Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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entfliehen, Rund um den Erdkreis fliehn durch alle Lande, Actäon gleich, gejagt von wilden Meuten, Ein Schattenbild, gejagt von tausend Schatten!

      Catilina.

       Ich seh' es, Furia! Hier bin ich friedlos,

       Im Reich des Lichtes heimatlos fortan!

       Ich folge Dir ins Schattenland hinab –

       Und will das Band, das mich noch hält, zerschneiden.

      Furia.

       Was tastest Du den Dolch an?

      Catilina. Sie soll sterben.

       (Ein Blitz fährt hernieder und der Donner rollt.)

      Furia.

       Die Götter jubeln Deinem Vorsatz zu!

       Sieh, Catilina, sieh, – dort kommt Dein Weib.

       (Aurelia kommt angstvoll suchend durch den Wald.)

      Aurelia.

       Wo mag er sein! Wo soll ich ihn nur finden!

       Er ist nicht bei den Toten –

       (Wird seiner gewahr.) Hoher Himmel; – Mein Catilina! (Sie eilt auf ihn zu.)

      Catilina (mit irrem Ausdruck.) Nenn nicht diesen Namen!

      Aurelia.

       Du lebst! Ja –!

       (Will sich in seine Arme werfen.)

      Catilina (abwehrend.) Laß mich, Weib! Ich lebe nicht.

      Aurelia.

       Hör' mich, Geliebter –!

      Catilina. Schweig; ich will nicht hören!

       Ich hasse Dich; ich wittre Deine List;

       Du willst mich an ein halbes Leben schmieden.

       Starr' mich nicht an! Mich martern Deine Augen,

       Sie bohren sich ins Herz mir wie ein Dolch!

       Der Dolch, der Dolch, o! Stirb! Schließ Deine Augen –

       (Er zieht seinen Dolch und ergreift sie beim Arm.)

      Aurelia.

       Wacht, milde Götter, über ihn und mich!

      Catilina.

       Schließ Deine Augen; schließ sie, sag' ich Dir;

       Sie bergen Sternenglanz und Morgenhimmel –.

       Nun soll des Morgenhimmels Stern erlöschen!

       (Der Donner rollt abermals.) Dein Herzblut! Horch, des Lebens Götter richten Ihr Abschiedswort an Dich und Catilina! (Er erhebt den Dolch gegen ihre Brust; sie flüchtet ins Zelt hinein; er verfolgt sie.)

      Furia (horchend. Sie streckt die Hände flehend wider ihn. Sie bittet um ihr Leben. Er bleibt hart. Da stößt er zu. Da fiel sie in ihr Blut.

       (Catilina kommt, den Dolch in der Hand, langsam aus dem Zelte.)

      Catilina.

       Jetzt bin ich frei. Und bald bin ich nichts mehr.

       Schön hüllt Vergessen mir die Seele ein;

       Ich seh' und hör' nur noch undeutlich wirr,

       Wie ein Ertrinkender. Sag', weißt Du wohl,

       Was ich mit diesem kleinen Dolch getötet?

       Nicht sie nur, – alle Herzen, die da schlagen,

       Alles was lebt, alles was grünt und blüht;

       Die Sterne löscht' ich aus, des Mondes Scheibe,

       Der Sonne Glut. Sieh hin, – sie will nicht kommen.

       Sie wird es nimmermehr; tot ist die Sonne.

       Nun ist der ganzen weiten Erde Kreis

       Verwandelt in ein kalt, unendlich Grab

       Mit grauer Wölbung, und zu dieser Wölbung

       Aufstarren wir, gehaßt von Licht und Dunkel,

       Von Tod und Leben, – ruhelose Schatten.

      Furia.

       Wir stehn am Ziele, Catilina!

      Catilina. Nein;

       Ein Schritt noch, und erst dann bin ich am Ziel.

       Nimm meine Last erst von mir! Siehst Du nicht:

       Mein Rücken ächzt von Catilinas Leiche!

       Treib einen Pfahl durch diesen Leichnam erst!

       (Weist ihr den Dolch.) Erlös' mich, Furia! Nimm diesen Pfahl; – Ihn trieb ich in des Morgensternes Auge. Nimm, nimm und ramm' ihn mitten durch den Leichnam, So wird er ohne Macht, – und ich bin frei.

      Furia (ergreift den Dolch.) Stirb, Seele, denn, die ich im Haß geliebt! Wirf ab Dein Irdisches und komm mit mir! (Sie bohrt ihm den Dolch tief in die Brust; er sinkt am Fuß des Baumes nieder.)

      Catilina (kommt nach einer Pause zur Besinnung, fährt mit der Hand über die Stirn und sagt mit matter Stimme:) O, nun was es, daß ich endlich, Geist, Dein Wort verstand! Fiel ich halb doch von der eignen, halb von fremder Hand. Nemesis tat ihre Pflicht. Nun birg mich, Todesnacht! Styx, auf Deinen Nacken nimm sie nun, die stille Fracht. Setz' sie über; trag den Nachen an sein Ziel sogleich, Nach der Heimat aller Schatten, nach des stummen Fürsten Reich. In zwei Pfade teilt der Weg sich dort; ich wende stumm Mich zur Linken –

      Aurelia (vom Zelt her, bleich und wankend, mit blutender Brust.) Nein zur Rechten! Gen Elysium!

      Catilina (fährt zusammen.) O, wie mir vor diesem lichten Bilde bangt und graut! Sag' mir, bist Du's selbst, Aurelia, die mein Auge schaut?

      Aurelia (kniet bei ihm nieder.) Ja, ich bin's und komme lindern Deiner Wunden Wehn, Lebe noch, um Brust an Brust mit Dir dahinzugehn.

      Catilina.

       O, Du lebst!

      Aurelia. Nur einer Ohnmacht Schleier fiel um mich;

       Doch mein Auge folgte matt Dir; alles hörte ich;

       Und mein Lieben gab mir wieder einer Gattin Kraft; –

       Brust an Brust, mein Teurer, sei es, daß der Tod uns rafft!

      Catilina.

       Könnt' es sein! Doch, ach, vergebens ist all Hoffen Dein.

       Lebe wohl! Mein Leben fordern die Erinnyen ein.

       Du magst frei und flüchtig eilen hin in Licht und Glück;

       Ich muß über des Vergessens Strom in Nacht zurück.

       (Im Hintergrunde bricht der Tag an.)

      Aurelia (zeigt auf die zunehmende Helle.) Vor der Liebe weicht des Todes Schrecken und des Todes Nacht. Sieh, schon flieht die Donnerwolke, und der Morgenstern erwacht. (Mit emporgestreckten Händen.) Sieh, das Licht siegt! Und der Tag bricht groß und strahlend an! Catilina, komm! Schon, fühl' ich, naht des Todes Bann. (Sie sinkt über ihn hin.)

      Catilina (drückt sie eng an sich und sagt mit letzter Kraft:) O, wie lieblich! Wiederkehrt mir mein vergessner Traum: Wie von Strahlenflut zerteilet ward mein Grabesraum, Wie's von Kindermund entgegen scholl dem jungen Licht. Ach, mein Arm wird schwach und schwächer, und mein Auge bricht; Aber hell ward mir's im Herzen, hell wie nimmerdar, Und auf meine wirren Wege blick' ich mild und klar. Ja, mein Leben war ein Nachtsturm wetterscheindurchloht; Doch ein rosiger Morgendämmer ward zuletzt mein Tod. (Beugt sich über sie.) Du vertriebst die Finsternisse; ruhig ward mein Sinn. Ziehn wir denn zum Reich des Lichtes und des Friedens hin. (Er reißt sich den Dolch rasch aus der Brust und sagt mit sterbender Stimme:) Sieh, des Morgens milde Mächte schaun versöhnt herab; Und besiegt durch Deine Liebe flieht die Nacht ins Grab!

       (Während des letzten Auftritts hat Furia sich mehr und


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