Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton
Читать онлайн книгу.der Aeginete Onatas, der als Pferdemaler berühmte Mikon, der Bühnenmaler Agatharchos, Dionysios aus Kolophon, Aglaophon u. A. Der Hauptschauplatz ihrer Wirksamkeit war die Lesche in Delphi, die Poikile in Athen, die Tempel in Platää, Thespiai, die Gegenstände der Darstellung historischer und mythischer Natur. So malte Panänus in der Poikile die Schlacht bei Marathon und zwar mit porträtartiger Charakteristik der Feldherrn, Polygnot in der delphischen Lesche das eroberte Ilion, die Abfahrt der Hellenen, Odysseus Besuch in der Unterwelt, Mikon im Theseustempel Kämpfe der Amazonen und Centauren. Aus den Merkmalen, welche alte Schriftsteller an Polygnots Werken rühmend hervorheben und welche wohl von dem gesammten gleichzeitigen Künstlerkreise gelten mögen, sich ein klares Bild von dem Kunstcharakter des Meisters zu entwerfen, unterliegt mannigfachen Schwierigkeiten. Bei einfachem strengen Colorite erscheinen die Augenbrauen schön gezogen, die Wangen geröthet, der Blick belebt, der Mund sprechend geöffnet, die Gewänder leicht und zierlich gefaltet und durchsichtig (?) gemalt. In der lebendigen Zeichnung liegt also Polygnots technische Stärke, dazu kommt Aristoteles Bemerkung von dem Maler edler Charaktere, welcher die Menschen besser darstelle als sie seien, und die aus den Inhaltsangaben seiner Bilder gewonnene Ueberzeugung von dem Figurenreichthume seiner Compositionen. Auch durch den Gegensatz zur späteren Malweise lässt sich Einzelnes für die Erkenntniss seines Kunstcharakters abgewinnen.
Nachdem der Bühnenmaler Apollodor die Wirkungen von Licht und Schatten, die malerische Illusion in das Bereich der Studien gezogen und einen glänzenderen sinnlichen Reiz seinen Gestalten einverleibt hatte, so dass erst sie das Auge des Beschauers dauernd fesselten, beginnt auf ionischem Boden (Ephesus) im vierten Jahrhundert v. Chr. eine neue Periode in der Geschichte der griechischen Malerei. Die epische Breite der Composition, an Polygnots Werken mit Recht hervorgehoben, verschwindet, auch der ideale strenge Sinn in der Auffassung, die gemessene, einfach reine Zeichnung tritt zurück, Raum gebend einer in das Einzelne arbeitenden, individualisirenden Ausführung, wobei der Farbe ein ungleich grösserer Wirkungskreis anheimfiel. Leider sind wir nicht im Stande, aus dem Gebiete der Vasenmalerei ähnliche Parallelen für diese Kunstweise heranzuziehen, wie dies mit den Vasenbildern strengen Styles für Polygnot der Fall ist. Der Vorwurf, den Aristoteles über die Bilder des Zeuxis (u. 90–100. Olymp.) fällt, es mangle denselben die sittliche Würde, das Ethos; die Vorzüge, welche von den Werken der ionischen Schule behauptet werden: die Kraft der Illusion (die bekannten Trauben des Zeuxis und der Vorhang des Parrhasios), die weiche Rundung der Formen, die Feinheit der Contouren (von Parrhasios gerühmt), die nicht die Gestalten reliefartig abschnitten, sondern sich sanft verliefen, der pathetische Ausdruck im Bilde des Timanthes: Opfer der Iphigenia, bezeichnen die auf das Malerische, Individuelle gerichtete Kunstweise. Auch die Gegenstände, welche zur Darstellung gewählt werden, sind für die herrschende Sinnesrichtung charakteristisch. So malt Zeuxis die Helena, Penelope, Alkmene, den Pan, den thronenden Jupiter, den jugendlichen Drachentödter Herakles, eine Centaurenfamilie, Parrhasios den Theseus, der nachmals auf dem römischen Kapitole bewahrt wurde, die Gruppe des Melager, Herakles, und Perseus, zwei Hopliten, den einen schweisstriefend in den Kampf eilend, den anderen ermattet niedergesunken, die Personifikation des athenischen Demos, so lebenswahr und ausdrucksvoll, dass man in der Gestalt alle Eigenschaften des athenischen Volkes, auch die widersprechendsten, zu lesen wähnte, und andere Heroen und Porträtfiguren. In dieser Vorliebe für die Darstellung von Einzelgestalten und einfachen Gruppen, wobei nothwendig die scharfe Individualisirung, der Reiz der Färbung die wichtigste Aufgabe wurde, spricht sich der Gegensatz zur figurenreichen, epischen Composition der älteren attischen Schule deutlich aus.
Der ionischen Malerschule geht die sikyonische, von Eupompos und Pamphilus (97–107. Olymp.) gegründet, zur Seite. Ihre nähere Entwicklungsgeschichte ist unbekannt, ihr Kunstcharakter ist wohl als ein schärferes Eingehen auf den Naturalismus aufzufassen, der eine minder reiche Färbung, als den Ionern eigenthümlich war, aber eine sichere, feste Zeichnung im Gefolge hatte. Auch die ausgedehnte theoretische Bildung, eine gewisse akademische Gelehrsamkeit wird den Merkmalen der sikyonischen Schule beigezählt. Eine reichere Ausbildung und vielfache Anwendung erhielt in dieser Zeit die enkaustische Malerei (Aristides und Pausias), eine Technik, von welcher wir nur so viel wissen, dass sie die Farbstoffe mit Wachs verband und dem Grunde einbrannte, ohne trotz vielfacher Versuche sie wiederherstellen zu können. Ausser den genannten Meistern Eupompos und Pamphilus aus Macedonien werden noch Echion (die verschämte Neuvermählte, Semiramis, die Allegorien der Tragödie und Komödie u. a.), Melanthius, wegen der verständigen Anordnung seiner Bilder berühmt, Pausias, in der Dekorationsmalerei ausgezeichnet, in der Verkürzung und Schattirung (Modellirung) der Gestalten kenntnissreich (Kranzwinderin Glykera) hervorgehoben; Euphranor, in Athen thätig, scheint mehr die heroische und historische Malerei gepflegt zu haben (Zwölfgötter, Theseus, kräftiger gebildet als des Parrhasios gleichnamiges Bild, Reitergefecht); auch der Athener Nikias widmet, vielleicht der heimischen Kunsttradition folgend, ähnlichen Darstellungen von figurenreichen mythischen und historischen Scenen seinen Pinsel. Dagegen wird Aristides von Theben durch den leidenschaftlich pathetischen Ausdruck in seinen Bildern gerühmt.
Alle Maler Griechenlands überstrahlt an Reichthum der Begabung, Gewandtheit der Ausführung und Grazie Apelles von Cos (356–308 v. Chr. thätig). Er vereinigte die Vorzüge der sikyonischen und ionischen Schule (oder hob vielmehr die hier einseitig verfolgten Richtungen auf), wusste durch die Frische der Färbung und Zartheit der Umrisse zu fesseln und über seine Werke den Hauch der Anmuth zu verbreiten. Die Venus Anadyomene, den Meereswellen entsteigend, für Cos gemalt, später nach Rom gebracht, erwarb ihm den höchsten Ruhm; ausser diesem Werke werden noch Schlachten- und Heroenbilder und zahlreiche Portraite (namentlich Alexanders) aufgezählt. Der Glanz, welchen Apelles Thätigkeit im Zeitalter Alexanders des Grossen auf die Malerei warf, scheint unter der Herrschaft seiner Nachfolger wenigstens äusserlich nichts verloren zu haben. Ausser den Zeitgenossen des Apelles: Protogenes, Asklepiadorus, Ktesilochus sind uns noch zahlreiche Künstlernamen erhalten, ohne dass wir über den artistischen Charakter derselben näher unterrichtet wären. Bezeichnend ist die häufig beklagte Vorliebe für parodirende Darstellungen, für Gegenstände des sogen. Genrefaches und Stilllebens. Pyreikus, unbekannten Alters, soll zuerst Barbierstuben und Schusterbuden, junge Esel, Küchengemüse u. dgl. gemalt haben. Auch die Mosaikmalerei zu Dekorationszwecken kam erst jetzt am Schlusse der griechischen Kunst in Aufnahme (Sosus von Pergamus). Dass der Naturalismus, den wir schon in der früheren Periode in der griechischen Malerei waltend erblickten, zuletzt auch die Stoffwelt umwandeln und die Dinge des gewöhnlichen Lebens als der künstlerischen Verherrlichung würdig empfehlen werde, ist begreiflich, ebenso wie die Auflösung der Malerei in eine dekorative Kunst nur ein allgemein gültiges Gesetz der kunstgeschichtlichen Entwicklung wiederholt.
2. Etrusker und Latiner.
§. 51.
Die alteinheimischen Stämme Italiens: die Japyger, Etrusker, Latiner, der umbrisch-sabellische Stamm haben vor der griechischen Einwanderung keine kunstgeschichtliche Stellung. Es mag denselben nicht an künstlerischen Anregungen und Ansätzen gefehlt haben, der Kultus wartete nicht erst auf hellenische Lehrmeister, um sinnliche Zeichen und Bilder der Götter zu entwerfen; vor dem hellenischen Einflusse aber tritt die heimische Eigenthümlichkeit stark in den Hintergrund zurück, so dass neben der unmittelbar aus Hellas verpflanzten und in den griechischen Colonien gepflegten Kunst, auch die übrigen Kunstweisen der stetigen griechischen Einwirkung unterworfen bleiben. Die Wanderungen des Dädalus in Italien sind der sagenhafte Ausdruck dieses Verhältnisses. Die Ablagerungen der älteren griechischen Kunstbildung in Italien lassen sich stufenweise verfolgen. Cyklopische Mauern kommen in Pyrgi, Cosa, Saturnia, noch viel häufiger auf latinischem Boden, die Scheinwölbung durch vortretende Mauertheile in den Gräbern von Caere, Alsion, im Brunnenhause (tullianum) auf dem Kapitole vor. Doch ist auch die wirkliche Wölbung im Keilschnitte nicht unbekannt, ja hier früher ausgebildet gewesen, als in Griechenland. Ihre ältesten Beispiele sind die Mündung eines Abzugskanals bei Graviscae, die Mündung der cloaca maxima in Rom und mehrere Stadtthore (Tarquinii, Volterra u. A.). Bei der eigentlichen Tempelarchitektur haben wir die Bauten der griechischen