfing einen doppelten Namen: Emanuel zu Ehren seines mütterlichen Ahns, Emanuel, Königs von Portugal, und Philibert in Folge eines Gelübdes, welches sein Vater dem heiligen Philibert von Tours gethan hatte. Er wurde um vier Uhr Nachmittags geboren und erschien an der Pforte des Lebens so schwächlich, daß der Athem des Kindes nur durch den Hauch erhalten wurde, den ihm eine der Frauen seiner Mutter einblies und daß er bis zum dritten Jahre den Kopf nicht emporrichten, auch nicht sich auf den Füßen erheben konnte.
Als das Horoskop, das damals bei der Geburt jedes Prinzen gestellt wurde, verkündete, der eben Geborene werde ein großer Kriegsheld werden und dem Hause Savoyen einen größern Glanz geben, als vorher Peter, genannt der kleine Carl der Große, oder Amadeus V., genannt der Große, oder Amadeus VI., genannt der grüne Graf, konnte seine Mutter die Thränen nicht unterdrücken, während sein Vater, ein frommer, gottergebener Mann, kopfschüttelnd und zweifelnd zu dem Astrologen sagte, welcher ihm diese Prophezeiung brachte:
»Gott erhöre Euch, guter Freund!«
Emanuel Philibert war durch seine Mutter, Beatrice von Portugal, die schönste und gebildetste Fürstin ihrer Zeit, der Neffe Carls V., und durch seine Taute, Louise von Savoyen, unter deren Bett der Connétable von Bourbon sein Heiligen-Geist-Ordensband gelassen haben sollte, der Vetter Franz I.
Seine Tante war auch die geistreiche Margaretha von Oesterreich, welche ein Heft eigenhändig geschriebener Lieder hinterlassen hat, die man heute noch in der kaiserlichen Bibliothek in Paris sehen kann, und welche im Sturme unterwegs nach Spanien, wo sie sich mit dem Infanten, dem Sohne Ferdinands und Isabellens, vermählen sollte, nachdem sie mit dem Dauphin von Frankreich und dem Könige von England verlobt gewesen war, die seltsame Grabschrift für sich schrieb, weil sie glaubte, ihr Ende sey gekommen:
»Weinet, weinet, Liebesgötter, über die schöne Margarethe,
Die dreimal verlobt war und als Jungfrau starb.
Emanuel Philibert war, wie gesagt, so schwächlich, daß ihn sein Vater trotz der Prophezeiung, die einen gewaltigen Kriegsmann in ihm sah, für die Kirche bestimmte. Im Alter von drei Jahren schon wurde er nach Bologna gesandt, damit er den Fuß des Papstes Clemens VII. küsse, welcher seinem Oheim, dem Kaiser Carl V., die Krone gegeben hatte, auf dessen Empfehlung der junge Prinz von dem Papste den Cardinalshut zugesagt erhielt. Daher der Name Cardinälchen, den man ihm als Kind gab und der ihn gewaltig aufbrachte, denn er wollte viel lieber ein großer Krieger als eine fromme Eminenz werden.
Man erinnert sich der Dienerin oder vielmehr der Freundin der Herzogin von Savoyen, welche nach der Geburt des Prinzen das im Verscheiden liegende Kind dadurch erhalten hatte, daß sie ihm Luft in die Lungen geblasen. Sechs Monate vorher gebar sie selbst einen Sohn, der so stark und kräftig zur Welt kam wie jener der Herzogin schwächlich. Als die Herzogin sah, daß ihr Kind durch jene Getreue gerettet worden, sagte sie:
»Meine liebe Lucretia, das Kind gehört nun Dir sowohl als mir; ich gebe es Dir, nähre es mit deiner Milch, wie Du es mit deinem Athem erhalten hast und ich werde Dir mehr verdanken als er selbst, denn er verdankt Dir nur das Leben, ich aber danke Dir mein Kind.«
Lucretia nahm das Kind, zu dessen halber Mutter man sie machte, als etwas Heiliges in Verwahrung; es schien indeß als solle der Erbe des Herzogs von Savoyen auf Kosten des kleinen Rinaldo, wie sein Milchbruder hieß, Leben und Kraft gewinnen, weil die Nahrung, welche der kleine Emanuel beanspruchte, die Rinaldo’s um so viel verminderte.
Rinaldo aber war nach sechs Monaten so stark und kräftig wie ein anderes Kind kaum in einem Jahre. Die Natur hat ja ihre Wunder und so tranken die beiden Kinder an derselben Brust, ohne daß die Muttermilch einen Augenblick versiegte.
Die Herzogin seufzte, wenn sie an einer Brust das so starke fremde Kind und ihr eigenes schwächliches sah.
Der kleine Rinaldo schien übrigens die Schwäche seines Milchbruders zu erkennen und zu bemitleiden; oft wollte das herzogliche Kind die Brust, an welcher das andere Kind trank, und dieses überließ, lächelnd mit den milchnassen Lippen, bereitwillig dem eigensinnigen Herzoge den Platz.
So wuchsen die beiden Kinder auf dem Schooße Lucretia’s heran. Im dritten Jahre sah Rinaldo aus wie fünfjährig, während Emanuel in seinem dritten Jahre kaum gehen und nur mit Mühe den gesenkten Kopf emporrichten konnte.
Da