Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern. Jens-Uwe Martens

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Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern - Jens-Uwe  Martens


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Bekannte nach ihrem Beruf. Einem Gast, der uns als „erfolgreicher Unternehmer“ vorgestellt wird, werden wir anders gegenübertreten als einem Gesprächspartner, der als „Hausmann“ bezeichnet wurde. Wir müssen uns daher nicht bei jedem Menschen, dem wir begegnen und der Platz in unserem Bewusstsein einnimmt, neu überlegen, was wir von ihm zu halten haben. Wir beurteilen ihn aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit. Wenn wir z. B. wissen, dass er Italiener ist, dass er ein Intellektueller ist, dass er sehr wohlhabend (ein „Millionär“) ist, dann haben wir meist bereits ein Bild von ihm und können ihn besser einschätzen. Das ist sehr praktisch, da es das Fällen eines Urteils über diesen Menschen wesentlich beschleunigt, aber wir werden diesem Menschen selten damit gerecht. Ich fragte mich, ob meine Einstellungen nicht eigentlich die Funktion haben, dass ich gegenüber meiner Umwelt nicht mehr unvoreingenommen reagieren kann!

      Wir beziehen bei der Beurteilung von Menschen – wie Untersuchungen immer wieder zeigen – auch Wahrnehmungen mit ein, auf die wir in Form eines bedingten Reflexes positiv oder negativ reagieren, obwohl sie nichts mit einer „gerechten“, rational begründbaren Beurteilung zu tun haben – und das wird uns meist gar nicht bewusst. Wir schätzen z. B. Menschen, die uns attraktiv erscheinen, positiver ein, wir vertrauen ihnen leichter, wir reagieren freundlicher auf sie, als auf solche, die uns unattraktiv erscheinen. Hier mischen sich also Signalreaktionen und Verhaltenstendenzen. Insofern kann man von einer „gerechten Beurteilung“, die versucht, das Gegenüber so zu sehen, wie es ist, kaum sprechen.

      Diese Tendenz, unsere Wahrnehmung in Klassen einzuteilen, die wir dann einheitlich beurteilen, macht sich nicht nur bei der Begegnung mit Menschen bemerkbar: Unsere Einstellungen ordnen die Welt um uns herum und geben uns eine nützliche Orientierung.

      Wir haben Einstellungen zu

      ● Einzelpersonen (unserer Partnerin oder unserem Partner, zu uns selbst)

      ● Personengruppen (z. B. den Amerikanern, den Punks)

      ● Institutionen (z. B. der Kirche, der Familie, der Firma, dem Staat)

      ● gedanklichen Konzepten (z. B. der Demokratie, der Freiheit)

      ● Zielsetzungen (z. B. der Raumfahrt, dem Umweltschutz)

      ● Situationen (z. B. der Freundschaft, dem Unglück)

      ● Handlungsweisen (z. B. Rauchen oder Sport) und vielem anderen.

      Auch das, was wir als „Werte“ bezeichnen, sind letztlich nach unserer Definition Einstellungen, z. B.:

      Vertrauen: positive Einstellung zu bestimmten Personen mit der Erwartung, dass deren Verhalten unseren Normen entspricht und somit vorhersagbar ist.

      Motivation: positive Einstellung, ein gutes Gefühl zum eigenen Verhalten mit der Erwartung, dass dieses Verhalten zu gewünschten Konsequenzen führt.

      Loyalität: positive Einstellung zu einer Institution und den Menschen, mit deren Zielen und Werten man sich verbunden fühlt.

      2.5 Bestimmungsstücke von Einstellungen

      Je mehr ich mich mit Einstellungen beschäftigte, desto deutlicher wurde mein Eindruck, dass unser Verhalten offensichtlich von ihnen beherrscht wird. Ich musste mich also über meine Einstellungen klar werden, wenn ich ein bewusst gesteuertes Leben führen wollte. Bevor ich allerdings daran ging, die einzelnen Einstellungen zu untersuchen, die mein Verhalten bestimmten, wollte ich die Kategorien kennenlernen, mit denen man Einstellungen kennzeichnen kann.

      Die Qualität, die Stärke und Dauerhaftigkeit von Einstellungen sowie einige andere Eigenschaften dieses hypothetischen Konstruktes unterscheiden sich darin, worauf sich diese Einstellungen beziehen, wie sie entstanden sind und welche Funktionen sie für uns haben.

      Einstellungen unterscheiden sich

      ● in der Intensität: Es gibt Einstellungen zu bestimmten Objekten, z. B. zum Rauchen, die einige Personen sehr heftig reagieren lassen. Daher wird auf eine stark ausgeprägte affektive Komponente geschlossen. Man spricht auch von der Intensität der Einstellung.

      ● in der Differenziertheit: Es könnte sein, dass derjenige, der sehr heftig gegenüber Rauchern reagiert, dies nur in ganz spezifischen Situationen tut oder nur ganz spezifische Formen des Rauchens, z. B. das Rauchen von Zigarren, ablehnt. Man spricht dann von einer differenzierten Einstellung.

      ● in der Vernetzung zu anderen Einstellungen: Verschiedene Einstellungen stehen nicht unverbunden nebeneinander. Die Einstellung zum Rauchen hängt z. B. mit der Einstellung zu gesundem Verhalten, zur Zigarettenindustrie, zur Toleranz usw. zusammen.

      ● in der Nähe zum Selbstbild: Jeder Mensch hat auch ein Bild von sich selbst. Er definiert sich selbst in bestimmter Weise, er ist z. B. ein überzeugter Demokrat oder ein Intellektueller, ein Einzelkind usw. Dieses Bild, das man von sich selbst hat, wird auch von Einstellungen bestimmt. Eine Einstellung kann sich mehr oder weniger auf das Selbstbild beziehen.

      Je ausgeprägter die affektive Komponente, die Intensität, die Differenziertheit, die Vernetzung zu anderen Einstellungen und die Nähe zum eigenen Selbstbild sind, desto schwerer sind solche Einstellungen zu verändern. Wenn alle diese Komponenten eine starke Ausprägung besitzen, dann lassen sich solche Einstellungen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verändern.

      2.6 Verstand und Gefühl

      Bisher habe ich hier vor allem die wertende und damit die gefühlsmäßige Seite der Einstellungen in den Vordergrund gestellt. Wenn wir an eine bestimmte Einstellung, wie z. B. unsere Einstellung zum Rauchen denken, dann fallen uns auch eine Reihe von rationalen Begründungen ein, warum wir so und nicht anders auf das Rauchen oder die Raucher reagieren. Wie sieht es mit dieser kognitiven Seite der Einstellungen aus? Sind nicht Einstellungen letztlich doch rational begründbar?

      Der russische Winter

      Als die russisch-finnische Grenze neu festgelegt wurde, verlief sie mitten durch das Gehöft eines Bauern. Man erklärte ihm die Sachlage und stellte ihn vor die Wahl: Er könne entscheiden, ob sein Hof in Zukunft zu Russland oder zu Finnland gehören sollte.

      Der Bauer erbat sich Bedenkzeit. Nach einigen Wochen erklärte er, er habe sich die Sache gründlich überlegt, aber er möchte lieber in Finnland wohnen. Einige Russen waren in ihrem Stolz gekränkt und bedrängten ihn, er solle sich die Sache noch einmal überlegen, er sollte sich doch für Russland entscheiden, das hätte doch so viele Vorteile für ihn.

      Der Bauer hörte geduldig zu und sagte zuletzt: „Ihr habt ja so Recht. Es war auch keine leichte Entscheidung für mich. Es war schon immer mein Wunsch bei Mütterchen Russland zu wohnen. Aber in meinem Alter kann ich einfach keinen dieser russischen Winter mehr durchstehen.“

      Der Bauer hat seine Entscheidung begründet, aber – wie an diesem Beispiel wunderbar deutlich wird – ist keine rationale Begründung für seine Entscheidung verantwortlich, sondern sein Bild vom „russischen Winter“, welcher sich objektiv gesehen nicht vom finnischen Winter unterscheidet.

      Die Tatsache, dass eine Einstellung die Bildung einer Abstraktion, also eine kognitive Leistung, voraussetzt, könnte als Begründung dafür dienen, dass Einstellungen (im Gegensatz zu emotionalen Reaktionen auf konkrete, spezifische Wahrnehmungen) immer auch eine kognitive Komponente haben. Wir können in der Regel Argumente angeben, warum wir eine bestimmte Einstellung haben. Das heißt nicht, dass diese Argumente ausschlaggebend sind, oder die eigentliche Begründung für die spezifische Einstellung darstellen. Die „Begründung“ kann auch nur in unserer Vorstellung bestehen, wie in der Geschichte mit dem „russischen Winter“. Wie viele Experimente gezeigt haben, bilden wir uns zwar oft ein, dass wir rational gesteuerte Wesen sind, die aufgrund vernünftiger Überlegungen handeln – aber dies ist genauso oft eine Selbsttäuschung. Wir reagieren meist emotional, aufgrund von Wertungen, die keine rationale Begründung haben und die uns oft gar nicht bewusst sind.

      Einstellungen haben also immer eine kognitive und eine affektive Komponente.

      Abb. 1: Die zwei Komponenten einer Einstellung

      2.7


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