Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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ich habe viel gehaßt – jedes Haupt in diesem Lande gehaßt, das sich über die Menge erhob. Aber ich haßte, weil ich nicht lieben konnte. Holde Frauen, – o, ich könnte sie noch jetzt mit glühenden Augen verschlingen! Ich zähle achtzig Jahr, und noch immer lechze ich danach, Männer zu erschlagen und Weiber zu umfahn; – aber es erging mir auch hier, wie in der Schlacht; nur Wille und Begier, entmannt von Geburt an; – heißes Lustverlangen – und doch ein Krüppel! So wurde ich denn Priester; König oder Priester muß der Mann sein, der über alle Macht gebieten will. Lacht. Ich Priester! Ich ein Mann der Kirche! Ja, für eine kirchliche Handlung hatte der Himmel mich besonders geschaffen, – dafür, die hohen Diskanttöne anzugeben, – mit Weiberstimme bei hohen Kirchenfesten zu singen. Und doch begehren die da oben von mir, – dem Halbmann, – was sie das Recht haben von jedem zu begehren, der die volle Kraft für sein Lebenswerk empfangen hat! Es hat Zeiten gegeben, da ein solcher Anspruch mir billig erschien; ich habe hier auf dem Krankenbette gelegen voll grausiger Angst vor Strafe und Gericht! Nun ist das vorüber; ich fühle wieder Mark in den Knochen der Seele! Ich habe nichts verbrochen; an mir wurde das Unrecht verübt; ich bin der Kläger!

      Herzog Skule mit gedämpfter Stimme. Herr – den Brief! Ihr habt nicht viel Zeit mehr!

      Håkon. Denkt an Euer Seelenheil und demütigt Euch!

      Bischof Nikolas. Eines Mannes Tat ist seine Seele, und meine Tat soll auf Erden fortleben. Aber Ihr, König Håkon, Ihr solltet Euch hüten; denn wie der Himmel mir entgegen war und Schaden erntete als Lohn, so seid Ihr dem Manne entgegen, der das Glück des Landes in seiner Hand hält –

      Håkon. Ha – Herzog, Herzog! Jetzt versteh' ich die Begegnung hier!

      Herzog Skule heftig zum Bischof. Kein Wort mehr von dergleichen!

      Bischof Nikolas u Håkon. Er wird wider Euch sein, solange sein Haupt fest auf den Schultern sitzt. Teilt mit ihm! Ich finde nicht Frieden im Sarge, ich kehre wieder, wenn Ihr beide nicht miteinander teilt! Keiner von Euch soll des andern Höhe seinem eigenen Wuchse zulegen; es gäbe einen Hünen hier im Lande, wenn das geschähe, und es soll hier keinen Hünen geben; denn ich war nie ein Hüne! Er sinkt matt auf die Ruhebank zurück.

      Herzog Skule wirft sich neben der Bank aufs Knie und ruft Håkon zu: Schafft Hilfe! Um Gottes Barmherzigkeit willen, der Bischof darf noch nicht sterben!

      Bischof Nikolas. Wie es düster wird und düstrer vor meinen Augen! – König, zum letzten Mal, – wollt Ihr mit dem Herzog teilen?

      Håkon. Kein Scherflein schenke ich weg von dem, was mir Gott gegeben hat!

      Bischof Nikolas. Gut denn, gut! Leise. Den Glauben soll er auf jeden Fall verlieren. Er ruft. Viljam!

      Herzog Skule flüsternd. Den Brief! den Brief!

      Bischof Nikolas ohne auf ihn zu hören. Viljam! Viljam tritt ein; der Bischof zieht ihn dicht zu sich heran und flüstert. Als ich die letzte Ölung empfing, da wurden mir doch alle Sünden vergeben!

      Sira Viljam. Alle Sünden, von Eurer Geburt an bis zu dem Augenblicke, da Ihr die Ölung empfingt.

      Bischof Nikolas. Nicht länger? Nicht ganz bis in meinem Tod?

      Sira Viljam. Herr, Ihr sündigt nicht diese Nacht.

      Bischof Nikolas. Hm, man kann nicht wissen –; nimm den Goldbecher, den ich vom Bischof Absalon erbte, – gib ihn der Kirche, – und laß noch sieben große Kirchengebete für mich lesen.

      Sira Viljam. Herr, Gott wird Euch gnädig sein!

      Bischof Nikolas. Noch sieben Gebete, sag' ich – für das, was ich heut nacht sündige! Geh, geh! Viljam ab; der Bischof wendet sich zu Skule. Herzog, wenn Ihr einmal Pfarrer Tronds Brief lest, und es sich vielleicht erweisen sollte, daß Håkon der rechte ist, – was werdet Ihr dann tun?

      Herzog Skule. In Gottes Namen, – dann soll er auch König sein.

      Bischof Nikolas. Überlegt's Euch – es gilt hier viel. Prüft jede Falte Eures Herzens; antwortet, als ob Ihr vor Eurem Richter stündet. Was wollt Ihr tun, wenn er der rechte ist? '

      Herzog Skule. Mich beugen und ihm dienen.

      Bischof Nikolas vor sich hinmurmelnd. Ja, ja, – so trage denn die Folgen! u Skule. Herzog, ich bin schwach und müde; es überkommt mich so milde und versöhnlich –

      Herzog Skule. Das ist der Tod! Pfarrer Tronds Brief! Wo ist er?

      Bischof Nikolas. Erst etwas anderes – ich gab Euch die Liste meiner Feinde –

      Herzog Skule ungeduldig. Ja, ja; ich werde an ihnen Rache nehmen für alles –

      Bischof Nikolas. Nein, gar mild ist nun mein Sinn; ich will ihnen vergeben, wie geschrieben steht. Gleichwie Ihr der Macht entsagt, so will ich der Rache entsagen. Verbrennt die Liste!

      Herzog Skule. Gut, gut – wie Ihr wollt!

      Bischof Nikolas. Hier im Kohlenbecken, daß ich's sehen kann –

      Herzog Skule wirft das Papier ins Feuer. So, – da brennt sie! Und nun redet, redet! Es gilt das Leben Tausender, wenn Ihr jetzt nicht redet!

      Bischof Nikolas mit funkelnden Augen. Das Leben Tausender! Schreit auf. Licht! Luft!

      Håkon eilt zur Tür und ruft: Zu Hilfe! Der Bischof stirbt!

      Sira Viljam und mehrere Diener des Bischofs kommen herein.

      Herzog Skule schüttelt den Arm des Bischofs. Norwegens Glück für Jahrhunderte – seine Größe vielleicht für ewige Zeiten!

      Bischof Nikolas. Ewige Zeiten! Triumphierend. Perpetuum mobile!

      Herzog Skule. Bei Eurer Seele Seligkeit, – wo ist Pfarrers Tronds Brief?

      Bischof Nikolas rufend. Noch sieben Gebete, Viljam!

      Herzog Skule außer sich. Der Brief! der Brief!

      Bischof Nikolas lächelt im Todeskampfe. Den habt Ihr eben verbrannt, guter Herzog. Er sinkt auf die Bank zurück und stirbt.

      Herzog Skule stößt unwillkürlich einen Schrei aus, indem er zurücktaumelt und das Gesicht mit den Händen bedeckt. Gott, Du Allmächtiger!

      Die Mönche in wilder Flucht aus der Kapelle. Rette sich, wer kann!

      Einzelne Stimmen. Alles Böse ist heut nacht entfesselt!

      Andere. Es lachte laut in der Ecke! – Es schrie: »Wir haben ihn!« – Alle Lichter erloschen!

      Håkon. Eben starb Bischof Nikolas.

      Die Mönche rechts hinausflüchtend. Pater noster, – Pater noster!

      Håkon nähert sich Skule und spricht leise. Herzog, ich will nicht forschen, was für heimliche Pläne Ihr mit dem Bischof geschmiedet habt, eh' er starb; – aber von morgen an müßt Ihr Eure Macht und Würde in meine Hände zurückgeben; jetzt seh' ich deutlich, – wir beide können nicht denselben Weg zusammen gehen.

      Herzog Skule blickt ihn wie geistesabwesend an. Denselben Weg zusammen gehen –?

      Håkon. Morgen halt' ich Thing im Königsschloß; dort muß alles zwischen uns ins Reine kommen. Ab nach rechts.

      Herzog Skule. Der Bischof tot und der Brief verbrannt! Ein Leben voller Zweifel und Kampf und Grauen! O, könnt' ich beten! – Nein, – handeln muß ich. Heut abend noch muß der entscheidende Schritt geschehen! Zu Viljam. Wohin ging der König?

      Sira Viljam erschrocken. Christ steh' mir bei, – was wollt Ihr von ihm?

      Herzog Skule. Glaubt Ihr vielleicht, ich will ihn morden in dieser Nacht? Rechts ab.

      Sira Viljam sieht ihm kopfschüttelnd nach, während Diener die Leiche links hinaustragen. Noch sieben Gebete, sagte der Bischof – ich denke, das sicherste ist, wir lesen vierzehn. Folgt den übrigen.

      Eine Stube im Königsschloß.

      Im Hintergrund ist die Eingangstür; kleinere


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