Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern. Jens-Uwe Martens

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Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern - Jens-Uwe  Martens


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Erleben und Verhalten wurde mir an einem Erlebnis deutlich, mit dem ich hier beginne:

      Die Spielsachen in der Garageneinfahrt

      In meiner Erinnerung ist es noch gar nicht so lange her, obwohl doch seitdem schon einige Jahrzehnte vergangen sind: Ich hatte damals zwei Kinder und wenn ich von anstrengenden Seminaren nach Hause fuhr, mich meistens an Freitagen durch dichten Verkehr quälte und Staus zu ertragen hatte, dann freute ich mich auf meine Familie und die Erholung in meinen eigenen vier Wänden. Bevor ich diese aber erreichen konnte, musste ich neben den schon erwähnten Hindernissen meistens auch noch erleben, dass die Einfahrt in meine Garage durch die Spielsachen meiner Kinder blockiert war. Da lagen achtlos liegen gelassene Fahrräder, Puppen, Raumschiffe und was sonst noch. Ich musste also erst einmal aussteigen und alles auf die Seite räumen, bevor ich in die Garage fahren konnte. Eine Kleinigkeit – aber es war nicht gerade eine Einstimmung auf den Feierabend, wie ich sie mir gewünscht hatte. Oft kam noch hinzu, dass es schon spät am Abend war, dass die Kinder schon im Bett lagen und ich sie daher nicht auffordern konnte, die Sachen selbst wegzuräumen.

      Am nächsten Tag habe ich dieses Thema angesprochen, obwohl es mir zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr so wichtig war. Ich hatte es mir ja vorgenommen! Vielleicht war mein erzieherisches Bemühen dadurch nicht so wirksam, und so brachte die Vereinbarung, die ich dabei mit meinen Kindern traf, – wenn überhaupt – nur kurzfristige Veränderungen. Und das Schlimmste ist, dass der Ärger bei der nächsten ähnlichen Erfahrung dadurch noch größer wurde, wahrscheinlich deshalb, weil ich mich jetzt auch noch über mich selbst ärgerte, da ich mich bei den Kindern offensichtlich nicht durchsetzen konnte. „Sollte ich bei meiner Erziehung grundsätzlich etwas ändern? Müsste ich nicht eigentlich viel strenger sein? Also bei meinen Eltern hätte es das nicht gegeben!“ So ging es mir durch den Kopf.

      Als ich wieder einmal von einem Seminar nach Hause kam, lag erneut die ganze Einfahrt voller Spielsachen. Ich musste mich schon bei der Autofahrt erheblich zusammen nehmen, um mich nicht über die Staus und die aggressiven Autofahrer zu ärgern. Jetzt auch das noch! Am liebsten wäre ich über alles hinweg gefahren, aber damit hätte ich sicher nicht nur die Spielsachen, sondern auch mein Auto beschädigt, und das wollte ich dann doch nicht tun. Ich stieg also aus und begann, zum wiederholten Male, die Sachen auf die Seite zu räumen. Ich bemerkte relativ spät, dass mir mein Nachbar zu Hilfe gekommen war. Wir hatten wenig Kontakt, weil ich so selten da war, aber ich wusste, dass er pensioniert war und dass seine zwei oder drei Kinder seit wenigen Jahren aus dem Haus waren. Als ich ihn bemerkte, ging ich zu ihm und begrüßte ihn. Er entschuldigte sich für sein Eingreifen: „Es macht Ihnen doch nichts aus, dass ich ein wenig helfe!? Wissen Sie, ich bin allein mit meiner Frau und ich vermisse solche Aufgaben so sehr. Ich würde gerne die Zeit zurückdrehen und noch einmal für meine Kinder da sein. Es ist schwer zu akzeptieren, dass Kinder nur eine Leihgabe sind, die man wieder hergeben muss. Genießen Sie die Zeit, in der Sie noch für Ihre Kinder sorgen können, es ist eine schöne Zeit und sie vergeht so schnell.“

      Mein Nachbar sprach so eindringlich, so voller Hingabe, dass ich mich der Wirkung seiner Worte nicht entziehen konnte. Eigentlich wollte ich mich ja bei ihm über meine Kinder beschweren, aber das passte jetzt wohl nicht mehr.

      Auch als ich schon beim Abendessen saß, gingen mir die Worte meines alten Nachbarn nicht aus dem Sinn und ich erzählte meiner Frau davon. Auch sie machte die Geschichte nachdenklich und wir waren uns bald einig, dass wir die Zeit, in der wir unsere Kinder genießen konnten, nicht durch den Ärger über Kleinigkeiten verderben sollten.

      Heute bin ich selbst in der Situation, in der mein Nachbar damals war. Meine Kinder sind aus dem Haus. Vielleicht ist das der Grund, warum mir die Geschichte wieder in den Sinn kommt. Wie Recht er doch hatte!

      1.1 Durch Veränderung von Einstellungen Ziele erreichen

      Durch den kurzen Kontakt mit meinem Nachbarn hat sich meine Stimmung völlig geändert. Ich war auf einmal nicht mehr ärgerlich auf meine Kinder, weil sie keine Rücksicht auf mich nahmen; ich war nicht mehr wütend auf mich,

      weil es mir nicht gelungen war, die Kinder so zu erziehen, wie ich mir das wünschte, oder gereizt gegenüber meiner Frau, weil sie doch auch darauf achten könnte, dass die Kinder die Spielsachen aufräumen. Das alles war von einem Moment auf den anderen verschwunden. Ich war nur noch dankbar, dass ich Kinder habe, die ich liebe und eine Familie, die auf mich wartet, wenn ich müde von der Arbeit nach Hause komme. Diese neue Orientierung erlebte ich als sehr viel angenehmer. Ich war auf einmal entspannt, wieder eins mit mir und meiner Situation, und auch meine Umwelt reagierte sehr viel harmonischer auf meine Ankunft, als sie das gewöhnlich tat.

      Was hat diese Veränderung bewirkt? Wenn man es genau nimmt, so ist es nur ein Gedanke, der von meinem Nachbarn – wahrscheinlich absichtslos – auf mich übertragen wurde. Ein Gedanke, der meine innere Orientierung veränderte. Natürlich war die Liebe zu meinen Kindern und zu meiner Frau, und die Dankbarkeit für die Familie auch in dem Moment in mir vorhanden, als ich mich über sie geärgert habe, aber diese Gefühle waren in den Hintergrund gerückt und im Vordergrund stand mein Ärger. Durch die Aussage des Nachbarn wurde eigentlich nur Vordergrund und Hintergrund ausgetauscht.

      Wäre das nicht ein Modell, mit dem man auch ohne fremde Hilfe die Einstellung zu seiner Umgebung und damit seine Stimmung, vielleicht sogar sein Lebensgefühl verändern und nach eigenen Wünschen gestalten könnte? Gelänge das auch ohne Hilfe von Außen, wenn ich mich das nächste Mal z. B. über einen jungen Polizisten ärgerte, der mich ungerechtfertigterweise von oben herab zurechtwies? Es wäre doch hilfreich, wenn ich in einer solchen Situation nicht wie gewöhnlich zu schimpfen anfinge, da ich mir doch klar darüber wäre, dass mein Ärger in solchen Umständen in keiner Weise hilfreich ist. Ich weiß doch eigentlich, dass der Polizist in der stärkeren Position ist und ich bis zu einem gewissen Grad seiner Willkür ausgeliefert bin.

      „Sicher müsste das gehen“, sagte ich mir. „Ich müsste nur einen anderen, versöhnlichen Gedanken in meinem Bewusstsein in den Vordergrund rücken, so wie es mein Nachbar bei mir gemacht hat.“ Ich entdeckte, dass ich mich nur in die Situation des Polizisten hineinversetzen müsste, um so einen Gedanken zu finden. Wie würde ich denken und fühlen, wenn ich in seiner Situation wäre? Welche Probleme hatte er wohl? „Wahrscheinlich ist er mir gegenüber unsicher. Ich bin deutlich älter als er, habe mehr in meinem Leben erreicht. Da ist es sicher nicht einfach, seinen Job auszuüben, wenn er darin besteht, andere Verkehrsteilnehmer auf ihre Fehler hinzuweisen. Natürlich könnte er das auf eine verbindlichere Art machen, aber wahrscheinlich tut er das nur deshalb nicht, weil er es nicht kann, weil er es nicht gelernt hat. Sicher ist es nicht sein Wunsch, mich zu ärgern, weil er eine Feindschaft zu mir aufbauen will.“ Solche Gedanken in den Vordergrund zu schieben, müsste einen ähnlichen Effekt haben wie die Aussage des Nachbarn in der Situation vor der Garage.

      Ich beschloss, das auszuprobieren. Allerdings kam ich nicht so bald in eine Situation, in der mich ein Polizist zurechtwies. Hielt ich mich vielleicht mehr an die Verkehrsregeln? War das etwa eine Auswirkung, die meine Überlegungen auf mein Verhalten hatten? Aber ich erlebte genug andere Situationen, die einen ähnlichen Effekt hatten und bei denen ich diese Technik der Verschiebung von Vordergrund und Hintergrund meiner Gedanken und Vorstellungen ausprobieren konnte. Da gab es z. B. die Situation auf der Autobahn. Ich habe ein schnelles Auto und wollte nach Hause. Ich setzte gerade zum Überholen eines Lastzuges an, als dieser den Blinker setzte und auf die linke Fahrspur wechselte, um den vor ihm fahrenden Lastwagen zu überholen. Ich musste scharf bremsen und ärgerte mich natürlich entsprechend. Am liebsten hätte ich den Lastwagen hinten gerammt. Aber da kam mir wieder diese Vordergrund-Hintergrund-Verschiebetechnik in den Sinn. Ich hatte genug Zeit zu überlegen: Ich versetzte mich in die Situation des Lastwagenfahrers, der wahrscheinlich schon seit langer Zeit hinter dem anderen Lastwagen herfuhr; der gerne schneller fahren würde, und der immer auf eine Lücke in dem ihn überholenden Verkehr gewartet hat, ohne dass sich eine Möglichkeit ergab, den langsameren Kollegen zu überholen. Er ist sicher schon Stunden unterwegs, in der Fahrerkabine seines Lastwagens ist es laut und er hat noch Stunden vor sich, bevor er sein Ziel erreicht. Ist es da nicht verständlich, dass er die nächste mögliche Chance nutzt, auf die Überholspur zu wechseln, auch wenn damit zwar ein PKW zum Bremsen gezwungen wird, er aber eigentlich niemanden gefährdet? „Würdest Du


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