Polnische Geschichte. Clemens Brandenburger
Читать онлайн книгу.1352 unterdrücken mußte.
Über seiner Politik der Förderung der Produktivkräfte des Landes, die ihn schnell zu einem der reichsten Fürsten Europas machte und das Ansehen des Landes in überraschender Weise hob, vergaß Kasimir jedoch nicht die Sorge für die geistigen Interessen. Er gründete 1364 1364 die Schule zu Krakau, nächst der von Prag die älteste diesseits der Alpen, nach dem Vorbild der Hochschule zu Bologna ohne theologische Fakultät. In Janko von Czarnkow (1333–1384), einem Gnesener Erzdiakon und Unterkanzler des Reichs, fand Polen damals auch einen hervorragenden Chronisten.
Am 5. November 1370 starb der bedeutende Fürst an 1370 den Folgen eines Jagdunfalls im Alter von 60 Jahren. Unter seiner Regierung hatte Polen wieder einen Gipfelpunkt erklommen. Mit seinem Tode sank es, wie schon mehrmals, in den Zustand äußerster Schwäche zurück.
Bei der Nachricht von Kasimirs Tode eilte Ludwig 1370 bis 1382 (1370–1382) sogleich nach Polen und ließ sich gemäß dem Erbvertrage in Krakau zum Könige krönen. Dann kehrte er aber mit den polnischen Kroninsignien schnell nach Ungarn zurück, seine Mutter Elisabeth als Statthalterin zurücklassend. Gemäß dem polnisch-ungarischen Vertrage von 1350 schlug er sofort Kleinrußland, in das die Litauer bereits eingebrochen waren, zu Ungarn. Doch gab er es seinem Ratgeber, dem Piasten Władysław von Oppeln, 1372 zu Lehen. 1372
Polen betrachtete er nur als Werkzeug für die Ausführung seiner Zukunftspläne. Da er ohne männliche Nachkommen blieb, die Verträge von Visegrád und Ofen aber nur für solche galten, war er bestrebt, einer seiner Töchter Polen zu sichern. Er bestimmte dazu Maria, die Braut Sigismunds, des Sohnes Kaiser Karls IV. Auf zwei Tagungen des Adels und der Städte zu Kaschau kam der Vertrag zustande, der Ludwigs Wünsche erfüllte (1374), 1374 und zwar mit Hilfe der kleinpolnischen Magnaten und der deutschen Städte, während die Großpolen durch Gewalt zur Annahme gezwungen wurden. Die Hauptbestimmungen sind: 1. nach Ludwigs Tode erbt diejenige seiner Töchter die polnische Krone, die er oder ihre Mutter auswählt; 2. Ludwig verpflichtet sich, die polnischen Besitzungen nicht nur nicht zu verringern, sondern auch die verlorenen Lande wiederzugewinnen; 3. er befreit den Adel von allen Lasten und Abgaben bis auf zwei Groschen von der Hufe, die alle gleichmäßig zu zahlen haben; 4. er darf alle Würden, besonders die des Wojewoden, des Kastellans, des Richters und des Kämmerers nur an Männer des betreffenden Landesteiles vergeben; 5. er bestätigt alle früheren Privilegien, auch die städtischen, und dehnt die Verpflichtung des Königs zur Zahlung von Entschädigung für ausländische Kriegsdienste auf alle Landesteile aus.
Dieser Kaschauer Vertrag war das erste allgemeine Privileg, das dem Adel als Stand gegeben wurde. Er war nicht nur als Präzedenzfall unheilvoll, sondern er wirkte schon gleich schädlich ein, indem er die Einkünfte des Staatsschatzes bedeutend schmälerte und indem er die Macht der Magnaten durch die rechtliche Sanktionierung ihrer Ansprüche auf die Landschaftsämter steigerte.
Es ist klar, daß eine solche Regierung, durch ein schwaches Weib repräsentiert und nur auf dynastische Interessen bedacht, allerorten Wirren hervorrufen mußte. Nicht nur kehrte Władysław der Weiße von Argenau aus dem Benediktinerkloster zu Dijon zurück, nicht nur verweigerte Ziemowit von Masowien den Lehenseid, nicht nur opponierten die großpolnischen Magnaten, sondern selbst in Krakau entstand ein Aufruhr, zu dem das anmaßende Verhalten der Ungarn den Anstoß gab (1376). Elisabeth verließ infolgedessen Polen, 1376 im richtigen Gefühle, ihrer Aufgabe nicht gewachsen zu sein.
Nur in Kleinrußland führte Władysław von Oppeln die Verwaltung im Sinne Kasimirs weiter, doch verstieß er gegen Kasimirs Toleranzpolitik, indem er ebenso wie Ludwig den römischen Katholizismus gewaltsam verbreitete. Das ist für Polens Stellung in Kleinrußland unheilvoll geworden, wie es Ungarn um den Besitz dieses Landes brachte.
1379 nahm Ludwig dem städtefreundlichen deutschen 1379 Herzog das kleinrussische Lehen ab und übertrug ihm die Regentschaft in Polen. Da sich aber die Opposition des Adels als zu stark erwies, schickte er Elisabeth zurück, nach deren Tode er ein Triumvirat mit dem Krakauer Bischof an der Spitze einsetzte. Die Verwirrung und Unsicherheit nahm immer größere Ausdehnung an. In Großpolen und Masowien erhob sich ein offener Aufstand, dessen Ende Ludwig nicht mehr erlebte.
9. Kapitel.
Die Personalunion mit Litauen.
Als Sigismund, der mit einem kleinen Heere von Brandenburg heranzog, die Kunde von Ludwigs Tode erhielt, beeilte er sich, sich huldigen zu lassen. Aber die Großpolen stellten gewisse Bedingungen, auf die er nicht eingehen wollte, und traten infolgedessen in Radomsko (unweit Petrikau) zu einer Beratung zusammen. Hier schlossen sie die erste Konföderation und 1382 verpflichteten sich, diejenige Tochter Ludwigs zu unterstützen, die in Polen ihren Wohnsitz nehmen werde. Man wollte nicht fernerhin ungarischer Vasallenstaat bleiben. Auf dem kurz danach stattfindenden Wahlkolloquium in Wiślica traten auch die Kleinpolen der Radomsker Konföderation bei. Sigismund mußte unverrichteter Dinge das Land verlassen, denn seine Braut Maria war inzwischen von den Ungarn zum König gewählt worden.
In Polen aber bildeten sich drei Parteien: die eine, mit dem Hause Grzymała an der Spitze, hielt fest zu Sigismund; die andere, unter dem Posener Wojewoden Vinzenz von Kępa, verteidigte die Konföderation; die dritte endlich, mit dem Hause Nałęcz, wollte den Kaschauer Vertrag umstoßen, um wieder einen Piasten auf den Thron zu bringen. Ihr Kandidat war Ziemowit IV. von Masowien. Es kam zum Bürgerkriege.
Inzwischen hatte die Witwe Ludwigs, Elisabeth, entsprechend dem Kaschauer Vertrag ihr Ernennungsrecht ausgeübt, Maria und Sigismund zurückgesetzt und Hedwig zur Königin von Polen bestimmt. Die Partei der Grzymała schlug sich sofort auf ihre Seite. Ziemowit aber, den der Erzbischof Bodzanta von Gnesen zum König ausrief, versuchte nunmehr mit der Krone zugleich die Hand Hedwigs zu erlangen. Doch zwang ihn ein ungarisches Heer unter Sigismund zur Abdankung. Noch zögerte Elisabeth mit der versprochenen Entsendung Hedwigs, denn die Prinzessin war erst 13 Jahre alt. Erst als die Polen, der Anarchie im Innern müde, sich zu einer neuen Tagung in Sieradz versammelten, um einen anderen Monarchen zu wählen, erschien Hedwig in Krakau. Am 15. Oktober 1384 wurde 1384 sie zum „König” von Polen gekrönt. Damit erreichte das Interregnum sein Ende.
Nun erhob sich aber die neue Frage, wen Hedwig (1384–1399) zum Gemahl wählen sollte. Ihr Bräutigam, 1384 bis 1399 Wilhelm von Österreich, wollte sie nicht freigeben. Den polnischen Herren paßte der Deutsche aber ganz und gar nicht. Namentlich die Blicke der Kleinpolen richteten sich auf Litauen. Mit diesem Lande mußte man sich über die kleinrussische Frage und über den Zugang zum Schwarzen Meere verständigen. Mit ihm hatte man die Feindschaft gegen den Deutschen Orden gemeinsam. Eine Konkurrenz auf wirtschaftlichem Gebiete war nicht zu befürchten. Dagegen mußte die wilde Kraft seines Volkes als ein willkommener Zuwachs polnischer Macht betrachtet werden. Andererseits suchte man auch auf litauischer Seite Anlehnung, denn die furchtbaren Kämpfe gegen den Orden hatten das Land, damals das Zentrum Osteuropas und weit größer als Polen oder Moskau, doch geschwächt.
Schon wenige Monate nach Hedwigs Krönung erschien daher eine litauische Gesandtschaft in Krakau und warb für den Großfürsten Jagiello, Olgerds Sohn (1387–1434), 1387 bis 1431 um Hedwig. Durch die Drohungen der polnischen Großen und die Überredungskünste der Geistlichen gezwungen, nahmen Hedwig und ihre Mutter Elisabeth die Werbung an. Die Bedingungen, die die polnischen Magnaten dem Litauer gestellt hatten und die er im Vertrage von Krewo annahm, waren weitgehend genug. Er versprach, sich mit seinem ganzen Hause und Volke taufen zu lassen, die verlorenen Länder dem Reiche auf eigene Kosten wiederzuerobern, die Privilegien zu schützen und zu achten, alle polnischen Gefangenen freizugeben, dem Herzog Wilhelm ein Reugeld von 200 000 Gulden zu zahlen und vor allem seine litauischen und russischen Länder auf ewige Zeiten mit Polen zu vereinigen. Diese Länder aber waren außer Litauen: Weiß- und Schwarzrußland, Polesie, die Ukraine, der größte Teil von Polasie, Wolhynien und Podolien, ein Gebiet, dreimal so groß als Polen.
Der Vertrag, der das große Reich zu einem Vasallenstaat, zu einer polnischen Provinz herabdrückte, war so einseitig