Über das Aussterben der Naturvölker. Georg Karl Cornelius Gerland

Читать онлайн книгу.

Über das Aussterben der Naturvölker - Georg Karl Cornelius Gerland


Скачать книгу
Leben so gut wie die spanischen Mexikaner betheiligen. Behm (114) schätzt diese auf 4,800,000. Natürlich geht dies Aussterben auch jetzt noch weiter, wofür v. Tschudi 2, 216 ein Beispiel gibt: die Malalies, ein araukanischer Stamm, 1787 noch über 500 Individuen stark, schmolzen in jener Zeit durch Kriege auf 26 Seelen zusammen. Obwohl sie nun 70 Jahre lang ansässig sind und ungefährdet gelebt haben, ist ihre Zahl doch nicht höher als auf einige über dreissig gestiegen.

      In Afrika sind es die Hottentotten zunächst, welche in den Kreis unserer Betrachtung hineingehören. Während sie früher sich weit hin in das Innere von Südafrika ausdehnten und in eine zahlreiche Menge von einzelnen Stämmen zerfielen, finden wir sie jetzt auf sehr viel kleinerem Gebiete und aufgerieben bis auf 3 Stämme, die Korana, Namaqua und Griqua (Waitz 2, 317 ff.), deren Zahl fortwährend im Fallen ist. Auch die Kaffern müssen hier erwähnt werden, denn im brittisch Kafraria hat sich 1857 die Bevölkerung um mehr als die Hälfte vermindert: sie betrug am Anfang des Jahres 104,721 Seelen und am Ende desselben nur noch 52,186 (Peterm. 1859 S. 79 nach dem Population Return v. John Maclean Chief Commissioner): nach Behm jedoch (100) 1861 74,648 Eingeborene.

      Es bleibt uns nun noch Australien und Ozeanien zu betrachten übrig, wo an vielen Orten die Bevölkerung rasch hinschwindet, so namentlich in Neuholland. Doch ist es gerade für dies Land schwer, ja ganz unmöglich, Zahlen aufzustellen, weil die Stämme fortwährend hin- und herziehen und daher alle Zahlangaben sehr wenig zuverlässig sind (Grey 2, 246). Die, welche Meinicke a 177 aufstellt, beweisen dies zur Genüge, und selbst die bei Behm (72) sind nicht sicherer. Nur von Südaustralien, Queensland und Viktoria hat er bestimmte Zählungsergebnisse und so ist seine Gesammtziffer 55.000 nur eine sehr ungefähre. Alle Quellen aber berichten einstimmig, dass die Bevölkerung wenigstens der Küsten reissend abnimmt; dass Stämme, welche früher nach Hunderten zählten, jetzt vielfach bis auf ebenso viel Zehner zusammengeschmolzen sind. Die Bevölkerung Tasmaniens betrug 1843 noch 54 Individuen, 1854 noch 16 (Nixon 18) und ist jetzt wohl ganz ausgestorben.

      Wenn auch nicht so reissend, so vermindern sich doch auch die Melanesier an verschiedenen Gegenden ihres Gebietes: so nach Reina (Zeitschr. 4., 360), die Völker der kleinen Inseln in der Nähe von Neuguinea: so nach D'Urville 5, 213 die Bewohner von Vanikoro, nach Turner 494 die Eingeborenen der neuen Hebriden, wie z.B. die Bevölkerung von Anneitum 1860, welche Turner auf 3513 Seelen schätzt, 1100 Menschen durch eine Masernepidemie verlor (Muray bei Behm 77) und die von Erromango 1842 durch eine gefährliche Dysenterie um ein Drittel vermindert wurde (Turner a.a.O.); und so finden sich noch verschiedene Angaben zerstreut.

      In Mikronesien ist die Bevölkerung der Marianen, welche bei Ankunft der Spanier 1668 mindestens 78,000 Einwohner gehabt haben, für die aber auch 100,000 durchaus nicht zu hoch gegriffen ist (Gulick 170) gänzlich ausgestorben. Schon um 1720 hatten die Inseln (und zwar nur noch die beiden südlichsten) nicht mehr als etwa 2000 Einwohner, und von diesen waren sehr viele von den Philippinen her verpflanzte Tagalen. Ponapi (Puynipet, Ostende der Karolinen) hatte nach Hale (82) 15.000 Bewohner, welche Annahme vielleicht etwas, aber nicht viel zu hoch ist[A]; jetzt hat sie (Gulick 358) noch 5000, Kusaie (Ualan) hatte 1852 12-1300, 1862 nur noch 700 Menschen (Gulick 245).

      In Polynesien betrug auf Tahiti die Bevölkerung zu Cooks Zeiten (1770) etwa 15-16,000 Seelen (G. Forster nach einer spanischen Beschreibung von Tahiti a.d. Jahre 1778 ges. Werke 4,211, Bratring 104, welcher derselben Quelle folgt oder wenigstens einer nahe verwandten). Dieselbe Zahl fand Wilson noch im Jahre 1797; Turnbull (259) gibt nur 5000 an im Jahre 1803, Waldegrave bei Meinicke b, 113 6000 für 1830 und Ellis 1, 102 für 1820 etwa 10,000, welche Zahl Virgin auch für 1852 angibt (2, 41). Mögen auch diese Zahlen unbestimmt und schwankend und Turnbulls Angaben negativ übertrieben sein: so viel ist sehr klar, dass seit der Entdeckung durch die Europäer die Entvölkerung dieser Insel, welche indess nach den Aussagen der Eingebornen (Virgin 2, 41) schon früher begonnen hatte, rasch fortgeschritten ist; bis unter die Hälfte der früheren Kopfzahl sinken die Angaben. Auf den übrigen Societätsinseln war das Verhältniss (Meinicke a. a. O.) ein ähnliches. Auch jetzt scheint das Aussterben, obwohl langsamer, fortzugehen: der offizielle französische Bericht für 1862 gibt für Tahiti 9086 Bewohner an (Behm 81).

      Auf Laivavai, einer der Australinseln, betrug die Bevölkerung 1822 mindestens 1200, 1830 nur noch etwa 120 und 1834 kaum noch 100 Seelen (Mörenhout 1, 143). Günstiger ist Meinickes Schätzung, welcher auf der ganzen Gruppe Ende 1830 etwa 5000 Seelen, für 1840 nur noch 2000 annimmt (a.a.O. 114). Rapa schätzte Vankouver 1795 auf 1500 Einwohner, Mörenhout (1, 139) 1834 nur noch auf 300 und diese waren in stetem Abnehmen. Auch die Herveygruppe, welcher Ellis 1, 102 10-11,000 Bewohner gibt, ist jetzt viel minder zahlreich bewohnt, namentlich Rarotonga, welches durch eine furchtbare Seuche im höchsten Grade gelitten hat (Williams 281).

      Ganz ebenso schlimm ist es in Hawaii, wo nach Ohmstedt 262, die Bevölkerung in den Jahren 1832-36 von 130,000 auf 102,000 Seelen, also in 4 Jahren um 28,000 Seelen gesunken ist! Mag Ohmstedt nun auch Recht haben, dass die Bevölkerungsziffer für 1836 zu gering ist, weil eine Menge Geburten nicht angezeigt worden sind: so ist das Hinschwinden trotzdem ganz ausserordentlich, zumal die Insel zu Cooks Zeiten, der 400,000 Einwohner angibt, wohl an 300,000 nach Jarves Berechnung (373) hatte. Die Zahlen bei Meinicke (b, 115-16 nach der Sandwich Isl. gazette) sind zwar nicht genau dieselben, das Verhältniss der Abnahme aber bleibt, auch wenn wir ihnen folgen, unverändert. Nach Virgin 1, 267 hatte die Hawaiigruppe 1823 etwa 142,000 Seelen, 1832 noch 130,313, 1836 108,579 und 1850 betrug die Zahl nur noch 84,165! also in 78 Jahren hat sich die Bevölkerung um ein Drittel gemindert und die Zahl der Geburten verhielt sich zu den Todesfällen wie 1:3! Auch jetzt noch schreitet die Verminderung fort: die Zahl der Eingeborenen betrug nach dem Census von 1860 nur 67,084 Seelen (Behm 85).

      Auch auf dem Markesasarchipel, dessen Bevölkerung nach Meinicke (b, 115) 22,000 Menschen beträgt, ist ein Hinschwinden bemerkt: so verlor Nukuhiva (Rodriguet in Revue de 2 mondes 1859 2, 638) von 1806-12 zwei Drittel seiner Bevölkerung durch Hungersnoth. Auf Neu-Seeland beträgt die Abnahme der Bevölkerung in den letzten 14 Jahren etwa 19-20 Percent; 1770 betrug sie etwa 100,000 und 1859 noch 56,000 (Hochstetter 474, nach Fenton). Nach offiziellen Berichten im Athenäum (Zeitschr. 9, 325), welche zu Hochstetters Angaben nicht ganz stimmen, war die Zahl der Eingebornen 1858 87,766, und zwar, auffallend genug, 31,667 Männer und 56,099 Frauen. Dagegen treffen die offiziellen Berichte von 1861 (Meinicke c 557) mit Hochstetter überein: denn sie geben 55,336 Eingeborene an. Letzteres ist wohl das richtigere. Nach Fenton (Reise der Novara 3, 178) verhielten sich bis gegen 1830 die Sterbefälle und Geburten zur Gesammtbevölkerung wie 1: 33,04 und 1: 67,12.

      Auf Samoa nimmt nach Erskine 104 die Bevölkerung, 37,000 Seelen, gleichfalls ab, und zwar soll die Abnahme nach den Berichten der Missionäre in 10 Jahren auf einer Insel von 4000 bis zu 3700 oder 3600 vorgeschritten sein (eb. 60).

      Auch die Pageh auf Engano, ein den Polynesiern ähnlicher malaiischer Stamm auf einer kleinen Insel südlich von Sumatra sterben aus nach Wallands Urtheil, der auf der Insel eine äusserst geringe Kinderzahl vorfand — nur fünf im Ganzen (Zeitschr. 16, 420).

       Inhaltsverzeichnis

      Indem wir uns nun anschicken, die Gründe für dies Hinschwinden aufzusuchen, wollen wir zuerst vernehmen, wie man sich über die Lebensunfähigkeit dieser Stämme geäussert hat. Pöppig (386) sagt von Amerika: »Es ist eine unbezweifelte Thatsache, dass der kupferfarbene Mensch die Verbreitung europäischer Civilisation nicht in seiner Nähe verträgt, sondern in ihrer Atmosphäre ohne durch Trunk, epidemische Krankheiten oder Kriege ergriffen zu werden, dennoch wie von einem giftigen Hauche berührt ausstirbt. Die zahlreichen Versuche der Regierungen haben Sitte und Bürgerthum unter jener Raçe nie einheimisch machen können, denn ihr fehlt die nöthige Perfektibilität. Dieser Mangel macht die durchdachten und menschenfreundlichen Pläne der Erziehung zu nichte und rechtfertigt den Vergleich jener Menschheit mit jener eine eigenthümliche Physiognomie tragenden, aber niederen Vegetation, die das dem


Скачать книгу