Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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der Liebe nach in Schuld und Sünde und wußte nie, daß ich sie kraft göttlichen und menschlichen Gesetzes besaß. – Und Du, Ragnhild, mein Weib, Du, an der ich mich so schwer vergangen habe, Du schmiegst Dich warm und weich an mich in der Stunde der höchsten Not, Du kannst zittern und beben für das Leben des Mannes, der nie einen Sonnenstrahl auf Deinen Weg geworfen hat!

      Frau Ragnhild. Du Dich vergangen! O Skule, sprich nicht so! Glaubst Du, ich würde mich jemals unterfangen, mit Dir ins Gericht zu gehen! Ich bin immer zu gering für Dich gewesen, mein hoher Gemahl – es kann keine Schuld auf irgend einer Tat lasten, die Du getan hast.

      König Skule. So fest hast Du an mich geglaubt, Ragnhild?

      Frau Ragnhild. Vom ersten Tag an, da ich Dich sah.

      König Skule lebhaft. Wenn Håkon kommt, will ich um Gnade bitten! Ihr milden, liebreichen Frauen, – o, es ist doch schön, zu leben!

      Sigrid mit einem Ausdruck des Schreckens. Skule, mein Bruder! Wehe Dir, wenn Du in dieser Nacht den rechten Weg verfehlst!

      Lärm draußen; gleich darauf wird an die Pforte gepocht.

      Margrete. Hört, hört! Wer stürmt da heran?

      Frau Ragnhild. Wer klopft da an der Pforte?

      Stimmen von draußen. Die Städter von Nidaros! Macht auf! Wir wissen, daß Skule Bårdsson drinnen ist!

      König Skule. Ja, er ist hier – was wollt Ihr von ihm?

      Lärmende Stimmen von draußen. Komm heraus, komm heraus! Du sollst sterben, Du schlechter Mann!

      Margrete. Und das wagt Ihr Städter ihm anzudrohen?

      Ein Einzelner. König Håkon hat ihn zu Oslo gerichtet.

      Ein Andrer. Es ist jedermanns Pflicht, ihn zu erschlagen.

      Margrete. Ich bin die Königin – ich gebiete Euch, abzuziehen.

      Eine Stimme. Skule Bårdssons Tochter ist's und nicht die Königin, die so spricht.

      Ein Andrer. Ihr habt keine Macht über Leben und Tod. Der König hat ihn gerichtet.

      Frau Ragnhild. In die Kirche, Skule! Um des barmherzigen Gottes willen, laß die Blutmenschen Dir nicht nahe kommen!

      König Skule. Ja, in die Kirche! Durch die da draußen will ich nicht fallen. Mein Weib, meine Tochter – mir ist, als hätt' ich Licht und Frieden gefunden – o, das darf mir nicht so jäh wieder geraubt werden! Er will in die Kapelle eilen.

      Peter draußen rechts. Mein Vater, mein König! Nun hast Du bald den Sieg gewonnen!

      König Skule mit einem Aufschrei. Er! Er! Sinkt auf der Kirchentreppe nieder.

      Frau Ragnhild. Wer ist das?

      Ein Städter draußen. Seht, seht! Der Kirchenräuber klettert über das Klosterdach!

      Andre. Steinigt ihn! Steinigt ihn!

      Peter erscheint rechts auf einem Dache und springt in den Hof hinab. Glückauf, mein Vater!

      König Skule starrt ihn entsetzt an. Du? – Dich hatt' ich vergessen –! Wo kommst Du her?

      Peter leidenschaftlich. Wo ist das Königskind?

      Margrete. Das Königskind!

      König Skule springt auf. Wo kommst Du her? frag' ich.

      Peter. Von Hladehammer – ich habe Bård Bratte und den Wolfsbälgen bedeutet, daß das Königskind diese Nacht auf Elgesäter ist.

      Margrete. Gott!

      König Skule. Das hast Du getan! Und nun?

      Peter. Er sammelt die Schar, und dann kommen sie zum Kloster herauf – Weib, wo ist das Königskind?

      Margrete, die sich vor die Kirchentür gestellt hat. Es schläft in der Sakristei!

      Peter. Einerlei, und wenn es auf dem Altar schliefe! Ich habe Olafs Heiligtum herausgeschafft – ich fürchte mich auch nicht, das Königskind herauszuschaffen!

      Frau Ragnhild ruft Skule zu. Und ihn hast Du so sehr geliebt!

      Margrete. Vater, Vater! Wie konntest Du uns alle um seinetwillen vergessen?

      König Skule. Er war rein wie ein Lamm Gottes, als das reuige Weib ihn mir brachte – der Glaube an mich hat ihn zu dem gemacht, der er jetzt ist.

      Peter, ohne auf ihn zu hören. Das Kind muß heraus! Erschlagt es, erschlagt's im Arme der Königin! – Das waren König Skules Worte in Oslo!

      Margrete. Sündhaft, sündhaft!

      Peter. Ein Heiliger dürfte es ohne Bedenken tun, wenn mein Vater es gesagt hat! Mein Vater ist der König – denn er hat den großen Königsgedanken!

      Der Städter klopfen an die Pforte. Macht auf! Kommt heraus, Du und der Kirchenräuber, oder wir stecken das Kloster in Brand!

      König Skule wie von einem starken Entschlusse erfaßt. Der große Königsgedanke! Ja, er ist's, der Deine junge liebereiche Seele vergiftet hat! Rein und schuldlos sollt' ich Dich zurückgeben – der Glaube an mich, der treibt Dich wild von Frevel zu Frevel, von Todsünde zu Todsünde! O, aber ich kann Dich noch retten. Ich kann uns alle retten! Er ruft nach dem Hintergrunde. Wartet, wartet, Ihr Städter draußen! Ich komme!

      Margrete ergreift entsetzt seine Hand. Mein Vater, was willst Du tun?

      Frau Ragnhild klammert sich schreiend an ihn. Skule!

      Sigrid reißt sie von ihm weg und ruft mit wild auflodernder Freude: Laßt ihn los, laßt ihn los, Ihr Frauen! – Seinem Gedanken wachsen jetzt Flügel!

      König Skule fest und stark zu Peter. Du sahst in mir den Erkorenen des Himmels, – ihn, der die große Königstat im Lande vollbringen sollte. Sieh mich besser an, Du Verirrter! Die Königslumpen, mit denen ich mich geschmückt hatte, die waren geliehen und gestohlen, – jetzt lege ich sie ab, Stück für Stück.

      Peter ängstlich. Mein hoher, herrlicher Vater, sprich nicht so!

      König Skule. Der Königsgedanke ist Håkons, nicht meiner. Ihn zur Wahrheit zu machen, dazu hat er allein die Kraft vom Herrn empfangen. Du hast an eine Lüge geglaubt – wende Dich ab von mir und rette Deine Seele.

      Peter mit gebrochener Stimme. Der Königsgedanke ist Håkons!

      König Skule. Ich wollte der Größte im Lande sein. Gott, Gott! sieh, ich demütige mich vor Dir und stehe da als der allergeringste.

      Peter. Nimm mich von der Erde, Herr! Strafe mich für all meine Frevel – aber nimm mich von der Erde; denn hier bin ich jetzt heimatlos! Sinkt auf der Kirchentreppe nieder.

      König Skule. Ich hatte einen Freund, der in Oslo für mich blutete. Er sagte: Ein Mann kann fallen für das Lebenswerk eines andern, aber weiter leben kann er nur für sein eignes. – Ich habe kein Lebenswerk, für das ich leben könnte, und für Håkons kann ich auch nicht leben, – aber ich kann dafür fallen.

      Margrete. Nein, nein, das sollst Du nimmermehr!

      König Skule erfaßt ihre Hand und blickt sie freundlich an. Liebst Du Deinen Mann, Margrete?

      Margrete. Über alles in der Welt.

      König Skule. Du konntest ertragen, daß er das Todesurteil über mich sprach – aber könntest Du auch ertragen, wenn er es müßte vollstrecken lassen?

      Margrete. Herr des Himmels, stärke mich!

      König Skule. Könntest Du's, Margrete?

      Margrete leise und schaudernd. Nein, nein, – uns trennen müßten wir, – ich dürfte ihn niemals wiedersehn!

      König Skule. Du würdest das schönste Licht in seinem und in Deinem Leben auslöschen – sei ruhig, Margrete, – Du sollst dazu nicht gezwungen sein.

      Frau Ragnhild. Zieh aus dem Lande, Skule, – ich folge Dir, wohin


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