Ludwig IV. der Bayer. Martin Clauss

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Ludwig IV. der Bayer - Martin  Clauss


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erfolgreichen Feldherrn in Szene zu setzen. So behaupteten bayerische Chronisten, der Triumph von 1313 habe Ludwig im Reich bekannt gemacht und bilde damit die Grundlage für sein späteres Königtum.

      Hier wird an die Vorstellung angeknüpft, Herrschaft basiere auf militärischem Erfolg und Feldherrnruhm. Diese Darstellung erfolgte freilich nach der Königswahl von 1314 und unterlegt den Abläufen einen nachträglichen Sinn. Hinzu kommt, dass man den Verweis auf Feldherrntugenden auch als Kompensationsstrategie lesen kann. Ludwig fehlten nämlich einige andere Qualitäten, mit denen man seine Eignung für das Königtum hätte propagieren können: Er entstammte weder einer Königsfamilie, noch war er besonders reich. Klar ist, dass Ludwig nicht allein auf Grund seines Sieges bei Gammelsdorf König wurde; dieser war aber für seinen Aufstieg unerlässlich.

      Weder die Habsburger Friedrich und Leopold, noch der Wittelsbacher Rudolf waren bei Gammelsdorf anwesend. Dies machte es möglich, dass der Ruhm alleine Ludwig zufiel und es nicht zu einem grundlegenden Zerwürfnis mit den österreichischen Vettern kam. Die Frage, ob Ludwig ein fähiger Feldherr war, ist für uns heute nur schwer zu beantworten. Die zwei Schlachten, die unter seinem Kommando geschlagen wurden – Gammelsdorf 1313 und Mühldorf 1322 –, verliefen für ihn erfolgreich. Sein persönlicher Anteil daran ist nicht zu ermessen, weil die chronikalischen Quellen zu beiden Treffen meist parteiisch sind und dazu tendieren, ihre Darstellung auf einen Feldherrn zu fokussieren.

      

      Abb. 5  Säule zum Gedenken an die Schlacht von Gammelsdorf im Jahr 1313, errichtet 1842

      Gut zwei Monate vor der Schlacht von Gammelsdorf war Kaiser Heinrich VII. in Italien gestorben, und die Suche nach einem neuen König begann. Unter den potenziellen Kandidaten war auch Ludwig IV., der es bis Ende 1313 geschafft hatte, aus dem Schatten seines Bruders Rudolf zu treten und eigenständige Politik zu betreiben. Seine Position basierte zum einen auf der Stellung der Wittelsbacher im Reich: Ludwig war Reichs- und Kurfürst und gehörte zu einer altehrwürdigen und angesehen Familie. Darüber hinaus hatte er sich durch die Hinwendung zu Niederbayern und den Sieg über die Habsburger eine eigene Machtbasis geschaffen, die er sich freilich mit seinem Bruder teilen musste. Umso erstaunlicher erscheint es, dass der nachgeborene Sohn über seine ererbte Stellung hinaus zum König des römisch-deutschen Reiches aufsteigen sollte.

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        Von der Doppelwahl zum Doppelkönigtum (1314–1325)

      Am 20. Oktober 1314 wurde Ludwig IV. vor den Toren Frankfurts zum König des römisch-deutschen Reiches gewählt. Doch wie war es dazu gekommen? Ludwigs Aufstieg zum Königtum war nicht vorgezeichnet, und die Wahl nach dem Tod Heinrichs VII. lief nicht zwangsläufig auf den Wittelsbacher zu. Dies wird schon daran deutlich, dass zwischen Tod und Wahl über ein Jahr verging und die Wahl 1314 zwei Könige hervorbrachte: Neben Ludwig wurde auch sein Vetter Friedrich der Schöne, Herzog von Österreich, zum König gewählt. Es gab also zwei Könige, und die Wahlmonarchie steckte in einer Krise.

      Die Wahl von 1314

      Betrachten wir zunächst die Wahl selbst. Wahlberechtigt waren die sieben Kurfürsten: die Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. 1314 wurden aber nicht sieben, sondern neun Kurstimmen abgegeben, weil es für Böhmen und Sachsen je zwei Kandidaten gab, die für sich das Kurrecht in Anspruch nahmen.

      Die Stimmverteilung der Kurfürsten

      Wähler Ludwigs IV.

      Wähler Friedrichs des Schönen

      Johann, König von Böhmen; Balduin, Erzbischof von Trier; Peter Aspelt, Erzbischof von Mainz; Johann, Herzog von Sachsen-Lauenburg; Waldemar, Markgraf von Brandenburg

      Heinrich von Kärnten, König von Böhmen; Heinrich von Virneburg, Erzbischof von Köln; Rudolf, Herzog von Sachsen-Wittenberg; Rudolf I., Pfalzgraf bei Rhein (Bruder Ludwigs IV.)

      Die Situation war also verfahren und juristisch nicht zu klären. Eine gesetzliche Regelung zu Stimmrecht und -abgabe der Kurfürsten sollte erst 1356 in der Goldenen Bulle fixiert werden. Auch das Mehrheitsprinzip war noch nicht etabliert und wurde erstmals 1338 festgelegt. Diese Regelungen waren eine Reaktion auf die Doppelwahl von 1314 und das aus ihr resultierende Chaos im Reich. Es ist also wenig sinnvoll, in der wertenden Rückschau des Historikers feststellen zu wollen, welcher Kandidat rechtmäßig oder rechtmäßiger gewählt wurde: Beide Könige nahmen dies für sich in Anspruch.

      Der Weg zur Doppelwahl

      Wie war es zu dieser Situation gekommen? Heinrich VII. war völlig überraschend gestorben, so dass bei seinem Tod keine Vorbereitungen für seine Nachfolge getroffen worden waren. In einem Brief vom 15. Januar 1314 berichtet der Erzbischof von Köln Papst Clemens V. von einer Besprechung einiger Kurfürsten, die über mögliche Kandidaten für die Königswahl beraten hätten, und nennt vier Namen oder Funktionen: König Johann von Böhmen, die Herzöge von Bayern und Österreich sowie den Grafen von Nevers. Letzterer schied bald aus dem Kreis der Kandidaten aus und braucht hier nicht zu interessieren. Strittig ist, wer mit ›der Herzog von Bayern‹ gemeint war: Rudolf I. oder Ludwig IV.? Die Titulatur scheint auf Ludwig zu verweisen, da Rudolf seit der Einigung von 1313 die pfälzische Kurwürde allein ausübte und wohl als Pfalzgraf bezeichnet worden wäre. Folgt man dieser Interpretation, war Ludwig IV. schon frühzeitig unter den möglichen Kandidaten. Dabei muss aber ungeklärt bleiben, ob er selbst initiativ wurde oder andere ihn ins Spiel brachten. Die ihm wohlgesonnene »Chronik von den Taten der Fürsten« erzählt, wie sehr er sich gegen die ihm angetragene Kandidatur gesträubt habe: »Er äußerte sich bestürzt, da er der Ansicht war, diese Ehre sei für ihn zugleich eine schwere Bürde, die zu tragen seine Kräfte nicht ausreichten.«13 Dies ist allerdings weniger als ein Tatsachenbericht, sondern als wohlmeinende Propaganda zu werten, die auf den Topos der Bescheidenheit und die Tugend der Demut rekurriert.

      Das Haus Luxemburg von Heinrich VII. bis Karl IV. (Die Přemysliden / Könige von Böhmen)

      

      Zunächst waren es andere Bewerber, die das Vorfeld der Königswahl dominierten: König Johann von Böhmen und Herzog Friedrich der Schöne von Österreich. Ersterer war der älteste Sohn des verstorbenen Kaiser Heinrichs VII. und seit 1310 König von Böhmen. Für ihn sprachen seine königliche Abstammung und die Tatsache, dass die Reichsfürsten mit der Regierung seines Vaters im Allgemeinen zufrieden gewesen waren. Auch Friedrich der Schöne stammte aus einer königlichen Familie: Er war Enkel König Rudolfs I. und Sohn König Albrechts I. Diese Herkunft war für beide Kandidaten Vor- und Nachteil gleichermaßen: In der adligen Vorstellung von Familie und Abstammung hatten königliche Vorfahren Gewicht. Aus der Sicht der Kurfürsten bedeutete eine Vater-Sohn-Abfolge aber auch Gefahr für das Wahlrecht.

      Es bildeten sich zwei Parteien heraus, deren Mitglieder ganz unterschiedliche Motive hatten. Dazu gehörten reichspolitische Überlegungen: die Stärkung des Wahlgedankens, die Suche nach einem König, der das Reich lenken würde, ohne den Einfluss der Fürsten zu beschneiden, die Besorgnis vor zu ausgeprägten Hausmachtinteressen des Königs. Hinzu traten persönliche Vorlieben und Vorteile für einzelne Kurfürsten, etwa Geldzahlungen oder Privilegien. Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Kurfürst und Kandidat garantierten allerdings nicht immer eine Stimme: Während Balduin von Trier sich zunächst für seinen Neffen Johann von Böhmen einsetzte, verweigerte Rudolf I. seinem Bruder Ludwig konsequent die wittelsbachische Kurstimme. Die beiden Lager – das luxemburgische hinter Johann von Böhmen und das habsburgische hinter Friedrich von Österreich – standen sich unversöhnt gegenüber.

      Um Bewegung in die Wahl zu bringen, wechselte die luxemburgische Partei den Kandidaten und bewegte Johann zur Aufgabe seiner Kandidatur. Nun setzten Balduin von Trier und Peter von Mainz auf Ludwig IV. Dies hatte verschiedene Gründe: Für ihn sprachen neben seiner Stellung als Reichsfürst zunächst Ansehen und Alter seiner Familie sowie die Tradition der wittelsbachischen Königskandidatur bei den Wahlen 1273 und 1308. Zudem machte die Situation in Bayern


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