Einstellungen erkennen, beeinflussen und nachhaltig verändern. Jens-Uwe Martens
Читать онлайн книгу.produziert werden können […] und sie kommen ohne Betriebsanleitung auf die Welt.“ Wir wollen hier keine Betriebsanleitung schreiben, ich will Ihnen einen Weg aufzeigen, wie es mir gelungen ist, einige Fehlfunktionen „umzuprogrammieren“. Ich möchte Ihnen damit eine Technik an die Hand geben, die Sie sicher auch bei Ihren Kunden, bei Ihren Mitarbeitern, bei Ihren Kindern, bei den Teilnehmern Ihrer Veranstaltungen usw. anwenden können.
Nichts kann den Menschen mit der richtigen inneren Einstellung daran hindern, sein Ziel zu erreichen; nichts auf der Welt kann dem Menschen mit der falschen inneren Einstellung helfen.
1.4 Der Einfluss der Einstellungen auf die Wahrnehmung
In dem vorhergehenden Abschnitt wurde behauptet, dass wir unsere Stimmung weitgehend und jederzeit beeinflussen können. Aber ist das nicht völlig übertrieben? Letztlich sind wir von dem abhängig, was wir erleben, was uns umgibt, was durch unsere Wahrnehmung unser Bewusstsein erreicht. Vieles spricht dafür, dass es so ist. Aber sind wir tatsächlich von dem abhängig, was wir wahrnehmen?
Auch dazu möchte ich eine Geschichte erzählen:
Ein Erlebnis im Ausflugslokal
Ich war auf einer kleinen Wanderung. Es war ein schöner Tag und viele Wanderer hatten sich ein kleines Gartenrestaurant zum Ziel gewählt. Der einzige Weg dorthin führte durch einen Wald. Das Lokal war sehr gut besucht und die Tische auf der Terrasse waren eng gestellt. Man musste sich nicht besonders anstrengen, um die Gespräche an den Nachbartischen mit anzuhören. Dabei wurde deutlich, dass zwar alle den gleichen Weg zu diesem Restaurant gegangen waren, dass sie aber offensichtlich alle etwas anderes gesehen hatten: Da gab es Wanderer, die davon berichteten, dass sie eine Reihe von Umweltschäden bemerkt hatten, andere berichteten davon, dass dieser Wald ein „Pilz-Eldorado“ sein müsste und dass man noch einmal zum Pilzesammeln wiederkommen sollte. Wieder andere hatten offensichtlich nur Augen für die Schönheit der Natur, einige waren offensichtlich Jäger und sahen die Wildspuren auf dem Weg zu dem Restaurant.
Aber es gab auch Tische, an denen man sich nicht über die Beobachtung auf der Wanderung unterhielt, sondern sich sorgenvoll über die politische Entwicklung äußerte oder die Entwicklung der Aktienkurse diskutierte.
Eigentlich gingen alle Wanderer den gleichen Weg zu dem Restaurant und müssten ungefähr das Gleiche gesehen haben und doch unterschied sich das, was in ihr Bewusstsein gekommen war, ganz wesentlich. Wie kann man das erklären?
Unsere Einstellungen haben die Angewohnheit, dass sie unsere Wahrnehmung beeinflussen. Wir sehen vor allem oder sogar ausschließlich das, was unsere Einstellungen bestätigt. Ein Pessimist sieht z. B. nur die negativen Seiten des Lebens, ein Umweltschützer vor allem die Sünden an der Umwelt. Wenn wir uns auf die entgegengesetzte Seite konzentrieren, dann ändern wir dadurch wenigstens teilweise auch unsere Einstellung.
Wahrnehmung kann man auf verschiedenen Ebenen betrachten:
1. Die physikalische Seite der Wahrnehmung: Elektromagnetische Wellen treffen unser Auge, Schallwellen treffen unser Ohr.
2. Die körperliche Seite der Wahrnehmung: Nervenimpulse kommen im Gehirn an.
3. Die gehirnorganische Seite der Wahrnehmung: Das Gehirn verarbeitet die eingehenden Impulse:
─ Es vergleicht die eingehenden Impulse mit gespeicherten Mustern.
─ Manche werden bewusst, manche nicht beachtet.
─ Bei den Mustern, bei denen das Gehirn eine Bedeutung findet, ist die Chance relativ groß, dass die Wahrnehmung bewusst wird.
4. Eine Wahrnehmung mit Bedeutung wird bewertet. Die Bewertung findet aufgrund von Kategorien statt. Eine wichtige Quelle für solche Kategorien sind unsere Einstellungen.
Daraus lassen sich zwei Konsequenzen ableiten, die eine große Bedeutung für unser tägliches Leben haben:
1. Wir sind kein passives Opfer der Reize, die uns erreichen. Wir können unsere Wahrnehmung beeinflussen, indem wir unsere Konzentration auf bestimmte Wahrnehmungen lenken, und diese Wahrnehmung bewerten, indem wir dafür Kategorien festlegen oder verändern.
2. Wir schaffen damit unsere (wahrgenommene, bewusst gewordene) Wirklichkeit selbst. Aus dieser Überlegung ist eine philosophische bzw. eine psychologische Schule entstanden: der Konstruktivismus.
Alle seine Vorstellungen und Begriffe sind bloß seine Geschöpfe, der Mensch denkt mit seinem Verstand ursprünglich, und er schafft sich also seine Welt.
2 Was versteht man unter Einstellungen?
Ein Schlüsselwort für die oben geschilderten Erfahrungen war also die innere Einstellung. Sehr schnell entdeckte ich allerdings, dass dieser Begriff zwar im täglichen Leben häufig vorkommt, dass er aber sehr unterschiedlich gebraucht wird. Daher werde ich diesen Begriff im Folgenden präzisieren.
2.1 Definition von „Einstellung“
In dem Buch „Die Kunst der Selbstmotivierung“, das ich gemeinsam mit Julius Kuhl geschrieben habe, definieren wir Einstellung folgendermaßen:
Einstellungen sind gefolgerte Grundlagen von beobachteter Gleichförmigkeit des Verhaltens eines Individuums. Man sieht in den Einstellungen überdauernde Systeme positiver oder negativer Wertschätzung, Gefühle und Handlungs- und Wahrnehmungstendenzen gegenüber Objekten, Personen oder Personengruppen.
Einstellungen haben demnach folgende Merkmale:
1. Sie beeinflussen unsere Art des
─ Fühlens,
─ Wahrnehmens und
─ Handelns
2. Sie sind relativ dauerhaft; wenn wir uns nur kurzfristig und einmalig (nicht immer wieder) über jemanden ärgern, ist die Ursache dafür nach dieser Definition keine Einstellung.1
3. Sie sind wertorientiert oder „affektiv“, sie bestimmen die Bewertung unserer Umwelt; wenn wir eine Beurteilung nur aufgrund von (kognitivem) Wissen vornehmen, wenn wir z. B. ein Produkt nur aufgrund des günstigeren Preises bevorzugen, so sprechen wir nicht von Einstellung.
4. Sie variieren zwischen Individuen, Gruppen und Kulturen: Was wir als „typisch“ für eine bestimmte Gruppe, ein bestimmtes Volk oder eine bestimmte Kultur bezeichnen, sind meist deren Einstellungen bzw. unsere Einstellung zur Gruppe.
5. Sie sind hypothetische Konstrukte; nicht direkt beobachtbar, sondern nur aus gleichgerichtetem Verhalten zu erschließen. Mit ihnen lassen sich Vorhersagen für künftiges Verhalten machen: Wenn jemand immer wieder in gleicher Weise z. B. auf die katholische Kirche reagiert, alles, was mit ihr zusammenhängt, ablehnt, dann schließt man daraus, dass er eine negative Einstellung zur katholischen Kirche hat. Einstellungen sind demnach vermittelnde Variablen zwischen Reiz (katholische Kirche) und Reaktion (das ablehnende Verhalten). Wir beschäftigen uns hier mit den Einstellungen, obwohl sie als „hypothetische Konstrukte“ nur schwer fassbar sind, weil wir durch deren Beeinflussung den Schlüssel für unsere Sicht- und Verhaltensweisen und damit für unseren Erfolg, bis zu einem gewissen Grad sogar für unser Schicksal in den Händen haben.2
2.2 Eingrenzung des Begriffs der Einstellung
Es gibt eine Reihe von Begriffen, die Ähnliches oder das Gleiche wie Einstellungen bedeuten. Da ich in diesem Buch immer wieder auch solche Begriffe verwenden werde und die Begriffe oft mit unterschiedlichem Bedeutungsgehalt gebraucht werden, beschreibe ich sie in Abgrenzung zum Begriff Einstellung, wie ich ihn hier gebrauche.
Annahme, Vermutung: Bedeutung, die wir einem Gegenstand unserer Aufmerksamkeit geben, obwohl wir keine sicheren Erkenntnisse haben Anschauung, Auffassung:
1
Im Englischen unterscheiden wir kurzfristige und langfristige Orientierungen: set = kurzfristige Einstellung und attitude = langfristige Einstellung. In jüngster Zeit spricht man im englischen Sprachraum oft auch von „mindset“ (C. S. Dweck, 2008), worunter weitgehend „attitude“ bzw. Einstellung verstanden wird.
2
Natürlich ist hier nur der Begriff definiert, wie er in der Psychologie gebraucht wird. „Einstellungen“ gibt es auch in anderen Fachbereichen:
– im Arbeitsbereich versteht man darunter die Begründung eines Anstellungsverhältnisses,
– beim Filmen versteht man darunter eine kurze Aufnahme ohne Wechsel der Perspektive innerhalb eines längeren Films,
– in der Medizin versteht man darunter eine optimale Dosierung eines Medikaments für einen bestimmten Patienten und
– in der Rechtsprechung versteht man darunter die Beendigung eines Verfahrens.