Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern. Jens-Uwe Martens
Читать онлайн книгу.glaubt, für richtig hält, als Tatsache annimmt
Betrachtungsweise: regelmäßige, gewohnheitsmäßige Gedanken und Beurteilungen über ein bestimmtes Thema; aus ihnen entstehen Einstellungen
Blickwinkel: Betrachtung eines Gegenstandes oder einer Idee aus einer bestimmten Richtung, auch übertragen, s. Sicht, Sichtweise
Denkart, Denkweise: „Denke“, die Art und Weise zu denken; hiermit wird die kognitive Seite einer Einstellung beschrieben
Dafürhalten: für wahr halten
Einsicht, Erkenntnis: aufgrund von Überlegungen gewonnenes Verständnis für oder Verstehen von etwas; hiermit wird wie bei „Denkweise“ der kognitive Aspekt von Einstellung beschrieben
Geist, geistige Haltung, Geisteshaltung: grundsätzliche Einstellung gegenüber jemandem oder etwas
Glaubenssätze: Interpretationen, die wir für richtig halten, obwohl sie nicht wissenschaftlich beweisbar sind
Haltung, Gesinnung: das durch Einstellung geprägte Denken, Handeln, Auftreten, Verhalten, das sich gewohnheitsmäßig zeigt; Synonym für Einstellung
Ideologie: an eine soziale Gruppe o. ä. gebundene Weltanschauung, Grundeinstellung, Wertung
Mentalität: die einem bestimmten Einzelnen oder einer Gruppe eigene Art zu denken und zu fühlen
Image: das Bild, das man sich von einer Person, einer Gruppe oder einer Sache (einem Produkt) macht
Innere Repräsentation (NLP), die innere Landkarte von sich oder von etwas, innere Bilder, persönliche Konstrukte: ein Modell der Wirklichkeit, an dem wir uns orientieren
Position: Standpunkt, hier: geistiger Standpunkt
Sicht, Sichtweise: Betrachtungsweise, Sehweise, Anschauungsweise; Synonym für Einstellung
Standpunkt: Art und Weise, wie jemand einen bestimmten Sachverhalt sieht, beurteilt; Synonym für Einstellung
Überzeugung: Gewissheit, feste Meinung, die man durch jemanden oder durch eigene Prüfung oder Erfahrung gewonnen hat
Urteil: sorgfältig abgewogene Meinung
Vorstellung: das in jemandes Bewusstsein auftretende, nicht auf unmittelbare Wahrnehmung beruhende Abbild der Wirklichkeit; Bild, das sich jemand in seinen Gedanken von etwas macht. Um die Vorstellungen, die uns beeinflussen, von den flüchtigen inneren Bildern abzugrenzen, sprechen einige Autoren (z. B. Mücke 2004) auch von „handlungsleitenden Vorstellungen“
Vorurteile: nicht objektive, meist negative oder gar von feindseligen Gefühlen bestimmte Meinung, die sich jemand ohne Prüfung der Tatsachen voreilig, im Voraus über jemanden oder etwas gebildet hat
Wertorientierung, Werthaltung: Ausrichtung seines Denkens, Wahrnehmens und Handelns an positiven oder negativen Werten; laut Graumann: zentraler, überdauernder als Einstellungen
Wertung: das Schätzen oder die Ablehnung einer Idee, eines Gegenstandes, einer Person oder Personengruppe
Weltanschauung, Weltbild: eine bestimmte Art, die Welt, die Natur und das Wesen des Menschen zu begreifen
2.3 Einstellungslernen und Signallernen
Einstellungen sind also „wertorientierte“ oder „affektive“3 Reaktionen auf unsere Umwelt. Es gibt allerdings auch solche Reaktionen, die man sinnvollerweise nicht auf Einstellungen zurückführt, da sich ihr Entstehungsprozess und dementsprechend auch ihre Beeinflussung grundlegend von den Einstellungen unterscheiden.
In Experimenten mit Tieren konnte man nachweisen, dass auch sie gelernte „affektive Reaktionen“ zeigen. Bekannt geworden sind die Experimente von Pawlow (Schwartz, 1988). Pawlow hat bei einem Hund ein bestimmtes Gefühl ausgelöst, indem er ihm ein Stück Fleisch vor die Nase gehalten hat. Die sichtbare Reaktion war eine Speichel- und Magensaft-Produktion, die er gemessen hat. Nachdem er einige Male gleichzeitig mit dem Zeigen des Fleisches eine Glocke geläutet hatte, reichte die Glocke später alleine aus, um die Produktion des Speichels und des Magensaftes anzuregen.
Nicht nur Tiere lernen auf diese Weise auf bestimmte Reize (der Glockenton beim Pawlow’schen Hund) zu reagieren, auch bei Kindern kann man das schon in den ersten Wochen beobachten. Beim Anblick des Gesichtes der Mutter lächelt ein Kleinkind, obwohl wir dem Kleinkind oder Tieren noch keine Einstellungen zusprechen. Solche gefühlsmäßigen Reaktionen auf bestimmte Reize – wir sprechen auch von Signalen – treten bei allen Lebewesen, auch beim erwachsenen Menschen auf. Dies geschieht ohne Beteiligung bewusster Überlegungen, gleichsam automatisch. Wir sprechen auch von einem bedingten Reflex.4 Immer dann, wenn wir ein paar Male eine Wahrnehmung haben und gleichzeitig bestimmte Gefühle bei uns ausgelöst werden, dann verbinden wir die Wahrnehmung mit diesem Gefühl. Wenn wir z. B. eine Speise ablehnen, weil sie nicht gut riecht oder weil wir ihr Aussehen mit unangenehmen Erfahrungen verbinden, wenn wir Angst bekommen, weil uns ein zähnefletschender Hund gegenübertritt, dann handelt es sich um Reaktionen auf Signale. Wir reagieren jeden Tag auf unzählige konkrete Wahrnehmungen mit bestimmten Gefühlen – häufig jedoch, ohne dass uns das bewusst wird. Die Wahrnehmung von Gerüchen, von Farben, von sexuellen Reizen usw. lösen bestimmte, meist flüchtige Gefühle aus, die unser Verhalten durchaus beeinflussen.
Einstellungen richten sich im Gegensatz zu Signalreaktionen auf Klassen von Wahrnehmungen. Wir haben z. B. eine Einstellung zu Lehrern: Damit meinen wir nicht die Reaktion auf das Bild eines bestimmten Lehrers, sondern aller Lehrer oder sogar die Vorstellung von Lehrern. Wir reagieren allerdings auch emotional auf den spezifischen, strengen Blick eines Lehrers, dann handelt es sich um ein Signal. Das wird uns in der Regel erst dann bewusst, wenn sich die Tendenzen, die durch unsere Einstellung und durch unsere Signalreaktion ausgelöst werden, in ihrer Richtung widersprechen. Wenn wir z. B. gegenüber farbigen Afrikanern eine negative Einstellung haben, wir aber einen Farbigen kennenlernen, dessen Aussehen uns sehr sympathisch vorkommt, dann müssen wir entscheiden, nach welcher Gefühlsreaktion wir unser Verhalten ausrichten:
Sind wir freundlich, weil unser Gegenüber ein so sympathisches Aussehen hat (= Signalreaktion) oder sind wir skeptisch bis abweisend, weil es sich um einen Farbigen handelt (= Reaktion aufgrund einer Einstellung)?
Wir unterscheiden also bei der Definition von Einstellungen, worauf sich die wertende Reaktion einer Person bezieht. Wenn sie sich auf eine konkrete Wahrnehmung bezieht, so sprechen wir von Signalen, und entsprechend wird das Erwerben dieser Reaktionen als Signallernen bezeichnet. Wenn sich die Reaktion auf eine Abstraktion bezieht, so sprechen wir von Einstellungen und beim Erwerb solcher Reaktionen von Einstellungslernen.
Die Tatsache, dass wir hier zwischen Gefühlsreaktionen auf Signale und aufgrund von Einstellungen unterscheiden, hat vor allem praktische Gründe. Signale werden anders gelernt und müssen daher auch mit anderen Techniken verändert werden als Einstellungen. Wer sich mehr für Gefühlsreaktionen interessiert, die auf Signallernen oder dem Erwerb eines bedingten Reflexes beruhen, dem seien Bücher empfohlen, die sich mit neurolinguistischem Programmieren (NLP) beschäftigen. Viele Techniken dieser weit verbreiteten Richtung der Verhaltensbeeinflussung beziehen sich auf Signallernen bzw. dem bedingten Reflex (z. B. von Steve Andreas und Charles Faulkner 2006: „Praxiskurs NLP“, oder Anthony Robbins 2004: „Grenzenlose Energie“).
2.4 Der Gegenstand der Einstellung
Durch die Beschäftigung mit Einstellungen wurde mir klar, wie die Beurteilung von Menschen oder Phänomenen in unserer Umwelt abläuft und dass es sich dabei durchaus nicht immer um rational begründete, „vernünftige“ Bewertungen handelt, wie ich mir das eingebildet und oft gegenüber Kritikern vehement verteidigt habe.
Wir teilen offensichtlich unsere wahrgenommene Umwelt
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Wir sprechen hier von „affektiven“ Reaktionen oder später von „affektiven“ Lernzielen, weil sich das in der Literatur so eingebürgert hat. Man hat den englischsprachigen Begriff von Bloom (learning objectives in the affective domain) eingedeutscht, obwohl „emotional“ oder „gefühlsmäßig“ sicher die bessere Übersetzung gewesen wäre, da „Affekt“ im Deutschen eine außergewöhnlich starke seelische Erregung (z. B. in der Redewendung „aus dem Affekt handeln“) bedeutet.
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Ein bedingter Reflex kann auch bei der Aktivierung von psychischen Systemen und damit bei der Entwicklung der Persönlichkeit eine wesentliche Rolle spielen. Wenn häufig gleichzeitig das Selbstsystem, das System, mit dem wir uns identifizieren und das Motivationssystem, das System, das uns tätig werden lässt, aktiviert werden, so wird dadurch eine enge Verbindung beider Systeme erreicht. Das führt z. B. dazu, dass immer dann das Motivationssystem aktiviert wird, auch das Selbstsystem aktiv ist und der Betreffende dadurch Zugang zu seinen im Selbstsystem gespeicherten Erfahrungen hat. (Martens, Kuhl, 2008).