Der Page des Herzogs von Savoyen. Александр Дюма
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Man hätte glauben können, dieses Versprechen habe ihm Glück gebracht und der Name Cardinälchen den besondern Schutz Gottes zugewendet, denn von seinem dritten Jahre an begann seine Gesundheit sich zu befestigen und sein Körper zu kräftigen.
Wahrhaft wunderbare Fortschritte in dieser Art aber machte Rinaldo; seine dauerhaftesten Spielzeuge brachen in Stücke unter seinen Fingern, er konnte nichts angreifen ohne es zu zerbrechen. Da kam man auf den Gedanken ihm eiserne machen zu lassen, aber er zerbrach sie auch, als wären sie von Töpferzeug. Darum nannte denn auch der gute Herzog Carl III., der oftmals die beiden Kinder spielen sah, den Spielgenossen seines Emanuel Scianca-Ferro, was in dem piemontesischen Dialekt »Eisenbrecher« heißt.
Den Namen behielt er.
Merkwürdig dabei war, daß Scianca-Ferro seiner bewunderungswürdigen Körperkraft sich nur bediente, um Emanuel zu schützen, den er über alles liebte, statt neidisch auf ihn zu seyn, wie es vielleicht ein anderes Kind gewesen wäre.
Der kleine Emanuel dagegen beneidete seinen Milchbruder gar sehr um diese Körperkraft und hätte seinen Namen Cardinälchen gern für Scianca-Ferro hingegeben.
Er schien indeß im Umgange mit dem Kräftigen auch allmälig eine gewisse Kraft zu erlangen. Scianca-Ferro, der allerdings nicht seine ganze Kraft anwandte, rang mit ihm, lief mit ihm und ließ sich bisweilen, um ihn zu ermuthigen, im Kampfe besiegen, im Laufe einholen.
Alle körperlichen Uebungen trieben sie gemeinschaftlich: Neuen, Fechten, Schwimmen; in allen war Scianca-Ferro für den Augenblick überlegen, aber man sah doch auch ein, daß es nur eine Sache der Zeit sey und Emanuel vielleicht noch Vieles nachhole.
Die beiden Kinder verließen einander nicht und liebten einander wie Brüder; Einer war eifersüchtig auf den Andern, wie eine Geliebte eifersüchtig auf den Geliebten ist und doch nahte die Zeit, in der ein dritter Genosse, den sie mit gleicher Liebe aufnahmen, an ihren Spielen Theil nehmen sollte.
Eines Tages, als der Hof des Herzogs Carl III. in Vercelli war, wegen Unruhen, die in Mailand ausgebrochen, ritten die beiden Knaben mit ihrem Reitlehrer aus, machten einen langen Ausflug am linken Ufer der Sesia, kamen über Novara hinaus und wagten sich bis an den Ticino. Das Pferd des jungen Herzogs war voraus, als plötzlich ein Stier, der auf einem Weideplatze eingesperrt war, die Schranken zerbrach, die ihn einschlossen und das Pferd des Prinzen scheu machte, das über die Wiesen hinweg durchging und über Gräben, Bäche und Hecken setzte. Emanuel war bereits ein trefflicher Reiter, man hatte deshalb nichts zu besorgen; Scianca-Ferro jagte ihm indeß geradenwegs nach und setzte über dieselben Hindernisse hinweg. Der Reitlehrer machte einen Umweg, so daß er sicherer an die Stelle kommen mußte, nach welcher die Jagd der beiden jungen Leute hinging.
Nach einer Viertelstunde wahnsinnigen Jagens sah Scianca-Ferro Emanuel nicht mehr, und fürchtete, daß ihm ein Unglück begegnet sey und rief mit aller Kraft. Zweimal blieb sein Rufen ohne Antwort; endlich aber war es ihm als höre er die Stimme des Prinzen nach dem Dorfe Oleggio hin. Er jagte dahin und bald fand er Emanuel an einem Beiflusse des Ticino.
Zu seinen Füßen lag eine Todte, die in ihren Armen einen fast todten Knaben von vier bis fünf Jahren hielt.
Das Pferd, das sich wieder beruhigt hatte, fraß ruhig die jungen Baumtriebe ab, während der Prinz das Kind zum Bewußtseyn zu bringen suchte. An die Frau brauchte er nicht zu denken, denn die war wirklich todt.
Sie schien der Anstrengung, der Armuth und dem Hunger erlegen zu seyn und das Kind schien auch dem Hungertode nahe.
Das Dorf Oleggio war nicht weit entfernt und Scianca-Ferro ritt sofort dahin.
Emanuel wäre gern selbst geritten, statt seinen Milchbruder zu schicken, das Kind hatte sich aber an ihn geschmiegt, schien an seiner Seite allmälig wieder aufzuleben und wollte ihn nicht loslassen.
Der arme Kleine hatte ihn dicht an die Todte gezogen und sagte in dem herzzerreißenden Tone des Kindes, dem man nie das Bewußtseyn seines Unglücks geben kann:
»Wache auf, Mütterchen! Wache auf, Mütterchen!» Emanuel hatte Thränen in den Augen. Was konnte er thun? Er selbst sah zum ersten Male den Tod; er hatte nichts als seine Thränen und die gab er.
Scianca-Ferro erschien wieder; er brachte Brot und eine Flasche Wein.
Man versuchte einige Tropfen des Weines in den Mund der Mutter zu bringen, aber vergebens; sie war eine Leiche.
Nur mit dem Kinde konnte man sich beschäftigen.
Das Kind weinte über die Mutter, die nicht erwachen wollte, trank aber, aß und erholte sich ein wenig.
In diesem Augenblicke kamen die Landleute an, welche Scianca-Ferro berufen hatte; sie hatten auch den Begleiter des Prinzen getroffen, der ganz trostlos gewesen war, und brachten ihn mit an die Stelle, welche Scianca-Ferro ihnen beschrieben.
Sie wußten also, daß sie den jungen Prinzen von Savoyen vor sich hatten und da der Herzog Carl III. allgemein geliebt war, so erboten sie sich sogleich Alles zu thun, was Emanuel ihnen wegen der todten Frau und des Kindes befehlen würde.
Emanuel wählte unter den Leuten eine Frau aus, die er für gutmüthig und mitleidig hielt; er gab ihr alles Geld, das er und Scianca-Ferro bei sich hatten, schrieb den Namen der Frau auf und bat sie für das Begräbniß der Todten und die Bedürfnisse des Kindes zu sorgen.
Da es spät wurde, so bestand der Reitlehrer, der Stallmeister, darauf, daß sie ohne Zögern zurückkehrten. Der kleine Waise weinte sehr; das Kind wollte seinen guten Freund Emanuel nicht verlassen, dessen Namen es kannte, aber nicht den Stand. Emanuel versprach wieder zu kommen und es zu besuchen; dieses Versprechen beruhigte es etwas, aber als Emanuel fortritt, weinte es nur um so heftiger.
Wie schnell man auch ritt, man kam erst spät am Abend zurück. Man war in der herzoglichen Familie sehr besorgt gewesen und hatte nach allen Richtungen hin Boten ausgeschickt. Auch wollte die Herzogin ernstlich schelten, als Emanuel die Geschichte von dem Kinde mit seiner sanften Stimme traurig erzählte. Da konnte man ihn nicht mehr schelten, sondern mußte ihn loben und die Herzogin, welche innigen Antheil an dem armen Kinde nahm, erklärte sie selbst würde am nächsten Tage, nachdem die Mutter begraben, ihm einen Besuch machen.
So geschah es; die Herzogin reiste in der Sänfte und die beiden Jünglinge begleiteten sie zu Pferde.
Als sie in die Nähe des Dorfes kamen, konnte Emanuel nicht an sich halten; er gab seinem Pferde die Sporen und jagte dahin, um das von ihm gerettete Kind etwas früher zu sehen.
Seine Ankunft war eine große Freude für das arme Kind; man hatte es mit Gewalt von der Leiche der Mutter wegreißen müssen; es wollte nicht glauben, daß sie todt sey und rief immer:
»Verscharrt sie nicht! Legt sie nicht in das Grab! Sie wacht gewiß wieder auf.«
Als man den Sarg fortgetragen, hatte man das Kind in dem Hause einsperren müssen.
Der Anblick seines Retters tröstete es ein wenig. Als Emanuel ihm sagte, seine Mutter habe es auch sehen wollen und sie werde sogleich kommen, rief es:
»Ach, Du hast eine Mutter? Dann will ich den lieben Gott recht bitten, daß sie nicht auch einschläft wie die meine.«
Für die Bauern war es etwas Unerhörtes, daß die Herzogin selbst in das Dorf und in das Haus kommen werde, in welchem das Kind Aufnahme gefunden; sie liefen ihr entgegen.
Endlich kam der Zug an und an der Spitze desselben ritt Scianca-Ferro.
Emanuel führte seinen Schützling der Mutter vor und die Herzogin fragte, was Emanuel vergessen hatte, nemlich wie es heiße und wer seine Mutter gewesen.
Das Kind antwortete, es heiße Leone und seine Mutter Leona, Weiteres wollte es nicht sagen und auf alle Fragen, die man that, antwortete es: »Ich weiß nicht.«
Man errieth indeß leicht, daß dies Nichtwissen nur erheuchelt war und ein Geheimniß dahinter lag.
Ohne Zweifel hatte ihm die Mutter im Sterben befohlen weiter nichts zu antworten, als was es eben sagte, denn gewiß konnte nur die Empfehlung einer sterbenden Mutter einen solchen Eindruck auf ein vierjähriges Kind machen.
Die