Polnische Geschichte. Clemens Brandenburger
Читать онлайн книгу.Geistlichkeit, namentlich die des slawischen Ritus, den gregorianischen Reformen feindlich gewesen zu sein. Zwar tötete der zurückkehrende König den verräterischen slawischen Bischof Stanisław von Krakau, der die Böhmen ins Land gerufen hatte, am Altare (1079), aber schließlich mußte er mit seinem Sohne 1079 Mieszko aus dem Lande weichen. 1081 ist der tüchtige Fürst in der Fremde gestorben. Damit war zum ersten Male die Macht des Adels und der Geistlichkeit gegenüber der Monarchie erprobt.
Nachfolger wurde der an der Vertreibung beteiligte jüngere Bruder, Władysław I. Hermann (1079–1102). 1079 bis 1102 (Mieszko III. hielt sich nur in Nordchrobatien, bis er 1089 vergiftet wurde.) Władysław entsagte dem Königstitel, begünstigte Adel und Geistlichkeit und schlug sich auf die Seite Heinrichs IV., dessen Schwester Jutta er in dritter Ehe heiratete. Unter seiner Regierung fiel Rotchrobatien an die ruthenischen Rostislawitschen (1084), die Pommern aber schlug er am Wedellsee (1091).
Im Innern herrschte der kraftvolle Palatin Sieciech aus dem Hause der altchrobatischen Fürsten von Tyniec, ein Förderer des slawischen Ritus und angeblich Thronprätendent. Gegen ihn erhob sich die gregorianisch gesinnte altpiastische Partei, des Herzogs Söhne, Zbigniew aus erster, Bolesław aus zweiter Ehe, geschickt gegen den Vater und Sieciech ausspielend. Nach anfänglichen Erfolgen unterlag Władysław. Sieciech wurde verbannt, und nachdem der Vater, der zuletzt nur noch die Oberherrschaft gehabt hatte, gestorben war, fiel Großpolen und Masowien mit der Großfürstenwürde an Zbigniew, Kleinpolen und Schlesien an Bolesław.
4. Kapitel.
Die Nachblüte unter Bolesław Schiefmund.
Schon an des Vaters Leiche entzweiten sich die Brüder, da Bolesław sich weigerte, Zbigniew (1102–1107) als 1102 bis 1107 Großfürsten anzuerkennen. Nach dreijährigen Kämpfen, in denen Zbigniew von den Pommern und Böhmen unterstützt wurde, sah sich Bolesław zur Anerkennung gezwungen (1106). Infolge seiner Rachezüge gegen die Pommern mußte Zbigniew jedoch von neuem zum Schwerte greifen. Diesmal entschied das Kriegsglück für Bolesław, dem der ältere Bruder im Herbst 1107 die Großfürstenwürde abtrat.
Bolesław (1107–1138), mit dem Beinamen Schiefmund 1107 bis 1138 (Krzywousty), wie die Vorgänger gleichen Namens ein großer Kriegsfürst, nahm nun zunächst Rache an den Pommern. Er besetzte Belgard und Kolberg, dessen Häuptling seine Lehnshoheit anerkannte, und vertrieb alsdann im Frühjahr 1108 den Bruder gänzlich. Das verwickelte ihn 1108 in eine endlose Reihe von Kriegen, da Zbigniew, ebenso tatkräftig wie Bolesław, nach der Wiedererlangung der Herrschaft strebte. Namentlich die Pommern und die Böhmen liehen dem Flüchtling ihre Unterstützung. Als die an der Netze sitzenden Pommernhäuptlinge tief ins großpolnische Gebiet einfielen, eroberte Bolesław Filehne und Czarnikau, 1109 auch das wichtige Nakel. Er legte in die Burgen polnische Besatzungen, ließ aber das Land unter der Verwaltung der einheimischen Fürsten, die ihm huldigten.
Zu dieser Mäßigung zwang ihn ein Einbruch Heinrichs V. 1109 in Polen, gegen den er im Vorjahre Koloman von Ungarn unterstützt hatte. Bolesław vermied nach alter polnischer Taktik eine Feldschlacht, schwächte die Deutschen aber aus dem Hinterhalt so, daß sie weder Beuthen a. O. und Glogau, noch Breslau und Krakau erobern konnten. Als vollends der böhmische Großfürst Svatopluk im königlichen Heerlager vor Breslau durch Meuchelmord endigte und die Böhmen infolgedessen abzogen, mußte Heinrich den Feldzug aufgeben. Bolesław aber war noch stark genug, in die böhmischen Thronstreitigkeiten als Widersacher des deutschen Königs einzugreifen. Erst das Jahr 1111 brachte 1111 den Frieden: der Pole erkannte Heinrichs Kandidaten als Großfürsten von Böhmen an, Zbigniew durfte als Teilfürst nach Polen zurückkehren. Doch ließ Bolesław den auf die Verträge bauenden Bruder ergreifen und blenden. Damit war die Ruhe dem Lande noch immer nicht gesichert. Grenzkriege mit den russischen Fürsten, namentlich den Rostislawitschen von Kijew und Wladimir Monomach, sowie mit den Pommern hielten in gleicher Weise den Süden wie den Norden unter den Waffen. Die entscheidenden Pommernzüge fallen in die Jahre 1119–1123, in 1119 denen Bolesław erst die feste Burg Wanda am Wedellsee, dann Stettin und schließlich sogar mit dänischer Hilfe Usedom und Wollin eroberte. Das östliche Pommern verleibte er seinem Reiche ein: Czarnikau, Nakel, Usch wurden fortan zu den polnischen Städten gezählt. Wratislaw von Stettin huldigte, zahlte Tribut und versprach, sich taufen zu lassen. 1123
Um das trotz des (später auf Lebus übertragenen) Bistums Kolberg noch heidnische Pommernvolk dem Christentum zuzuführen und so seinem Reiche fester anzugliedern, gewann er den Bischof Otto von Bamberg, einstmals seines Vaters Hofkaplan, zu Missionsreisen. (Unter dem polnischen Klerus fand sich niemand, der sich für diese wichtige Aufgabe geeignet hätte.) Otto, der als Kenner des slawischen Charakters mit all dem Gepränge eines Kirchenfürsten auftrat, „bekehrte” auf zwei Fahrten das ganze Land. Sein Ziel hat Bolesław damit freilich nicht erreicht. Im Gegenteil hat er durch die Aussendung des deutschen Bischofs selbst dazu beigetragen, das Land in enge Berührung mit Deutschland zu bringen. Gegen Ende seines Lebens mußte er diesen Fehlgriff einsehen. Als er nämlich nach dem Tode Stephans II. sich durch seinen Schwiegersohn Boris verleiten ließ, in die ungarischen Thronstreitigkeiten einzugreifen, wurde er in drei Feldzügen (1132–1135) 1132 von den Ungarn, Böhmen, Österreichern und Haliczern geschlagen, so daß er sich gern dem Schiedspruch Kaiser Konrads zu Merseburg 1135 fügte. Er leistete dem Reiche den Vasalleneid, 1135 zahlte den seit 12 Jahren rückständigen Tribut und nahm Pommern zu Reichslehen.
Vielleicht durch seine eigenen Erfahrungen im Kampfe gegen Zbigniew veranlaßt, traf Bolesław am Ende seiner Regierung Bestimmungen über die Erbfolge. Geteilt hatten die polnischen Fürsten schon immer. Bolesław bestimmte aber, daß fortan stets das älteste Mitglied des Piastenhauses die Vorherrschaft haben und den Titel Großfürst führen sollte; ihm sollte neben dem persönlichen Anteil stets das Krakauer Land samt Sieradz und Łęczyca sowie der pommersche Tribut als Krongut zufallen, um ihm das Übergewicht über die Teilfürsten zu sichern. Diese Einrichtung eines unvererbbaren Krongutes war gegenüber der altslawischen Sitte und gegenüber der russischen und der böhmischen Thronfolge eine Neuerung. Aber sie verhinderte in Polen die aus der Teilung entstehenden endlosen Bruderkriege, die jene Länder bereits an den Rand des Verderbens gebracht hatten, ebenfalls nicht. Außerdem bestimmte Bolesław, dem Krongut entsprechend, Krakau zur Hauptstadt. Indem er so die traditionelle Vorherrschaft von Großpolen auf Kleinpolen übertrug, verschärfte er die seit alters bestehenden Gegensätze zwischen diesen beiden Ländern, ein Fehler, dessen Folgen bald eintraten.
Die inneren Zustände dieser Periode sind bereits klarer. Beim Adel zeigt sich die Scheidung in Magnaten (nobiles) und Ritter (milites) immer deutlicher. Einen Bürgerstand gibt es nicht. Die Familien der bäuerlichen Gemeinfreien verfallen mit dem Niedergang der Zadruga und dem Siege des Individualeigentums. Namentlich die Wehrpflicht auf eigene Kosten ruinierte in dieser kriegerischen Zeit die ärmeren Grundeigentümer, so daß viele ihr Besitztum den großen Herren auftrugen und in den zwischen den Freien und den Hörigen stehenden Stand der Kmeten (kmieci) übergingen, die persönlich frei waren, aber als Nichtgrundeigentümer keine Kriegsdienste leisteten, dagegen dem Grundherrn zinsten. Auch zu den Hörigen, die ursprünglich nur aus Sklaven und Besiegten bestanden, sind mit der Zeit viele Freie übergegangen. Umgekehrt stieg auch mancher Hörige zum Ritter empor, ganz entsprechend der Entwicklung, die in Deutschland die Ministerialen nahmen. Als Hörige des Königs traten vom Ende des 11. Jahrhunderts an die aus dem übrigen Europa vertriebenen Juden hinzu. Der Fürst ist noch immer absoluter Herrscher, aber die inneren Wirren zeigen schon die Grenzen seiner Macht. Für die Verwaltung bedient er sich der comites, die wohl auf dem Umwege über Böhmen den Polen bekannt wurden. An ihrer Spitze steht der comes palatinus, der oft auch Heerführer (wojewoda) an Stelle des Fürsten ist. Das ganze Land ist in Kastellaneien eingeteilt, mit einem festen Platze (gród) als Mittelpunkt. Die ihnen vorstehenden comites castellani waren Militär- und Zivilverwalter. Zum Unterhalt der Kastellane und der Burgbesatzungen mußten die Bewohner des Bezirks neben den allgemeinen Landeslasten noch besondere Steuern aufbringen.
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