Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


Скачать книгу
Was er im Schilde führt, das weiß ich nicht; aber daß etwas im Werke ist, das ist wohl sicher.

      Håkon. Sollt' er an einen Überfall denken? Unmöglich, unmöglich!

      Dagfinn. Nein, es ist etwas anderes. Seine Schiffe liegen segelfertig zur Abfahrt; es soll Thing an Bord gehalten werden.

      Håkon. Du irrst dich –! Geh, Dagfinn, und bringe mir sicheren Bescheid.

      Dagfinn. Ja, ja – Ihr könnt Euch auf mich verlassen.

      Ab.

      Håkon. Nein, – das wäre undenkbar! Der Herzog darf sich nicht wider mich erheben. Gott wird ihm das verbieten, – Gott, der bisher alles so wundersam gut für mich gelenkt hat. Jetzt muß ich Frieden haben, jetzt soll ich ja eben beginnen! – Ich habe noch so wenig gewirkt; aber ich höre des Herrn untrügliche Stimme in mir rufen: Du sollst ein großes Königswerk in Norwegen vollbringen!

      Gregorius Jonsson tritt durch die Mitte ein. Mein Herr und König!

      Håkon. Gregorius Jonsson! Ihr kommt zu mir?

      Gregorius Jonsson. Ich biete mich Euch als eidverpflichteten Mann an; bis jetzt bin ich dem Herzog gefolgt; jetzt darf ich ihm nicht länger folgen.

      Håkon. Was ist denn geschehen?

      Gregorius Jonsson. Was niemand glauben wird, wenn das Gerücht es über das Land trägt.

      Håkon. Sprecht, sprecht!

      Gregorius Jonsson. Mir schaudert vor dem Klang meiner eigenen Worte; – so wißt denn – Packt ihn am Arm und flüstert ihm etwas ins Ohr.

      Håkon fährt mit einem Schrei zurück. Ha, Ihr seid von Sinnen!

      Gregorius Jonsson. Gäbe Gott, ich wär's.

      Håkon. Unerhört! Nein, das kann nicht sein!

      Gregorius Jonsson. Bei Christi teurem Blute, es ist so!

      Håkon. Geht, geht! Laßt zum Aufmarsch blasen! All meine Mannen sollen sich zusammenscharen!

      Gregorius Jonsson ab.

      Håkon geht ein paarmal auf und ab, dann nähert er sich rasch der Tür von Margretens Kammer, klopft an, geht wieder mehrmals auf und ab, geht abermals an die Tür, klopft und ruft: Margrete!

      Er geht wieder hin und her.

      Margrete in der Tür, im Nachtkleid, mit aufgelöstem Haar; um die Schultern trägt sie eine rote Schnürjacke, die sie dicht über der Brust zusammenhält. Håkon! Bist Du's?

      Håkon. Ja, ja – Du mußt herauskommen!

      Margrete. Dann darfst Du mich aber nicht ansehen – ich war schon im Bett.

      Håkon. Ich habe jetzt an anderes zu denken.

      Margrete. Was ist denn geschehen?

      Håkon. Gib mir einen guten Rat! Eben wurde mir die schlimmste aller Botschaften überbracht.

      Margrete ängstlich. Was für eine Botschaft, Håkon?

      Håkon. Daß jetzt zwei Könige in Norwegen sind.

      Margrete. Zwei Könige in Norwegen! – Håkon, wo ist mein Vater?

      Håkon. Er nahm an Bord den Königsnamen an; jetzt segelt er gen Nidaros, um sich krönen zu lassen.

      Margrete. O Du allmächtiger Gott –!

      Sie sinkt auf die Bank, bedeckt ihr Gesicht mit den Händen und weint.

      Håkon. Zwei Könige im Lande!

      Margrete. Mein Eheherr der eine, – und mein Vater der andere!

      Håkon geht unruhig auf und nieder. Gib mir einen guten Rat, Margrete! Soll ich durchs Oberland ziehen, zuerst in die Gegend von Trondhjem gehen und die Krönung verhindern? Nein – unmöglich; ich habe zu geringe Streitkräfte um mich; dort im Norden ist er mächtiger als ich. – Gib mir einen Rat; wie soll ich den Herzog verderben, eh' er nach Nidaros kommt?

      Margrete flehend, mit gefalteten Händen. Håkon, Håkon!

      Håkon. Weißt Du keinen vernünftigen Rat, den Herzog zu verderben, frag' ich!

      Margrete sinkt vor Schmerz von der Bank herab auf die Knie. O, vergißt Du denn so ganz, daß er mein Vater ist!

      Håkon. Dein Vater –; ja, ja, das ist wahr; das hab' ich vergessen. Er hebt sie auf. Setz' Dich, Margrete; tröste Dich; weine nicht; Du trägst ja keine Schuld daran. Er tritt ans Fenster. Herzog Skule wird mir gefährlicher als alle anderen Feinde! – Gott, Gott, – warum schlägst Du mich so hart, mich, der nichts verbrochen hat! Es klopft an der Mitteltür; er fährt zusammen, horcht und ruft: Wer klopft draußen so spät am Abend?

      Ingas Stimme von draußen. Eine, die da friert, Håkon!

      Håkon mit einem Aufschrei. Meine Mutter!

      Margrete springt empor. Inga!

      Håkon eilt an die Tür und schließt auf; Inga sitzt auf der Türschwelle. Meine Mutter! Sitzt wie ein Hund vor ihres Sohnes Tür! Und ich frage, warum Gott mich schlägt!

      Inga streckt die Arme ihm entgegen. Håkon, mein Kind! Segen über Dich!

      Håkon richtet sie auf. Komm, – komm herein. Hier ist's hell und warm!

      Inga. Darf ich zu Dir hinein?

      Håkon. Wir werden uns nie mehr trennen.

      Inga. Mein Sohn – mein König, – o, wie gut und lieb Du bist! Ich stand in einem Winkel und sah Dich, als Du aus dem Bischofshofe kamst; Du sahst so sorgenvoll aus; ich konnte so nicht von Dir scheiden!

      Håkon. Gott sei gedankt dafür. Du warst gewißlich die Beste, die jetzt kommen konnte! Margrete, – Mutter, – ich habe schwer gesündigt; ich habe mein Herz wider Euch beide verschlossen, die Ihr so reich an Liebe seid.

      Margrete fällt ihm um den Hals. O, Håkon, mein geliebter Mann – bin ich denn nun Deinem Herzen nahe?

      Håkon. Ja, ja, das bist Du; nicht, um mir klugen Rat zu geben, sondern um meinen Pfad leuchtend zu erhellen. Komme was da wolle, – ich fühle die Stärke des Herrn in mir!

      Dagfinn kommt eilig durch die Mitte. Herr, Herr! Nun ist das Schlimmste geschehen!

      Håkon lächelt zuversichtlich, indem er Margrete und Inga fest an sich drückt. Ich weiß – aber es hat keine Not, alter Dagfinn! Sind auch zwei Könige in Norwegen, so ist doch nur einer im Himmel, – und der wird's schon recht machen!

      Der Vorhang fällt.

      Vierter Akt

       Inhaltsverzeichnis

      Große Halle im Königshaus zu Oslo.

      König Skule bankettiert mit seinem Gefolge und seinen Häuptlingen. Im Vordergrunde links steht der Hochsitz, auf dem Skule, reich gekleidet, im Purpurmantel und mit dem Kronreif ums Haupt sitzt. Die Abendtafel, an der die Gäste auf Bänken Platz genommen, erstreckt sich vom Hochsitz bis zum Hintergrunde. Skule gegenüber sitzen Paul Flida und Bård Bratte. Eine Anzahl geringerer Gäste wird drüben auf der rechten Seite stehend bewirtet. Es ist später Abend; die Halle ist sehr hell erleuchtet. Das Gelage nähert sich seinem Ende; die Mannen sind sehr lustig und zum Teil betrunken; sie trinken einander zu, lachen und schwatzen durcheinander.

      Paul Flida steht auf und gebietet Schweigen. Ruhe in der Halle! Jatgejr der Skalde will singen und sagen zu König Skules Ehre.

      Jatgjer tritt in die Mitte der Halle.

       Herzog Skule ließ blasen zum Oerething,

       Als in Nidaros Messe man sang;

       Zum König sich kürt' er bei Glockengeläut

       Und bei


Скачать книгу