Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen. Heinrich Smidt

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Seegeschichte-Sammelband: Die Abenteuer berühmter Seehelden, Epische Seeschlachten & Erzählungen - Heinrich Smidt


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Zollenbrücke, ein albernes Hanswurstspiel lautete es weiterhin auf dem Katharinen-Kirchhofe und die frommen Gemüter bekreuzigten und segneten sich. Sie hielten sich die Ohren zu, um nicht noch mehr von diesen Greueln zu hören, und fanden es unbegreiflich, daß auf den heidnischen Pastor nicht Pech und Schwefel herabregne.

      Und noch ein anderes Gerücht lief neben dem ersten her, das brachte besonders die jungen ledigen Herren in Bewegung und auch die alten, verheirateten fühlten einige Unruhe im Gemüt. Der Pandsen sollte eine junge, schöne Schauspielerin ausgewittert haben, die mit Nächstem eintreffen und zuerst in dem neuen Stücke des Pastor Koch spielen solle. Es ward viel von diesem Ausbunde von Schönheit, den noch keiner sah, gesprochen und die Frau Wirtin zum holländischen Oxhoft hatte noch niemals so vornehme Kunden in ihrer Schenke gesehen, die eine Flasche Wein nach der andern bezahlten, ohne sie zu trinken und ihr dabei das rätselhafte Geheimnis abzuschwatzen suchten. Sie aber strich wohlgefällig die dargereichten Doppelmarkstücke ein, vergaß regelmäßig, das Kleingeld herauszugeben, und versicherte hoch und teuer, nicht mehr zu wissen als jeder andere; demnach sollte es einmal eine Senatorstochter aus Lübeck, ein anderes Mal eine junge Kaufmannsfrau aus Bremen sein. Sie aber halte beides für eine Lüge und wolle eher der dritten Nachricht glauben, daß die junge Dirne ein richtiges Hamburger Kind sei. Zu welchem Hause sie aber gehöre, das könne sie nicht sagen. Wer sich überzeugen wolle, möge warten und die Augen öffnen, denn die Probe müsse bald beginnen und die Schauspieler gingen allesamt durch die Schenkstube.«

      Das ließen sich die Herren gesagt sein und drängten sich der Tür so nahe, daß kaum ein Mensch durch dieselbe gelangen konnte. Die Schauspieler kamen auch verkündetermaßen, Damen wie Herren, nur nicht die Ersehnte und verdrießlich gingen endlich die Neugierigen ihres Weges, um am folgenden Tage wiederzukommen.

      »Die können lange warten!« kicherte die Wirtin in sich hinein, als sie das eingenommene Geld durchzählte. Eine alte, hektische Person, die hier ein Gläschen fürs Nüchterne zu nehmen pflegte, legte ihren Schilling auf die Tafel, indem sie sagte:

      »Am Ende hält Sie alle die lieben schönen Herren am Narrenseil und es ist gar keine solche Komödiantin da.«

      »Freilich ist sie da!« entgegnete die Wirtin mit aufgeworfenen Lippen. »Aber ihr Liebster ist eifersüchtig und geht mit ihr über den Hof.«

      »Hm! Hm!« hüstelte die Alte, trank den letzten Tropfen und ging aus der Stube, um einen passenden Schlupfwinkel auszufinden, wo sie ihre Neugier befriedigen konnte.

      Endlich brach der Tag an, da das vielbesprochene Schauspiel: »Die männerfeindliche Fürstin, die doch gedemütigt wird,« gegeben werden sollte. Die letzte Probe war beendet und der Verfasser, welcher dabei gegenwärtig war, gab seine Zufriedenheit darüber zu erkennen. Am meisten stellte ihn die junge Schauspielerin zufrieden, welche die Dirne gab, und er sagte ihr vieles Angenehme.

      »Wie heißt Sie, liebes Kind,« fragte er und Dunkelschön, ihr zuvorkommend, entgegnete rasch: »Maienblüte, Herr.«

      »Das ist ein seltsamer, in christlichen Landen eben nicht gebräuchlicher Name,« entgegnete der Pastor pikiert, da er glaubte, man wolle sich über ihn lustig machen. »Muß im Uebrigen bemerken, daß man nur dann zu einer Antwort berechtigt ist, wenn man vorher gefragt wurde. Aber den Prinzen Cesario hat der Herr Dunkelschön vortrefflich agiert und ich sage dem Herrn meinen Dank dafür.«

      Der Schauspieler verneigte sich vor dem Pfarrer. Dieser betrachtete beide einen Augenblick und sagte daraus:

      »Dunkelschön und Maienblüte, zwei sonderlich poetische Namen. Nun, Herr, ich hofft, man wird wissen, daß die Maienblüte ein zartes und leicht verletzliches Gewächs ist, das nur unter der liebreichsten Pflege und der treuesten Obhut zu gedeihen vermag. Ein kalter Nachthauch ist hinreichend, sie zu töten.«

      »Sie soll leben, Herr, und lange und fröhlich leben!« entgegnete Dunkelschön rasch, die Maienblüte an sich drückend, und diese sah mit inniger Zärtlichkeit zu ihm auf.

      »Das walte ...« sagte der Pastor und stockte dann errötend, indem er sich entfernte. Der Name Gottes wollte auf dem Theater nicht über seine Lippen.

      »Nun wollen wir auch gehen,« sagte Maienblüte zu ihrem Begleiter. »Die andern sind schon alle fort und mir wird hier so beklommen.«

      »Das macht die Angst vor dem Abend,« entgegnete er. »Aber nur guten Mut; es wird alles nach Wunsch gehen.«

      »Wenn nur die zu Hause nichts merken,« sagte sie besorgt. »Es fällt mir mit einem Male schwer auf das Herz.«

      »Einmal müssen sie es jedenfalls erfahren und darum je eher, je besser. Was kann denn Großes geschehen? Bist du doch meiner Treue gewiß, du kleine Maienblüte.«

      Sie betraten den Hof. Maienblüte fuhr zusammen.

      »Was ist dir?« fragte Dunkelschön.

      »Das alte Weib dort! Sieh nur, wie sie humpelt.«

      »Was geht dich die Alte an?«

      »Ich glaube, sie zu kennen; allein ich kann mich auch wohl geirrt haben. Laß uns schneller gehen. Mich friert.«

      Das junge Paar beeilte sich. Die humpelnde Alte, welche in der Schenkstube seit mehreren Tagen als Spionin sich umhertrieb, kam hinter einem Haufen Brennholz, wo sie sich bisher verbarg, hervor:

      »Jetzt habe ich sie gewiß und wahrhaftig erkannt, und lasse mich nicht irre machen. Schnell zu der Straußin und meine Ware so vorteilhaft als möglich angebracht. Meine Kundinnen müssen sagen, daß sie nirgend so gut bedient werden, als von mir.«

      Eine Stunde später war es, als die Gesellen des Meisters Lorenz Ramke vom Mittagessen aufstanden und in die Werkstatt gingen, uni die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Meister, von seiner Gicht notdürftig hergestellt, war ihnen gefolgt. Er ging von dem einen zum andern, tadelte hier mürrisch, lobte dort mit einem freundlichen Wort und beschied den Altgesellen zu einer vertraulichen Besprechung. Alle tummelten sich fröhlich durch- und nebeneinander, als die Frau Straußin in die Werkstatt trat, und ohne die übliche Begrüßung ihrem Bruder mit den rasch herausgestoßenen Worten entgegentrat:

      »Wo ist die Christine?«

      »Was weiß ich?« war die Antwort. Der Meister fühlte sich unangenehm berührt. Früh am Morgen, als die Christine ihm das Würzbier brachte, hatte sie über Kopfweh geklagt und war deshalb, wie die Magd ihm meldete, nicht zum Essen heruntergekommen. Die Triene hatte dazu ein eigenes Gesicht gemacht. Das fiel ihm jetzt erst auf.

      »Warum fragst du das?« wandte er sich zu seiner Schwester. »Sie ist oben in ihrer Kammer und hat Kopfweh.«

      »Das ist nicht wahr!« entschied die Straußin.

      »Die Triene hat es gesagt! He, Triene! Aber laß uns doch in die Stube gehen.«

      Es geschah. Die Magd, von einem Lehrburschen herbeigerufen, folgte ihnen auf dem Fuße. Der Meister wandte sich zu ihr und fragte:

      »Wo ist Christine?«

      »Die Jungfer klagt über Kopfweh und hat sich niedergelegt,« antwortete die Magd, aber sie machte kein so seltsames Gesicht, als vorhin, da der Meister zum ersten Male fragte. Die Straußin sah sie so bitterböse an, daß sie den Blick derselben nicht ertragen konnte.

      »So holen Sie die Jungfer, wir wollen mit ihr sprechen!« befahl die Straußin. »Rühre Sie sich! Ich habe keine Zeit.«

      Die Magd entfernte sich, so rasch, als es ihr möglich war. Das Beisammensein der Geschwister war peinlich. Sie rauschte auf und nieder. Er saß brummend im Lehnstuhl. Minute auf Minute verstrich. Christine erschien nicht; auch die Triene ließ sich nicht blicken.

      Endlich öffnete sich die Tür und die Magd steckte den Kopf durch dieselbe:

      »Ich kann sie nicht finden!«

      Sie wollte ebenso schnell wieder fort, als sie gekommen war, allein die Straußin ergriff sie beim Arm und zog sie in die Stube:

      »Bekenne Sie, was Sie weiß, oder ich schicke nach der Polizei und lasse Sie nach der Roggenkiste bringen.«

      »Ach


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