Polnische Geschichte. Clemens Brandenburger

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Polnische Geschichte - Clemens Brandenburger


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Zersplitterung war noch nicht überwunden, die Einheit nur durch die Person des Herrschers, durch Personalunion hergestellt. Die Krönung zum König von Polen bedeutete anfangs nur die Herrschaft über Großpolen, selbst wenn die Krönung in Krakau stattfand. Der König war König in Großpolen, aber Herzog von Krakau und Sandomir in Kleinpolen, Herzog von Łęczyca im Lande Łęczyca usw. Es gab keine gemeinsame Verwaltung, keine gemeinsamen Beratungen, kein gemeinsames Recht. Kasimir hat hierin zwar Wandel geschaffen, aber im Titel des polnischen Königs, in dem eine besondere Erwähnung Groß-Polens fehlt, hat sich der alte Zustand für immer erhalten: Rex Poloniae, Dux Cracoviae, Sandomiriae usw.

      Wenngleich der König der Form nach noch absoluter Herrscher war, so war er es in der Tat doch nicht mehr. Wir haben gesehen, wie der Adel in den Thronstreitigkeiten zu ausschlaggebendem Einfluß gelangte, und selbst ein König von der Macht Kasimirs des Großen war genötigt, die Zustimmung der Magnaten zu dem Visegráder Vertrage einzuholen. Auch eine zweite Einrichtung, die sich in den Teilfürstentümern herausgebildet hatte, obwohl sie rechtlich in keiner Weise festgelegt war, mußte Kasimir respektieren. Aus den Zusammenkünften des Herzogs mit seinen Beamten waren nämlich mit dem Sinken der Herrschermacht allmählich Zusammenkünfte der Magnaten und der Geistlichkeit, auch des übrigen Adels und der Städte entstanden, die sich an den altslawischen, unter der starken monarchischen Macht verkümmerten wiec wieder anlehnten, colloquia, auch zjazdy (Zusammenritte) genannt wurden und die Grundlage der späteren Landtage bildeten. Sie wurden nach Bedürfnis einberufen, und zwar nach der Wiedervereinigung des Reiches zunächst auch nur für die einzelnen Landesteile, entweder durch den Starosten als den Statthalter des Königs oder durch den König selbst. Die erste gemeinsame Beratung für das ganze Reich fand 1365 1365 statt, ohne daß damit die Landeszusammenkünfte fortgefallen wären. Allmählich wurde es Sitte, colloquia in bestimmten Städten und an bestimmten Tagen abzuhalten, entsprechend den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege.

      Es ist schon im 7. Kapitel erwähnt worden, daß die unter der böhmischen Herrschaft eingeführte Starostenverfassung sich erhielt. Kasimir bildete diese Organisation kräftig durch und führte sie auch in den neuerworbenen kleinrussischen Gebieten ein. Die Erblande wurden in die Starosteien Großpolen, Łęczyca, Sieradz, Kujawien-Brześć, Kujawien-Inowracław und Dobrzyn eingeteilt. Die Starosten sind als Statthalter die Stellvertreter des Königs in der Rechtspflege wie in der Zivil- und Militärverwaltung ihrer Starostei. Damit wurden die Landesämter zu reinen Würden, nur der Wojewode behielt noch die Judengerichtsbarkeit und der Unterkämmerer die Grenzgerichtsbarkeit. Die Bedürfnisse der Verwaltung bestritten die Starosten aus den Einkünften der alten Kastellaneiländereien (die in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts zwischen der Krone und den ebenfalls aus königlichen Beamten zu Landeswürdenträgern gewordenen Kastellanen geteilt worden waren) und der übrigen königlichen Güter ihres Bezirks. Sie waren also auch zugleich Domänenverwalter. Einen Teil der Einkünfte hatte der Starost an den König abzuführen, namentlich die Kopfsteuer, worüber Kasimir 1368 nähere Bestimmungen erließ. Die Auswahl 1368 der Starosten wurde in der Folgezeit häufig ungünstig beeinflußt durch die Vereinigung öffentlicher und wirtschaftlicher Funktionen, die das Amt begehrenswert erscheinen ließ und zum Pfandobjekt geeignet machte; denn oft genug wurde derjenige Starost, der am meisten für die Starostei bot. Andererseits mußte ihre Verwaltung unter dieser Vereinigung ebenfalls leiden. Mit der Enthebung der Kastellane von ihren Ämtern gingen auch die Städte in die Verwaltung der Starosten über, die sie nach Belieben durch Burggrafen verwalten ließen.

      Nur in Kleinpolen, wo es keine Wojewoden gegeben hatte, war die Entwicklung eine andere. Hier hatte schon Łokietek einen Generaladministrator zu Krakau (wielkorządca) eingesetzt, der die königlichen Güter gegen Rechnungslegung zu verwalten hatte. Die Städte wurden ebenfalls Burggrafen unterstellt, die jedoch nicht Beamte der Starosten waren, wie anderwärts, sondern Beamte des Königs. Die Rechtspflege und die Verwaltung übte der König in diesem Landesteile, in dem er sich ständig aufhielt, selbst aus, und die Starostei wurde hier erst nach Kasimirs Tode eingeführt.

      Durch diese Neuordnung der Verwaltung wurde das Reich aus der anfänglichen Personalunion wieder in einen Einheitsstaat zurückverwandelt. Parallel damit und dem gleichen Ziele dienend gingen die Bemühungen um ein einheitliches Recht. Bisher gab es nur ein Gewohnheitsrecht, das sich in den einzelnen Landesteilen namentlich unter den Teilfürsten in verschiedener Richtung entwickelt hatte. Der Erzbischof Jarosław Bogorya Skotnicki von Gnesen, der Kanzler Johann Suchywilk Strzelecki von Krakau, der Kastellan Spytek und der Bischof Johann Grot von Krakau und eine Reihe anderer hervorragender Männer waren die Mitarbeiter des Königs bei der Unternehmung, „auf daß ein Fürst, ein Recht und eine Münze sei”. Zuerst erfolgte die Regelung für Kleinpolen. Das Statut wurde auf dem Kolloquium von Wiślica 1347 angenommen. Auf 1347 dem Kolloquium von Petrikau erfolgte im gleichen Jahre die Annahme auch seitens der Großpolen, die jedoch außerdem noch ein besonderes Statut mit Ausnahmebestimmungen entsprechend den örtlichen Bedürfnissen erhielten.

      Den Dörfern und Städten deutschen Rechts versuchte Kasimir die Berufung an die Mutterstädte zu unterbinden. Obwohl er im Gegensatz zu seinem Vater dem Deutschtum nicht feindlich gegenüberstand, sondern sich die Vorzüge der deutschen Bürger und Bauern bei seinen Kolonisierungen zunutze machte, erkannte er doch richtig die Gefahr für sein Reich, die in dem Überhandnehmen des deutschen Elementes lag. Denn durch die Berufung an die Mutterstädte war das Deutschtum, da es ja auch im Inlande sein eigenes Gericht hatte, von der inländischen Rechtspflege gänzlich eximiert. Es bildete so gewissermaßen einen Staat im Staate und stellte, wenn es in Gegensatz zu der königlichen Macht geriet, einen gewaltigen Gegner dar, wie die Erfahrung gezeigt hatte. Zunächst verbot er jede Berufung nach auswärts und gründete als Ersatz für Kleinpolen ein Obergericht auf der Krakauer Königsburg. Den Vorsitz führte der Vogt von Krakau, Beisitzer waren die Schulzen der sechs umliegenden Ortschaften. 1365 folgte ein Obergericht in Kalisch, dessen Beisitzer die Stadtschöffen bildeten. 1365 Posen war schon immer deutschrechtlicher Oberhof gewesen, hatte sich allerdings auch als solcher in Magdeburg Rechtsbelehrung geholt. Da der König diese Einrichtungen angesichts der vielen den Ständen erteilten Privilegien aber nur mehr für seine Güter und die königlichen Städte treffen konnte, verständigte er sich mit den wichtigsten Klöstern Kleinpolens dahin, daß auch sie die Kompetenz seines Obergerichtes für ihre deutschrechtlichen Untertanen anerkannten. Trotzdem haben die Deutschen noch lange von Magdeburg Recht genommen.

      Die Heerespflicht, anfangs ein Privileg des Adels, wurde an den Grundbesitz gebunden, auch auf den Geistlichen (durch Stellvertretung) und auf den Bürger ausgedehnt. Sie war nicht nur persönlich, sondern verpflichtete auch zur Stellung einer gewissen Anzahl Höriger, je nach der Größe des Besitztums. In eigener Person ist infolgedessen der niedere Adel, die Ritterschaft (milites scartabelli), mit Kriegsdiensten hervorragend belastet. Im Petrikauer Sonderstatut für Großpolen wird daher festgesetzt, daß dem großpolnischen Ritter für auswärtige Kriegszüge eine Belohnung zustehe, eine für die Entwicklung wichtige Bestimmung. Sie erhöhte die Kampffreudigkeit der armen Ritterschaft, hat aber später die Bewegungsfreiheit in der auswärtigen Politik gehemmt. Die Umwandlung der hölzernen Kastelle in steinerne und die Anlegung guter Straßen steigerte die Wehrkraft des Landes nicht minder.

      Handel und Gewerbe nahmen unter der weisen Regierung Kasimirs einen ungeahnten Aufschwung. Die Städte erhielten Stapel- und Marktgerechtigkeiten wie im Westen. Für die öffentliche Sicherheit, die Erleichterung des Verkehrs, die Hebung des Münzwesens sorgte der König umsichtig. Der Zwischenhandel von den Nordländern zur Levante, die Ausfuhr von Rohstoffen und Landesprodukten sowie von Tuch („Polenschen Laken”) blühten auf.

      Der Juden wie der Bauern nahm sich der König in gleicher Weise an. Er bestätigte den Juden das von Bolesław dem Frommen 1264 gegebene Privileg, das sie von den gewöhnlichen 1264 Gerichten ausnahm und dem Fürsten bzw. Wojewoden unterstellte, also einen zweiten Staat im Staate erzeugte, und dehnte dieses Privileg auf das ganze Reich aus (1334). Im 1334 Statut von Wiślica regelte er dann die Bedingungen, unter denen die Juden Geld ausleihen durften, denn das war neben gewissen Handelszweigen ihr wichtigster, weil nach kanonischem Recht den Christen verbotener Erwerbzweig. Den Bauern ließ er strenge Gerechtigkeit


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