Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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sprich! Wer bist Du?

      Der Schatten. Still!

       Ich komme, Dich zur Rechenschaft zu ziehen.

       Was gönnst Du mir des Grabes Frieden nicht?

       Was treibst Du mich empor vom Haus des Todes?

       Was störst Du mein Vergessen, meine Ruhe,

       Daß ich Dir nahn muß drohenden Geflüsters

       Und meine teu'r erkaufte Ehre schirmen?

      Catilina.

       Ha, diese Stimme –! Ahnung dämmert mir –

      Der Schatten.

       Was ist von meiner Herrschermacht geblieben?

       Ein Schatten wie ich selbst; ja, kaum ein Schatten.

       Sie sank gleich mir ins Grab und ward zu nichts.

       Sie zahlte teuer sich, war teu'r erworben.

       Sie hat mich meines Lebens Ruh' gekostet,

       Und die des Grabes gab ich hin für sie.

       Und nun willst Du mir mit verwegner Hand

       Den Rest entreißen, der mir noch verblieb!

       Sind nicht der Wege mehr zu großen Werken?

       Was wählst Du den just, welchen ich gewählt?

       Die Macht, die gab ich mit dem Leben auf.

       Allein mein Name sollte ewig stehn,

       Nicht freundlich funkelnd wie des Sternes Auge,

       Nein, wie ein Blitz, ans Nachtgewölb geheftet!

       Nicht wollte ich gleich Hunderten vor mir

       Durch Edelsinn und sanfte Tugend glänzen;

       Ich wollte nicht bewundert sein, – ein Los,

       Das schon so vielen ward und werden wird

       Zu allen Zeiten. Nein, aus Blut und Schrecken

       Beschloß ich mir mein Denkmal aufzurichten!

       In stummem Graun wie auf ein Meteor,

       Das aufflammt und verglüht gleich einem Rätsel,

       So sollte starren man auf meinen Pfad,

       Aufschauend scheu zu mir, dem nie ein Mensch,

       Nicht vor- noch nachher, wagte gleich zu sein!

       So träumte mir, – allein ich ward betrogen.

       Du standst mir nahe. Daß mir auch nicht ahnte,

       Welch schlimme Saat in Deiner Seele schlief!

       Doch wisse, Catilina, ich durchschaue

       Der Zukunft Dämmerflor und was er birgt;

       In den Gestirnen lese ich – Dein Schicksal!

      Catilina.

       Mein Schicksal liesest Du? So deute mir's!

      Der Schatten.

       Erst hinterm Tor der Todesnacht

       Entweicht die Dämmrung, die umbreitet,

       Was, eine große grause Fracht,

       Hinab den Strom der Zukunft gleitet.

       Nur dies darf ich als Geist Dir noch

       Aus Deines Schicksals Buch bestellen:

       Du fällst von eigner Hand, und doch

       Wird eine fremde Hand Dich fällen!

       (Die Geistererscheinung gleitet fort, wie in einem Nebel.)

      Catilina (nach einer Pause.) Er ist verschwunden. War's ein Traumbild nur? Nein, nein; hier stand er, und der Mondstrahl streifte Sein fahles Antlitz. O, ich kannt' ihn wohl! Der alte, blutige Diktator war's, Der aus dem Grabe, mich zu schrecken, stieg. Ihm bangt, des Sieges Krone zu verlieren, Kein Lorbeerreis, – den fürchterlichen Ruf, Darin sein Name weiterlebt. So plagt Blutlose Schatten noch der Ehrsucht Fieber? (Geht unruhig auf und ab.) Was stürmt nicht auf mich ein! Bald warnt mich sanft Aurelia, bald widerhallt mein Herz Von Furias aufstachelndem Geheiß. Und nicht genug; aus ihren Gräbern tauchen Die bleichen Schatten der Vergangenheit. Sie drohen mir. Ich sollte ihnen weichen? Noch jetzt auf Umkehr sinnen? Nein, ich schreite Los auf mein Ziel – und werde es erreichen!

       (Curius kommt in heftiger Bewegung durch den Wald.)

      Curius.

       O, Catilina –!

      Catilina (überrascht.) Du, Du hier, mein Freund?

      Curius.

       Ich mußte –

      Catilina. Warum bliebst Du nicht in Rom?

      Curius.

       Mich ließ die Angst um Dich nicht länger weilen.

      Catilina.

       Um meinetwillen wagst Du blind Dein Leben?

       Leichtsinniger! Und doch, – komm an mein Herz!

       (Will ihn umarmen.)

      Curius (weicht zurück.) Rühr' mich nicht an! Komm mir nicht nah! Ich bin –

      Catilina.

       Was ist mit Dir, mein Curius?

      Curius. Brich auf!

       Flieh, wenn Du kannst; noch diese Stunde flieh!

       Von allen Seiten zieht der Feind heran;

       Du wirst umzingelt, Catilina!

      Catilina. Fass' Dich;

       Du redest wirr. Hat Dich der Weg erschöpft?

      Curius.

       O, nein; doch rette Dich, solang's noch Zeit!

       Dich fällt Verrat –

       (Wirft sich vor ihm nieder.)

      Catilina. Verrat! Was sagst Du da?

      Curius.

       Verrat im Kleid der Freundschaft!

      Catilina. Nimmermehr!

       Die rauhen Freunde sind mir treu wie Du.

      Curius.

       O, weh dann über Deiner Freunde Treue!

      Catilina.

       Komm zu Dir selbst! Nur Deine Liebe ist es,

       Dein Zittern für mein Wohl, was Deine Seele

       Gefahren wittern läßt, wo keine sind.

      Curius.

       O, weißt Du wohl, daß dieses Wort mein Tod?

       Doch, flieh! So flehentlich beschwör' ich Dich –!

      Catilina.

       Fass' Dich und sprich vernünftig. Warum fliehen?

       Der Gegner weiß um meinen Standort nicht –

      Curius.

       Er kennt ihn, – weiß um alle Deine Pläne!

      Catilina.

       Ha, rasest Du? Er weiß –? Das ist unmöglich.

      Curius.

       O, wär' es das! Doch nütz' die knappe Frist;

       Noch möchte Flucht vielleich Dein Leben retten!

      Catilina.

       Verrat? Nein; zehnmal nein; das ist unmöglich!

      Curius (ergreift seinen Dolch und reicht ihn Catilina.) Da, Catilina! Nimm und stoße zu! Mitten durchs Herz! Ich habe Dich verraten!

      Catilina.

       Du? Welch ein Wahnsinn –!

      Curius. Ja, es war im Wahnsinn!

       Frag' nicht, warum; weiß ich es selbst doch kaum;

       Doch tat ich's – und


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