Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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letzter Rest sein Blut!

       (Sie eilen durch den Wald ab; vom Lager her hört man Lärm und Streitrufe.)

      Furia.

       Er ist fort. Ich bin am Ziel. Er stürzt in seinen Tod.

       Kalt und starr im Felde findet ihn das erste Rot.

      Aurelia (vor sich hin.) Seine grollerfüllte Seele hütete mein Bild nicht mehr? War es Traum nur? Nein, so scholl's ihm ja vom Munde liebeleer.

      Furia.

       Schwerter klirren; Catilina schwebt schon an des Grabes Rand;

       Bald – und wie ein stummer Schatten eilt er nach der Toten Land.

      Aurelia (fährt zusammen.) Ha, wer bist Du, unheilschwangre Stimme, die mir tönt, Wie wenn Eulennachtruf grausig aus den Wipfeln stöhnt! Stiegst Du aus dem Land der Schatten einer Warnung gleich, Catilina heimzuführen in Dein düstres Reich?

      Furia.

       Jeder strebt nach seiner Heimat, und sein Nachen fuhr

       Durch des Lebens Kot und Sümpfe –

      Aurelia. Auf ein Kleines nur!

       Frei und edel war sein Herze, seine Seele gut und stark,

       Bis ein Giftkraut sie umrankte und ihr stahl ihr Mark.

      Furia.

       Frisch und grün auch der Platane breites Laubdach blickt,

       Bis in eines Schlinggewächses Arm ihr Stamm erstickt.

      Aurelia.

       Da verrietst Du Deinen Ursprung! Dieser Stimme Ton,

       Catilinas Lippen ist er nur zu oft entflohn.

       O, Du Schlange, die Du mir des Lebens Frucht zerstört,

       Die Du wider meine Bitten sein Gemüt empört!

       Aus durchwachter Nächte Träumen kenn' ich, Böse, Dich,

       Sah gestellt Dich wie ein Schreckbild zwischen ihn und mich

       An des teuern Mannes Seite träumt' ich mir zurück

       Stillbegrenzte Freudentage, häuslich schlichtes Glück.

       In sein müdes Herze pflanzt' ich Blumen bunt und fein,

       Und als ihre schönste setzt' ich meine Liebe ein.

       Nun entwurzelt liegt, Verhaßte, sie von Deiner Hand,

       Trauert nun im Staub, wo jüngst sie noch so freudig stand.

      Furia.

       Schwache Törin, Du willst leiten Catilinas Schritt?

       Siehst Du nicht, daß seine Seele ewig Dir entglitt?

       Glaubst Du, Deine Blumen trieben wohl auf solcher Flur?

       Veilchen blühn im sonnenschwangern Hauch des Frühlings nur,

       Während sich das Bilsenkraut ein Dach von Wolken lobt;

       Und schon längst war seine Seele herbstgewölkdurchtobt.

       Du verlorst Dein Spiel! Gar bald, so stockt sein Herzblut warm,

       Und, der Rache Opfer, liegt er in des Todes Arm.

      Aurelia (mit wachsendem Feuer.) Nein, Dein Tod, beim Licht des Himmels, soll ihn nicht umfahn! Noch zu seinem Herzen bricht sich meine Träne Bahn. Find' ich bleich und blutbedeckt ihn nach des Kampfes Qual, Will ich schlingen meine Arme um mein kalt Gemahl, Hauchen ihm auf stumme Lippen all die Liebe mein, Trösten ihn, ihm Frieden bringen, lindern seine Pein. Nemesis, Dein Opfer wind' ich kühn Dir aus der Hand, Bind' ihn an des Lichtes Heimat mit der Liebe Band. Und verstummt sein Herz, versinkt sein Aug' in Todesdust, Gehn wir aus dem Leben beide, zärtlich Brust an Brust. Schenkt mir denn, ihr milden Mächte, für mein schweres Los, An des teuern Gatten Seite Grabesfrieden still und groß! (Ab.)

      Furia (sieht ihr nach.) Such' ihn, Verblendete; ich fürchte nichts. Ich halt' den Sieg zu fest in meinen Händen. – Des Kampfes Toben wächst, von Todesschreien Begleitet und zerbrochner Schilde Fall. Ob er schon bluten mag? Ob er noch lebt? O, schöner Augenblick! Der Mond verbirgt sich In schwärzlichem Gewölk bei seinem Scheiden. Von neuem wird es auf ein Weilchen Nacht, Bevor es graut; – und wenn es grauen wird, Ist alles aus. Er geht im Dunkel unter, Wie er im Dunkel lebte. Schöner Augenblick! (Sie lauscht.) Da braust's vorüber wie Novembersturm Und stirbt in Flüstern hin in weiter Ferne; Der Feinde Heerbann fegt die Walstatt rein. Unhemmbar wälzt er, alles niederstampfend, Sich vorwärts wie ein Meer in seinem Wüten. Ich höre Jammer, Stöhnen, schwere Seufzer: Das letzte Wiegenlied, womit sie selbst sich In Schlummer singen und die Brüder alle. Nun stimmt die Eule ein und beut dem Volk Willkommen in der Schatten düstren Gauen. (Nach einer Pause.) Wie lautlos still. Jetzt ist er also mein, Mein ganz allein und mein für alle Zeiten. Jetzt mag uns des Vergessens Strom empfangen, Und über ihm das Land, dem's niemals tagt. Doch erst noch will ich seinen Leichnam suchen, Mich sättigend des Anblicks seiner schönen Verhaßten Züge, ehe sie der Sonne Zum Opfer fallen und der Raben Gier. (Will gehen, stutzt aber und fährt zurück.) Weh mir! Was gleitet übern Anger dort? Sind es des Sumpfes Dünste nur, die sich Im Morgenfrost zu festem Bild verdichten? Da kommt es näher. Catilinas Schatten! Sein Geist –! Ich seh' sein Aug' gebrochen, seinen Zerspaltnen Schild, sein klingenloses Schwert; Ich seh' den ganzen toten Mann; nur Eines, Seltsam, – die Todeswunde seh' ich nicht.

       (Catilina kommt durch den Wald, bleich und matt, gesenkten Hauptes und verstörten Blickes.)

      Catilina (vor sich hin.) "Du fällst von eigner Hand, und doch Wird eine fremde Hand Dich fällen –" Ward mir geweissagt. Und ich bin gefallen – Und keiner traf mich doch. Wer löst das Rätsel?

      Furia.

       Sei mir gegrüßt, mein wackrer Catilina!

      Catilina.

       Weh' mir, wer bist Du?

      Furia. Eines Schatten Schatten.

      Catilina.

       Du bist es, Furia! Du grüßest mich?

      Furia.

       Willkommen in der Heimat denn! Nun können

       Wir Charons Boot besteigen, zwei Gespenster.

       Doch erst – nimm diesen Siegerkranz von mir.

       (Sie pflückt einige Blumen, die sie während des Folgenden zu einem Kranze zusammenflicht.)

      Catilina.

       Was tust Du da?

      Furia. Ich will die Stirn Dir schmücken.

       Doch sprich, was kommst Du so allein hierher?

       Ein toter Herzog käme nicht mit tausend

       Gefallenen? Wo sind sie, Deine Freunde?

      Catilina.

       Sie schlafen, Furia!

      Furia. Sie schlafen noch?

      Catilina.

       Sie schlafen noch – und werden lange schlafen.

       Sie schlafen alle. Schleiche durch den Wald

       Und lug' aufs Feld hinaus, – still; stör' sie nicht!

       Da wirst Du sie in langen Reihen finden.

       Sie nickten ein beim Wiegenlied des Schwerts;

       Sie nickten – und erwachten nicht wie ich,

       Da sich das Lied verlor in fernen Bergen.

       Du schaltst mich ein Gespenst. Jawohl, ich bin

       Nur ein Gespenst noch. Aber glaub' nur nicht,

       Daß jener Schlummern so ganz ruhig wäre

       Und ohne Träume. Glaub' das nicht!

      Furia. So sprich!

       Was träumt den Freunden Dein?

      Catilina. Du sollst es hören.

      


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