Ludwig IV. der Bayer. Martin Clauss

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Ludwig IV. der Bayer - Martin  Clauss


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verheiratet. Beide Söhne wurden also mit Prinzessinnen vermählt, den Töchtern der Könige von Dänemark und Sizilien; hier werden die dynastischen Ansprüche des Wittelsbachers und die Tatsache deutlich, dass Ludwigs Königtum in Europa Anerkennung fand.

      Über die Töchter aus der ersten Ehe Ludwigs wissen wir weit weniger als über die Söhne; in der patriarchalen Welt des Mittelalters lag das politische Interesse und damit auch der Fokus der Quellen auf den Männern. Für eine Tochter von Beatrix und Ludwig ist nicht einmal ein Name überliefert, zwei weitere – Anna und Agnes – starben sehr jung. Die älteste Tochter – das erste Kind – Mechthild heiratete 1328 den Markgrafen Friedrich II. von Meißen.

      Nach dem Tod seiner ersten Frau 1322 heiratete Ludwig – inzwischen römisch-deutscher König – im Jahr 1324 die Tochter des Grafen Wilhelm von Holland und Hennegau: Margarete. Aus dieser Ehe, die bis zum Tod Ludwigs 1347 anhielt, gingen zehn Kinder hervor: Margarete, Anna, Ludwig VI. – nach seinem Geburtsort ›der Römer‹ genannt –, Elisabeth, Wilhelm I., Albrecht I., Otto V., Beatrix, Agnes und wieder ein Ludwig; der dritte Sohn dieses Namens ist kurz nach seiner Geburt verstorben. Politischen Einfluss gewann Margarete nach dem Tod ihres Bruders, der sie zur Erbin von Holland und Hennegau machte. Auch über die zweite Ehe Ludwigs lassen die Quellen keine Aussagen zu. Mitunter wird in der Forschung aus der hohen Kinderzahl auf den Zustand der Ehe geschlossen, was methodisch freilich fragwürdig ist.

      Ludwig IV. und seine Nachkommen

      

      Schwarze oder rote Haare? – Ludwigs Aussehen

      Wir wissen nicht, wie Ludwig IV. genau ausgesehen hat. Zeitgenössische Abbildungen unterliegen immer dem Verdacht, die Wirklichkeit einem Ideal zu unterwerfen. Und selbst wenn man etwa das Ludwig-Portrait des Kanzleinotars Leonhard von München aus dem Jahr 1339 für realistisch halten will, vermittelt es doch nur einen sehr vagen Eindruck vom Aussehen des Kaisers.

      Auch textliche Beschreibungen helfen nur bedingt weiter: »Es war aber der Kaiser Ludwig körperlich groß und wohlgestaltet. Ihn hatte die Natur zum Regieren geschaffen […]. Er war von geradem und hohem Wuchs und hatte einen biegsamen Nacken, der wie halb nach oben gereckt war. Die Stirn war breit und heiter, frei und offen, die Augen klar, groß, durchdringend und von anziehender Freundlichkeit, die Oberlippe aufwärts gebogen, Haupthaar und Bart reichlich lang, schwarz und kraus, die Gesichtsfarbe weiß und rot: Kurz, er war sehr schön am ganzen Körper, und liebenswürdig war sein Gesichtsausdruck.«4 Mit diesen Worten beschreibt Heinrich von Herford, ein Zeitgenosse Ludwigs, den Kaiser. Ob er ihn jemals mit eigenen Augen gesehen hat, ist ungewiss. Dieses Herrscherportrait macht uns die Zeitgebundenheit ästhetischer Deutungen und die enge Verbindung von Wertung und Beschreibung einer Person klar. Wir haben es hier also weniger mit einer objektiven Beschreibung denn mit einer Typisierung zu tun: Der gute Herrscher ist schön.

      Seine zunächst positive Beschreibung Ludwigs verkehrt Heinrich von Herford am Ende seiner Schilderung sehr effektvoll ins Gegenteil: Er führt aus, Ludwig habe all seine guten Anlagen durch seine Ketzerei »vernichtet und inhaltslos« gemacht. Es geht hier also weniger darum, Ludwig zu beschreiben, als darum, sein Handeln zu bewerten.

      Hinzu tritt der Umstand, dass es schwierig sein kann, aus einer textlichen Schilderung auf das tatsächliche Aussehen rückzuschließen: Was sollen wir uns unter einem cervix semisupinus, einem »wie halb nach oben gereckten Nacken« genau vorstellen?

      Die Schilderungen Heinrichs decken sich zudem nicht in allen Punkten mit den Angaben anderer Zeitgenossen. Nach dem aus Padua stammenden Alberto Mussato hatte Ludwig rötliches Haar, nicht schwarzes. Beide Beschreibungen stimmen aber darin überein, dass Ludwig die körperlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kämpfer erfüllte. Dies wird mit einem durchsetzungsstarken Herrscher und Helden assoziiert und als Eigenschaft verstanden, die für einen König von Bedeutung ist. Es ist dabei letztlich nicht zu klären, was hier Darstellungskonvention, Beschreibung der Wirklichkeit oder literarische Freiheit ist. Wir können uns über diese Unklarheit damit hinwegtrösten, dass die Frage des Aussehens für eine geschichtswissenschaftliche Betrachtung Ludwigs IV. von nachgeordneter Bedeutung ist.

      »Der große Adler« – Ludwigs Charakter

      Was für das Aussehen gilt, trifft für den Charakter erst Recht zu: Jede Beschreibung ist Wertung und literarisches Konstrukt. Mathias von Neuenburg beginnt den Abschnitt seiner Chronik, der sich mit Ludwig auseinandersetzt, wie folgt: »Merke wohl auf, Geschichtsschreiber, nimm deinen Verstand zusammen; du hast eine schwere Arbeit, wenn du es unternimmst, den großen Adler zu schildern, welcher langsam und lange fliegt, in der Torheit weise, in der Gleichgültigkeit sorgsam, in der Trägheit wild, in der Trauer vergnügt, im Kleinmut starkmütig, den mit angebrannten Flügeln sich aufschwingenden und im Unglück glücklichen.«5

      Dieser Auszug macht viele der Probleme deutlich, denen wir uns bei der Charakterisierung durch Zeitgenossen gegenüber sehen: Mathias geht es hier ganz offensichtlich in erster Linie darum, seine eigenen Fähigkeiten als Autor unter Beweis zu stellen. Die Charakterisierung Ludwigs ist literarisch gestaltet und basiert auf einer Aneinanderreihung widersprüchlicher Attribuierungen. Dem stellt der Autor einen Aufruf voran, der die Schwierigkeiten der Aufgabe thematisiert und damit implizit das eigene Schaffen lobt. Der Symbolwert des Adlers – der hier als kaiserliches Tier für Ludwig steht – wird mit der Anspielung an den Ikarus-Mythos kombiniert. Wie der Sohn des Dädalus der Sonne zu nah kam, so schwingt sich auch Ludwig zu unziemlichen Höhen auf und ist dabei doch vom Glück begünstigt. Das alles soll in erster Linie Mathias von Neuenburg als versierten Erzähler präsentieren. Insgesamt steht der Chronist Ludwig eher distanziert und kritisch gegenüber.

      Unter den Zeitgenossen finden sich auch Anhänger Ludwigs; entsprechend positiv fällt ihre Wertung aus, wie etwa in der Chronik Kaiser Ludwigs IV.: »Im Jahr 1347 entschlief in Frieden der ruhmreiche Kaiser, Vater des Friedens, der Freund der Geistlichkeit und des Volkes, der äußerst glückliche Triumphator, der freigiebige, zuverlässige, weise, wahrhaft christlich gesinnte und rechtgläubige Fürst, den nie ein Feind überwand.«6

      Dieser Darstellung, die offensichtlich Partei ergreift, können wir allenfalls die Kategorien entnehmen, die in den Augen der Zeitgenossen einen guten Herrscher ausmachten. Dieser sollte friedliebend, freigiebig, zuverlässig, weise, kriegerisch erfolgreich und gottesfürchtig sein. Für Ludwig IV. kann man diese Kategorien je nach Standpunkt sehr unterschiedlich bewerten. So nahmen er selbst und sein Parteigänger für ihren Kaiser in Anspruch, den Frieden gesucht und die Kirche geachtet zu haben, was etwa sein Gegenspieler Papst Johannes XXII. vehement verneinte.

      Es sind in erster Linie die Funktionen Ludwigs, die in den Quellen ihre Spuren hinterlassen haben. Über den Menschen Ludwig und seinen Charakter wissen wir letztlich sehr wenig; sehr viel mehr können wir über den Herzog, König und Kaiser sagen.

      3

        Jüngster Sohn, Pfalzgraf und Herzog (bis 1314)

      »Lodwich, von gotes genaden pfallentzgraf bi dem Reyn und hertzog in Beyern« – so lautet der Titel Ludwigs IV. in einer Urkunde von 1310. Wir greifen ihn hier als Funktionsträger: Von Gottes Gnaden war Ludwig Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Bayern. Bis zum Jahr 1314, als Ludwig zum römisch-deutschen König gewählt wurde, waren das Herzogtum und die Pfalzgrafschaft die alleinigen Bezugspunkte seines politischen Handelns.

      Die Wittelsbacher

      Ludwig IV. war der jüngste Sohn Ludwigs II., des Strengen, und seiner dritten Frau Mechthild von Habsburg. Ludwig II. war Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Bayern, Mechthild die Tochter König Rudolfs von Habsburg. Unser Ludwig, der sowohl als Herzog von Bayern, als auch als römisch-deutscher König als ›der Vierte‹ zählte, war ein Wittelsbacher und gehörte damit zu einer der vornehmsten Familien des Reiches. Der heute übliche Name der Dynastie leitete sich von der Burg Wittelsbach (in der Nähe von Aichach) ab. Der Aufstieg der Familie gründete auf Dienst und Treue für das Königtum. 1180 hatte König Friedrich I. den Wittelsbacher Otto I. zum Herzog von Bayern erhoben, 1214 hatte König Friedrich II. dessen Sohn Ludwig I. die Pfalzgrafschaft bei Rhein verliehen. Damit hielten die Wittelsbacher zwei Reichsfürstentümer und mit der Pfalz das Anrecht auf eine


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