Polnische Geschichte. Clemens Brandenburger

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Polnische Geschichte - Clemens Brandenburger


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entstanden, das kulturell, wirtschaftlich und technisch den beiden benachbarten Slawenreichen überlegen war, sie vom Meere abschnitt und eine schwere Gefahr für sie bedeutete. Zu den russischen Fürsten trat der Orden sehr schnell in ein gespanntes Verhältnis, da er ebenso wie jene Absichten auf Litauen hatte. Die Beziehungen zu Polen waren anfangs dagegen durchaus freundlich. Die polnischen Fürsten beteiligten sich sogar eifrig an den Heerzügen des Ordens: man hatte dort in den kleinlichen inneren Kämpfen den Blick für die großen Interessen des Landes verloren, wäre auch zu schwach gewesen, sie durchzusetzen. Nach dem Verluste des Oderweges durch die Aufgabe Pommerns und die Eindeutschung Schlesiens war nunmehr auch der Weichselweg für Polen gesperrt. Sobald Polen wieder in geordnete Zustände gelangte, mußte diese Unterbindung der Hauptverkehrsader zur Todfeindschaft wider den Orden führen. Dieser Zeitpunkt ließ nicht allzulange auf sich warten.

      Während die unmittelbaren Beziehungen zu der neuen Macht sich zunächst auf den Norden Polens beschränkten, wurde das andere Ereignis, der Tatareneinfall, namentlich für den Süden von Wichtigkeit.

      Nachdem Batu im Jahre 1240 Kijew erobert hatte, teilte 1240 er seine Scharen in vier Heere, von denen er das eine unter Pajdar gegen Polen sandte. Lublin, Zawichost, Sandomir wurden im ersten Anlaufe genommen (1241). Von Sandomir aus 1241 drang ein Teil nordwärts, um Kujawien zu verwüsten, der andere nahm den Weg auf Krakau. Der Krakauer Wojewode Włodzimierz trat ihnen entgegen, wurde aber bei Tursko und bei Chmielnik geschlagen. Krakau fiel, und erst auf der Walstatt bei Liegnitz brach sich der Ansturm der Horde.

      Ein zweiter Einfall erfolgte im Jahre 1259 unter Burondaj, 1259 dem Feldherrn des Khans von Kiptschak, im Verlauf der Kämpfe König Daniels von Klein-Rußland. Wiederum wurden Sandomir und Krakau verbrannt und Tausende von Einwohnern in die Sklaverei geschleppt. Weniger schwere Einfälle wiederholten sich in der Folgezeit oftmals. Sie erhielten namentlich im südlichen Polen den kriegerischen Geist lebendig und ließen das Schwert nicht in die Scheide kommen. Sie lenkten die Bestrebungen der polnischen Politik, die sich an der Ostsee zur Untätigkeit verurteilt sah, nach den Gestaden des Schwarzen Meeres. In der Abwehr der Tataren hat Polen späterhin eine weltgeschichtliche Aufgabe erfüllt: es hat als Grenzwall Europa vor ihnen geschützt und viel zu ihrer Schwächung beigetragen.

       Die inneren Zustände. Die deutsche Kolonisation.

       Inhaltsverzeichnis

      Für die Zeit der Teilfürstentümer fließen die Angaben, aus denen sich ein Bild der inneren Zustände des Landes konstruieren läßt, reichlicher.

      Treffend ist dieses Zeitalter als die „Epoche der Organisation des Volkskörpers auf Grund von Sonderprivilegien” bezeichnet worden. Wer zur Großfürstenwürde gelangen wollte, mußte sich einen Anhang beim Adel und bei der Geistlichkeit sichern, indem er nach dem Bedarf des Augenblickes jedem Anhänger ein Privileg verlieh, das dieser forderte. Privilegien für den ganzen Adel, für sämtliche Klöster usw., also Standesprivilegien ergaben sich folgerichtig, nachdem man mit den Sonderprivilegien begonnen hatte.

      Die Ämter vermehrten sich entsprechend der Zahl der Teilfürstentümer, da jeder Teilfürst seinen eigenen Wojewoden usw. haben wollte und wohl auch mußte. Bei der Wiedervereinigung mehrerer Fürstentümer konnten die einzelnen Beamten schon um ihres Einflusses willen nicht entamtet werden, so daß aus den Hofämtern nach und nach Landschaftsämter wurden, was sich auch im Titel ausprägte (z. B. anfangs Wojewode Leszeks, Kasimirs, später Wojewode von Krakau, von Kalisch). Diese Stabilisierung der Ämter und die damit verbundene Unabhängigmachung ihrer Inhaber mußte dazu führen, daß die Fürsten eine neue Organisation von abhängigen Beamten suchten. Sie fanden diese in den durch die Přemisliden nach Polen gebrachten Starosten. — Es ist klar, daß mit der vergrößerten Zahl der fürstlichen Hofhaltungen und der Ämter auch die Lasten stiegen, zumal Adel und Geistlichkeit vermittels fürstlicher Privilegien alle Verpflichtungen mehr und mehr auf die Bauern abzuwälzen wußten. Stieg auf diese Weise die wirtschaftliche Macht und dementsprechend auch der politische Einfluß der beiden privilegierten Stände, so war andererseits der wirtschaftliche Ruin des gemeinen Mannes und dementsprechend die Schmälerung der fürstlichen Einkünfte die Folge.

      Aber der wirtschaftliche Niedergang des Bauerntums zog schließlich doch einen ganz allgemeinen, auch die Privilegierten nicht verschonenden Verfall der Landwirtschaft nach sich, da ein verelendetes Landarbeiterproletariat nicht imstande ist, verbesserte Kulturmethoden oder neue Zweige des landwirtschaftlichen Betriebes einzuführen. Das erkannten zuerst die Klöster, vor allem die Zisterzienser, und zwar naturgemäß zunächst in Schlesien, dem entwickeltsten Teile Polens. Dort lassen sich schon um 1140 flämische und niederdeutsche Dörfer des Augustinerklosters Gorkau am Zobten nachweisen. 1210 übergab Władysław Odonicz dem Zisterzienserkloster 1210 zu Pforta ausgedehnte Ländereien im Burgbezirk von Priment (Kreis Wollstein) zur Besetzung mit deutschen Bauern, und damit nimmt die deutsche Kolonisation des engeren Polens ihren Anfang, eine Maßnahme, die für das ganze 13. und 14. Jahrhundert von weittragender Bedeutung wurde.

      Die Fürsten, auf die Hebung ihrer sinkenden Einnahmen bedacht, folgten bald dem Beispiel der Klöster, und die anderen Grundbesitzer blieben nicht zurück. Die Verödung weiter Landstriche durch die Tatareneinfälle diente ebenfalls als Antrieb zur Kolonisation.

      Es ist klar, daß deutsche Siedler nicht ins Land gekommen wären, wenn sie dieselbe rechtliche oder vielmehr rechtlose Stellung hätten einnehmen sollen, wie die polnischen Bauern. Demgemäß wurde ihnen eine weitgehende Selbstverwaltung zugesichert. Der Grundherr setzte sich gewöhnlich mit einem Unternehmer (Lokator) in Verbindung, der ihm auf Grund eines Lokationsprivilegs, das die Ansiedelungsbedingungen festsetzte, die gewünschte Anzahl Kolonisten zuführte. Dafür erhielt er im allgemeinen 2–3 Hufen Landes, Befreiung vom Grundzins, 1/6 vom Zins der Ansiedler und häufig noch andere Bezüge, außerdem aber das Schultheißamt erb- und eigentümlich. Gemeinsam mit sieben Schöffen übte er die niedere Gerichtsbarkeit nach deutschem Recht aus. Nur dreimal jährlich hielt der Grundherr die großen Gerichtstage ab. Während in den slawischen Dörfern die Wirtschaftseinheit 60 oder gar 90 Morgen betragen zu haben scheint, erhielten die deutschen Ansiedler nur eine Hufe Landes, und zwar in Schlesien und Kleinpolen flämische und fränkische Hufen, in Großpolen, Kujawien und Masowien die um die Hälfte kleinere kulmische Hufe (zu 30 Morgen). Aber trotz dieser bedeutend geringeren Größe war der Ertrag infolge der Anwendung eiserner Pflüge an Stelle der hölzernen, infolge der Einführung der Dreifelderwirtschaft und rationeller Bewirtschaftungsmethoden bedeutend höher als in den polnischen Dörfern. Die Ansiedelung erfolgte sehr oft im Walde, seltener, namentlich in ausgestorbenen Ortschaften, auf Land, das bereits unter dem Pfluge gewesen war. Diese letzteren sind noch heute an der Form des alten slawischen Rund- oder Haufendorfes erkennbar, während die neuen Ansiedelungen Gehöft neben Gehöft als Reihendorf die Dorfstraße entlang liegen, mit den Äckern in langen Streifen hinter dem Hof. Die Lasten an den Grundherrn wurden im Gründungsprivileg genau begrenzt: gewöhnlich 12 Groschen jährlicher Abgabe von der kulmischen, 16 oder 18 Groschen von der fränkischen Hufe, ferner zu den hohen Festtagen geringe Naturallieferungen. Sofern Arbeitsleistungen festgesetzt wurden, so betrugen sie 2–4 Tage jährlich. Im allgemeinen begnügte sich der Grundherr mit Abgaben, und nur wenn bei der Aufmessung des Landes „Überschar” blieb, kamen jene Spanndienste in Betracht.

      Die Einwanderung war sehr stark: allein im Gebiet der jetzigen Provinz Posen kann man noch heute für das 13. Jahrhundert 106, für das 14. Jahrhundert 149 deutsche Dorfgründungen nachweisen. Trotzdem deckte sie den Bedarf nicht, und so wurden allmählich auch polnische Bauern nach „deutschem Recht” angesiedelt, was zugleich eine Ansiedelung nach deutscher Wirtschaftsweise bedeutete. So trat nach und nach wieder eine gewisse wirtschaftliche und rechtliche Hebung des Bauernstandes ein, ein Prozeß, der dann durch Kasimir den Großen seine Krönung, allerdings auch seinen Abschluß fand.

      Eine Wirkung der deutschen Kolonisation, die man nicht übersehen darf, ist die Beförderung der Geldwirtschaft in Polen an Stelle der bisherigen Naturalwirtschaft, hervorgerufen durch die Einschränkung der Naturalleistungen.


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