Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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es darf kein Schatten zwischen mir und Dir stehen, mein stilles, treues Weib; – deshalb ist auch ein Zusammenleben auf Erden zwischen uns unmöglich.

      Sigrid. Mein königlicher Bruder! Ich sehe, Du bedarfst nicht mein – ich sehe, Du kennst den Weg, den Du zu gehen hast.

      König Skule. Es gibt Männer, die geschaffen sind, um zu leben, und Männer, die geschaffen sind, um zu sterben. Mein Wille strebte stets dahin, wohin nicht Gottes Finger mich wies; deshalb sah ich bis jetzt niemals klar den Weg. Mein stilles häusliches Leben hab' ich verwirkt – ich kann es nicht zurückgewinnen. Was ich an Håkon gesündigt habe, das kann ich sühnen, indem ich ihn von einer Königspflicht befreie, die ihn von dem Teuersten scheiden müßte, was er hat. Die Städter stehen draußen – ich will nicht auf König Håkon warten! Die Wolfsbälge sind nahe; solang' ich am Leben bin, stehen sie nicht von ihrem Vorsatz ab: finden sie mich hier, so kann ich Dein Kind nicht retten, Margrete – Sehet, seht empor! Seht, wie es erblaßt und schwindet, das glühende Schwert, das über mir gezückt war! Ja, ja, – Gott hat gesprochen, und ich hab' ihn verstanden, und sein Zorn ist gestillt. Nicht soll ich mich im Heiligtum zu Elgesäter auf die Knie werfen und einen König der Erde um Gnade anflehen – in die hohe Kirche, die der Sternendom überwölbt, muß ich eingehen, und den König der Könige, den soll ich um Gnade und Erbarmen anflehen für alle meine Taten im Leben!

      Sigrid. Widersetzt Euch ihm nicht! Widersetzt Euch nicht dem Rufe Gottes! Der Tag graut; es tagt in Norwegen, und es tagt in seiner unruhigen Seele! Standen wir verschüchterten Weiber nicht lange genug im einsamen Kämmerchen, von Schrecken gelähmt und versteckt in den dunkelsten Winkeln, lauschend den Grausamkeiten, die draußen verübt wurden, lauschend dem blutigen Gemetzel, das von einem Ende des Landes bis zum andern herrschte? Haben wir nicht bleich und wie versteinert in den Kirchen gelegen, voll Angst, hinauszublicken, wie Christi Jünger in Jerusalem lagen an dem großen Karfreitage, da der Zug gen Golgatha ging? Brauch' Deine Schwingen, und wehe dem, der Dich jetzt fesseln will!

      Frau Ragnhild. Fahr hin in Frieden, mein Gemahl! Fahr dahin, wo kein höhnender Schatten zwischen uns steht, wenn wir uns wiedersehen. Eilt in die Kapelle.

      Margrete. Mein Vater, leb' wohl, leb' wohl, – leb' wohl tausendmal!

      Sie folgt Frau Ragnhild.

      Sigrid öffnet die Kirchentür und ruft hinein: Heraus, heraus, Ihr Weiber all'! Sammelt Euch im Gebete! Sendet im Gesang eine Botschaft zum Herrn empor und meldet ihm, daß Skule Bårdsson jetzt reuig heimkehrt von seinem trotzigen Erdenwallen!

      König Skule. Sigrid, meine treue Schwester, grüße König Håkon von mir; sag' ihm, auch in meiner letzten Stunde wisse ich nicht, ob er als König geboren sei; das aber wisse ich unwandelbar gewiß: er ist der, den Gott erkoren hat.

      Sigrid. Ich werde ihm Deinen Gruß überbringen.

      König Skule. Und noch einen Gruß mußt Du überbringen. Es sitzt ein reuig Weib im Norden auf Hålogaland; sag' ihr, daß ihr Sohn ihr vorausgegangen ist; er folgte mir, als die höchste Gefahr für seine Seele war.

      Sigrid. Das werd' ich.

      König Skule. Sag' ihr, nicht mit dem Herzen habe er gesündigt; rein und schuldlos werde sie ihn wiedersehen.

      Sigrid. Das werd' ich. – Deutet nach dem Hintergrunde. Hörst Du? Sie sprengen das Schloß!

      König Skule deutet nach der Kapelle. Hörst Du? Sie singen laut zu Gott um Erlösung und Frieden!

      Sigrid. Hörst Du, hörst Du? Alle Glocken läuten in Nidaros –!

      König Skule lächelt wehmütig. Sie läuten einem König zu Grabe.

      Sigrid. Nein, sie läuten zu Deiner rechten Krönung jetzt! Leb' wohl, mein Bruder – laß des Blutes Purpurmantel weit um Deine Schultern wallen – mit ihm deckst Du alle Sünde zu! Geh ein, geh ein in die große Kirche und empfange die Krone des Lebens! Rasch ab in die Kapelle. Gesang und Glockengeläut dauern während des Folgenden fort.

      Stimmen draußen an der Pforte. Jetzt ist das Schloß gesprengt! Zwinge uns nicht, den Kirchenfrieden zu brechen!

      König Skule. Ich komme.

      Der Städter. Und der Kirchenräuber soll auch kommen!

      König Skule. Der Kirchenräuber soll auch kommen, ja! Er geht zu Peter hin. Mein Sohn, bist Du bereit?

      Peter. Ja, Vater, ich bin bereit.

      König Skule emporblickend. Gott, ich bin ein armer Mann, ich habe nichts als mein Leben darzubringen – aber nimm es hin und rette Håkons großen Königsgedanken. – So, jetzt reich mir Deine Hand.

      Peter. Da ist meine Hand, Vater.

      König Skule. Und fürchte Dich nicht vor dem, was da kommen wird.

      Peter. Nein, Vater, ich fürchte mich nicht, wenn ich mit Dir zusammen gehe.

      König Skule. Einen schwereren Weg sind wir nie mitsammen gegangen. Er öffnet die Pforte; die Städter stehen mit erhobenen Waffen draußen geschart. Da sind wir – wir kommen freiwillig; – doch schlagt ihm nicht ins Angesicht! Sie gehen Hand in Hand hinaus; die Pforte fällt hinter ihnen zu.

      Eine Stimme. Zielt nicht, schont sie nicht; – schlagt zu, wo Ihr könnt!

      König Skules Stimme. Unrühmlich ist's, so mit Häuptlingen zu verfahren!

      Kurzer Waffenlärm; dann hört man zweimal einen dumpfen Fall; einen Augenblick ist alles still.

      Eine Stimme. Sie sind alle beide tot! Das Königshorn erschallt.

      Eine andre Stimme. Da kommt König Håkon mit seinem ganzen Gefolge!

      Die Menge. Heil Euch, Håkon Håkonsson; – jetzt habt Ihr keine Feinde mehr!

      Gregorius Jonsson bleibt einen Augenblick bei den Toten stehen. So bin ich doch zu spät gekommen! Er betritt den Klosterhof.

      Dagfinn. Unselig für Norwegen, wenn Ihr früher gekommen wäret! Ruft: Hier herein, König Håkon!

      Håkon bleibt stehen. Die Leiche liegt mir im Wege!

      Dagfinn. Will Håkon Håkonsson vorwärts, so muß er über Skule Bårdssons Leiche.

      Håkon. In Gottes Namen denn!

      Er schreitet über die Leiche und tritt ein.

      Dagfinn. Endlich könnt Ihr mit freien Händen an Euer Königswerk gehen. Da drinnen sind die, die Ihr liebt; – zu Nidaros wird der Frieden im Lande eingeläutet – und draußen liegt der, so Euch der ärgste war von allen.

      Håkon. Ein jeder hat ihn schief beurteilt – es war ein Rätsel an ihm.

      Dagfinn. Ein Rätsel?

      Håkon faßt ihn beim Arm und sagt leise: Skule Bårdsson war Gottes Stiefkind auf Erden – das war das Rätsel an ihm!

      Der Gesang der Frauen erschallt lauter aus der Kapelle; alle Glocken läuten in Nidaros fort.

      Der Vorhang fällt.

      Brand

       Inhaltsverzeichnis

       Personen

       Erster Akt

       Zweiter Akt

       Dritter Akt

       Vierter Akt

       Fünfter


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