Polnische Geschichte. Clemens Brandenburger
Читать онлайн книгу.und Gnesen unterstellte und der Kardinal Ägidius von Tusculum durch gewisse Konzessionen an den slawischen Ritus dem Streit ein Ende machte. Den Zölibat freilich vermochten sie noch nicht unbeschränkt einzuführen, wie überhaupt der polnische Klerus an Zucht und Bildung viel zu wünschen übrigließ, so viel, daß z. B. die Zisterzienser um 1140 sich ausbedangen, keine 1140 Eingeborenen aufnehmen zu brauchen. Und auch die übrigen Orden, noch die 1228 bzw. 1237 eindringenden Dominikaner und Franziskaner, hielten sich die Polen möglichst fern. Sogar die Weltgeistlichen rekrutierten sich noch sehr lange zum großen Teil aus Fremden, mit Vorliebe Italienern, Wallonen und Franzosen, die politisch ungefährlicher schienen als die Deutschen. Polens erster Chronist, Abt Balduin Gallus von Lubin, gehörte zu diesen Wallonen.
5. Kapitel.
Die Teilfürstentümer. Die Eindeutschung Schlesiens.
Die nächsten anderthalb Jahrhunderte der polnischen Geschichte sind im äußeren Gang der Ereignisse verwickelt, auch für die Gegenwart von geringerer Bedeutung.
Bolesław Schiefmund hatte seinem ältesten Sohne Władysław II. (1138–1146) außer dem Krongut noch 1138 bis 1146 Schlesien, dem Bolesław Masowien und Kujawien, dem Mieszko Großpolen mit dem Netzeland und dem Heinrich Sandomir hinterlassen. Der unmündige Kasimir ging leer aus. Natürlich strebte Władysław, dem Beispiel seiner Vorgänger folgend, nach der Alleinherrschaft. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Adel und Geistlichkeit, die schon einmal gesiegt hatten, dann aber durch den kräftigen Bolesław Schiefmund wieder niedergezwungen worden waren, schlugen sich auf die Seite der jüngeren Brüder, als Władysław diese vertreiben wollte. Ihnen mußte, zumal in Anbetracht der großen Jugend der Fürsten, viel an der Aufrechterhaltung der Teilung liegen, die ihnen einen großen Einfluß verhieß, während sie von dem starken Regiment eines starken Einherrschers nichts zu erwarten hatten. Unter Führung des Wojewoden Wszebor und des Gnesener Erzbischofs Jakob von Znin wurde Władysław in mehrjährigem Kampfe zur Ruhe gezwungen. Nachdem er sich aber 1144 an 1144 seinem Verwandten, dem Staufer Konrad III., einen Rückhalt gesichert, ging er aufs neue gegen die Brüder vor. Diesmal gelang ihm die Vertreibung Bolesławs und Heinrichs, während Mieszko sich rechtzeitig unterwarf. Anfang 1146 1146 begab sich Władysław an den Kaiserlichen Hof, um Konrad III. zu huldigen und die Oberherrschaft des Reiches anzuerkennen. Noch im selben Jahre wurde er, nachdem er den Führer des Adels, den Magnaten Peter Włast, seines Vaters treueste Stütze, geblendet hatte, vertrieben.
An seine Stelle trat als Großfürst der zweite Bruder, Bolesław IV. Kędzierzawy (der Kraushaarige), der 1146 bis 1173 sich bis zu seinem Tode (1173) behauptete, obwohl Władysław beim Reich Hilfe suchte und fand. Noch im August desselben Jahres rückte Konrad in Polen ein. Aber sein Heer zeigte sich dem unwegsamen Gelände wiederum nicht gewachsen, und so war er zufrieden, als Bolesław eine Ablösungssumme zahlte und sein Erscheinen zur Huldigung auf dem nächsten Hoftage zusagte. Die Vorbereitungen zum Kreuzzuge hinderten den Kaiser, die Erfüllung dieses Versprechens zu erzwingen. Erst Friedrich Barbarossa konnte 1157 erfolgreich durchgreifen. Zwischen Glogau und 1157 Beuthen a. O., die nicht widerstanden, ging er über die Oder und nahm, alles verwüstend, seinen Weg durch die Bistümer Breslau und Posen. Unweit der Stadt Posen, im Feldlager von Krzyszkowo, erschien Bolesław vor ihm, barfuß, das bloße Schwert über dem Haupte, den Strick um den Hals, als fußfällig Gnade Suchender. Gegen Zahlung einer schweren Geldbuße, nach Erlegung des rückständigen Tributs und Stellung von Geiseln wurde er im Besitz des Landes und der Großfürstenwürde belassen (die Ereignisse riefen den Kaiser wieder nach Italien), doch sollte er Schlesien dem Vertriebenen zurückgeben.
Tatsächlich gelangten erst die Söhne des Bruders, Bolesław der Lange von Breslau, Mieszko von Ratibor und Konrad von Glogau, in den Besitz Schlesiens (1159). Von dieser 1159 Zeit ab datiert die Eindeutschung dieses ursprünglich slawischen Landes, denn die schlesischen Herzoge suchten naturgemäß bei den verwandten Staufern und beim Reiche Anlehnung und Schutz. Schlesien ging in den Thronwirren dem Polentum endgültig verloren, wurde sogar bald zu einem Ausgangspunkt deutscher Kolonisation in Polen.
Um dieselbe Zeit — die Elbslawen fühlten die vereinigte Macht Albrechts des Bären, Heinrichs des Löwen und Waldemars des Großen — ging Polen auch seiner pommerschen Erwerbungen verlustig, mit Ausnahme des Landes Pomerellen. 1181 wurde Bogislaw II. von Stettin durch Friedrich Barbarossa 1181 in den Reichsfürstenverband aufgenommen. Die Saat Ottos von Bamberg reifte schnell: Pommern wurde wie Schlesien deutsch.
An der Südostgrenze vermochte Bolesław die Erstarkung des russischen Fürstentums Halicz zu einem mächtigen Reiche und somit die Ausschaltung des polnischen Einflusses nicht zu verhindern.
Zu diesen äußeren Mißerfolgen kamen Wirrnisse im Inneren. Die Macht der milites, der Ritterschaft, stieg nach dem Tode des Schiefmund so schnell, daß 1171 unter Führung 1171 des Jaksa aus Miechow ein großer Adelsaufstand entbrennen konnte, mit dem Zweck, den jüngsten der fünf Brüder, Kasimir, auf den Großfürstenstuhl zu erheben. Das gelang zwar vorläufig nicht, denn als Bolesław IV. 1173 starb, 1173 ging das Seniorat zunächst an Mieszko III. Stary (den Alten) von Großpolen über, der mit Energie die sinkende absolute Monarchie zu retten suchte. Aber es war zu spät. Wieder von Kleinpolen ausgehend, mit dem Bischof Gedeon von Krakau an der Spitze, trieb eine Magnatenbewegung den Großfürsten aus dem Lande (1177). 1177
Jetzt erst wurde Kasimir II. Sprawiedliwy (der Gerechte), der inzwischen Sandomir geerbt hatte, Großfürst (1177–1194). Seine Herrschaft der Adelsrevolution verdankend, 1177 bis 1194 mußte er, wenn er nicht ein Werkzeug ebendieses Adels werden wollte, bei dem anderen führenden Stande, bei der Geistlichkeit, Rückhalt suchen. Der Klerus hatte zwar eben noch mit dem Adel gemeinschaftliche Sache gemacht, war aber nicht abgeneigt, gegen Gewährung von Vorrechten zu dem Großfürsten zu stehen. Demgemäß verlieh Kasimir auf der Tagung von Łęczyca, der ersten polnischen Reichsversammlung, 1180, der Geistlichkeit wichtige 1180 Privilegien, die zum ersten Male die Gleichheit der Freien auch rechtlich durchbrachen, nachdem sie faktisch ja schon länger zugrunde gegangen war. Die geistlichen Güter wurden von den Abgaben und Leistungen an den Fürsten bzw. an die fürstlichen Kastellaneien befreit usw. Dieses Lentschützer Privileg ist der Ausgangspunkt der Sonderrechte, deren Überzahl schließlich das Königtum jedes Rechtes beraubte.
In Anerkennung seiner Verdienste um die Kirche bestätigte ihn der Papst in der ihm nicht zukommenden Großfürstenwürde und wählte man nach seinem Tode auf Betreiben der Geistlichkeit seinen unmündigen Sohn Leszek I. 1194 bis 1227 1202 Biały (den Weißen) (1194–1227) zum Großfürsten. Zwar machte der zurückkehrende Mieszko Stary dem Leszek diese Würde mehrfach mit Erfolg streitig, bis 1202 der Tod den Plänen des unruhigen Alten ein Ziel setzte; zwar wurde dann der einzige Sohn Mieszkos, Władysław Laskonogi (Dünnbein) von dem ewig unzufriedenen kleinpolnischen Adel gewählt, aber vermöge seines engen Anschlusses an die Kirche bekam der Kasimiride immer wieder Oberwasser, denn der Sohn Mieszkos war den Ansprüchen der Kirche ebenso feindlich gesinnt wie der Vater.
Wie schon mehrfach erwähnt, waren auch in Polen zur Zeit der großen Streitigkeiten zwischen Papsttum und Kaisertum Bestrebungen des Klerus nach einer Sonderstellung hervorgetreten, die schließlich in den Lentschützer Privilegien ihren Niederschlag fanden. Doch war damit weder die Befreiung des Klerus von der weltlichen Gerichtsbarkeit noch die freie Bischofswahl erreicht. Anderseits waren auch die Bestrebungen Roms auf allgemeine Durchführung des Zölibats in Polen nur teilweise erfolgreich gewesen. Die Bischöfe, soweit sie nicht Ausländer waren, hatten sich bis dahin noch immer vorwiegend als Edelleute gefühlt und ihre Interessen mit denen des Adels verknüpft. Mit Recht, denn erst von einem Fürstentum, das eine Stütze gegen den Adel brauchte, konnte die Kirche die Erfüllung ihrer Forderungen erhoffen! Nun bestieg damals den erzbischöflichen Stuhl von Gnesen der Schlesier Heinrich Kietlicz, ein Studiengenosse Innozenz' III. Indem dieser die Reformpläne des großen Papstes mit Erfolg verfocht, geriet er in Konflikt mit dem zum Großfürsten erwählten Władysław Laskonogi, den er bannte und der ihn dafür aus dem Lande trieb. Doch zog Władysław schließlich