Der Page des Herzogs von Savoyen. Александр Дюма
Читать онлайн книгу.Freund, ich habe dem Könige von Frankreich immer nur Dienste geleistet und glaubte, die Namen »Bundesgenosse,« »Freund,« »Diener« und »Oheim« verdienten ein anderes Verfahren. Ich habe alles gethan, was ich thun konnte, um in Eintracht mit ihm zu leben und nichts versäumt, um ihn wissen zu lassen, wie Unrecht er hat, sich gegen mich zu erzürnen. Ich weiß wohl, daß meine Streitmacht mit der seinigen nicht verglichen werden kann, da er denn aber durchaus nicht auf den Beistand hören will und entschlossen zu seyn scheint, meiner Staaten sich zu bemächtigen, so saget ihm, er werde mich an der Grenze finden und ich hoffe mit Hilfe meiner Verbündeten und Freunde mich zu vertheidigen. Uebrigens kennt der König, mein Neffe, meine Devise: Dem fehlt nichts, welchem Gott bleibt.«
Er schickte darauf den Herold zurück, nachdem er ihm einen sehr kostbaren Anzug und ein Paar Handschuhe voll Thaler hatte geben lassen.
Nach einer solchen Antwort hatte man nichts zu thun als sich zum Kriege vorzubereiten.
Zuerst brachte Carl III. seine Gemahlin und sein Kind in Sicherheit in seinem Castell zu Nizza.
Die Abreise dahin wurde demnach als nahe bevorstehend angekündigt.
Da hielt es Emanuel Philibert für Zeit, seine Mutter zu vermögen, Leone aus der Bauernfamilie wegzunehmen, bei der man ihn überhaupt nur vorläufig gelassen hatte. Man war schon damit einig, den Knaben wie Scianca-Ferro zum Genossen des Prinzen zu machen.
Die Herzogin Beatrice war, wie schon gesagt, eine kluge Frau. Alles was sie an dem Verwaisten bemerkt hatte, die feinen Züge, die zarten Hände, die gewählte Sprache, brachte sie zu dem Glauben, es liege dahinter irgend ein großes Geheimniß. Die Herzogin war ferner eine religiöse Frau; sie sah darin, daß Emanuel das Kind nach einer Gefahr gefunden hatte, einen Fingerzeig Gottes; sie meinte, jetzt, da das Unglück ihrem Hause sich nahe und der Engel der finstern Nächte ihrem Gemahl, ihr selbst und ihrem Sohne den Weg in das Exil zeige, sey es die Zeit nicht den Verwaisten zurückzuweisen, der einmal als Mann ihr Freund seyn könne. Sie gedachte des Boten Gottes, der als gewöhnlicher Wanderer auf der Schwelle des blinden Tobias erschienen war, dem er später durch die Hände des Sohnes Licht und Freude zurückgegeben. Statt also dem Verlangen Emanuels entgegen zu seyn, ging sie bereitwillig auf dasselbe ein und ermächtigte, mit der Erlaubniß des Herzogs, ihren Sohn, die Nachricht selbst seinem Schützlinge zu bringen.
Leone sollte die Reise nach Nizza mit den beiden andern Kindern machen. Emanuel wartete nur bis zum andern Tage, Leone die angenehme Nachricht zu bringen. Gleich bei Tagesanbruch ging er in den Stall, sattelte sich selbst sein kleines Pferd, überließ Scianca-Ferro das Uebrige und ritt so schnell sein Pferd laufen konnte nach Oleggio.
Er fand Leone in Trauer. Der Arme hatte gehört, daß seine reichen und mächtigen Beschützer nun auch vom Unglück bedroht würden. Man hatte von der Abreise des Hofes nach Nizza gesprochen, das heißt in eine Gegend, von welcher das Kind nie etwas gehört, und als Emanuel athemlos und freudig zugleich ankam, weinte Leone, als habe er die Mutter zum zweiten Male verloren.
Die Kinder aber sehen vorzugsweise durch die Thränen der Engel und wir übertreiben nicht, wenn wir sagen, daß Emanuel dem weinenden Leone wie ein Engel erschien.
Mit wenigen Worten wurde alles gesagt, erklärt, verabredet und auf die Thränen folgte Lachen. Es gibt bei den Menschen eine Zeit – es ist die glückliche – wo Weinen und Lachen sich berühren wie die Nacht und die Morgenröthe.
Zwei Stunden nach Emanuel kam Scianca-Ferro mit dem ersten Knappen des Prinzen und zwei Dienern an und einer derselben führte den Zelter der Herzogin. Man gab dem Bauer, welcher Leone sechs Wochen bei sich gesehen hatte, eine gute Summe Geldes. Das Kind nahm herzlichen Abschied, aber wenn auch mit Thränen, so doch auch mit Freude. Emanuel half Leone auf das Pferd und wollte dasselbe auch selbst am Zügel führen, damit seinem Schützlinge ja nichts geschehe.
Scianca-Ferro war auf diese neue Freundschaft nicht eifersüchtig, sondern galoppirte an der Seite hin und her und lächelte dem Freunde seines Freundes mit dem Jugendlächeln zu, das alle Zähne und das ganze Herz zeigt.
So gelangte man nach Vercelli. Der Herzog und die Herzogin empfingen Leone freundlich und er gehörte von nun an zur Familie.
Den nächsten Tag bereits brach man nach Nizza auf, wo man ohne Unfall anlangte.
VIII.
Der Knappe und der Page
Unsere Absicht ist es gar nicht – denn Andere haben es viel besser gethan, als wir es thun könnten – die Geschichte der großen Rivalität zu erzählen, welche im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts so viel Unglück und Elend erzeugte. Gott hat uns eine bescheidene, aber zugleich doch auch angenehmere und für unsere Leser unterhaltendere Aufgabe gestellt. Wir werden also in der nachfolgenden Erzählung nur, die Gipfel der großen Ereignisse sehen, die gleich den hohen Gipfeln der Alpen sich über die Wolken in schneebedeckten Zacken erheben.
Franz I. zog durch Savoyen, durch Piemont und verbreitete sich über Italien.
Drei Jahre lang donnerten die Kanonen des Reiches und Frankreichs bald in der Provence, bald im Mailändischen.
Nur der Engel des Todes weiß, wie viele Leichen dazu gehörten, um euch, ihr schönen Ebenen der Lombardei und Piemonts, die unerschöpfliche Fruchtbarkeit zu geben!
Unterdeß wuchsen die Kinder unter dem Auge der Herzogin Beatrice und unter dem Auge Gottes unter dem schönen Himmel Nizzas auf, der am Tage reines Blau und in der Nacht voll Flammen ist und unter dem selbst die Insecten fliegende Funken sind.
Leone war ein unentbehrliches Mitglied des lustigen Kleeblattes geworden; er theilte alle Spiele, aber nicht alle Leibesübungen; die zu gewaltsamen Studien der Kriegskunst paßten nicht für seine kleinen Hände, und seine Arme schienen den Meistern jener Kunst zu schwach zu seyn, als daß sie jemals Schild und Lanze in kriegerischer Weise würden führen können. Allerdings war Leone drei Jahre jünger als seine Gefährten, aber es schien ein Unterschied von zehn Jahren zwischen ihnen zu seyn, besonders seit Emanuel, ohne Zweifel durch die Gnade Gottes, der ihn zu großen Dingen ausersehen hatte, an Kraft und Gesundheit rüstig zunahm, als wolle er nachholen, was sein Milchbruder Scianca-Ferro ihm voraus war.
So theilten sich denn auch die Rollen ganz naturgemäß den beiden Gefährten des jungen Herzogs zu: Scianca-Ferro wurde der Knappe, der minder ehrgeizige Leon begnügte sich der Page zu seyn.
Unterdeß erfuhr man, daß der älteste Sohn des Herzogs der Prinz Ludwig, in Madrid gestorben sey.
Es war ein großer Schmerz für den Herzog Carl und die Herzogin Beatrice; indeß gab ihnen Gott nach dem Schmerze einen Trost, wenn es für einen Vater, besonders aber für eine Mutter, einen Trost über den Tod ihres Kindes gibt.
Der Prinz Ludwig war seit langer Zeit von seinen Eltern entfernt, während Emanuel Philibert, der jeden Tag die Prophezeiung des Astrologen glaubhafter machen zu wollen schien, wie eine Lilie blühte und wie eine Eiche wuchs unter den Augen des Vaters und der Mutter.
Gott, der die Vertriebenen wohl nur hatte prüfen wollen, suchte sie alle darauf mit weit schmerzlicherem Schlage heim. Die Herzogin Beatrice erkrankte und trotz der Kunst der Aerzte, der Pflege des Gemahls, des Sohnes und ihrer Damen und Dienerinen starb sie am 8. Jänner 1538.
Der Schmerz des Herzogs war tief, aber voll Ergebung; die Trauer Emanuels grenzte an Verzweiflung. Zum Glück hatte der junge Prinz auch eine Waise bei sich, welche die Thränen schon kannte. Was wäre aus ihm geworden ohne den sanften Gefährten, der nicht zu trösten versuchte, sondern mit ihm weinte?
Scianca-Ferro fühlte bei diesem Verluste gewiß auch Schmerz; hätte er der Herzogin das Leben wieder geben können, wenn er irgend einen schrecklichen Riesen in dessen Thurme herausgefordert oder einen Drachen in der Höhle ausgesucht, der Ritter von elf Jahren würde augenblicklich und ohne, Zögern aufgebrochen seyn, um die That zu verrichten, welche, wenn auch, mit Verlust seines eigenen Lebens, seinen Freunden Glück und Freude wieder geben sollte; darauf aber beschränkte sich der Trost, den er bieten konnte; seine mächtige Natur eignete sich nicht für erweichende Thränen; eine Wunde konnte Blut aus seinen Adern ziehen, kein Schmerz vermochte Thränen in seine Augen zu locken.
Was