Ludwig IV. der Bayer. Martin Clauss

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Ludwig IV. der Bayer - Martin  Clauss


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Brüder und führten ihre Herrschaft gemeinsam. Als er 1308 ermordet wurde, kamen die Differenzen aber erneut zum Vorschein, und wir greifen von nun an Ludwig IV. mehr und mehr als selbstständig agierenden Fürsten. In diesem Jahr wählten die Kurfürsten Heinrich von Luxemburg zum König – wie schon bei Rudolf von Habsburg ein vor allem regional bedeutender Graf, dessen Königtum den Grundstein für den Aufstieg seiner Familie legte. Zu 1308 ist eine Wahlabsprache überliefert, die als potenzielle Kandidaten auch Rudolf und Ludwig nennt. Dies dürfte freilich eher auf ihre Stellung als Kurfürsten zurückzuführen sein – sie werden ausschließlich als Pfalzgrafen bei Rhein, nicht aber als Herzöge von Bayern tituliert – als auf eine ernsthaft betriebene Kandidatur. In der Wahlanzeige für Heinrich VII. wird nur Rudolf namentlich genannt; man kann aber aus einer Zeugenliste schließen, dass Ludwig im Wahlort Frankfurt am Main ebenfalls anwesend war. Dies lässt den Schluss zu, dass er sich auch an dieser Königswahl beteiligt hat.

      Bruderstreit

      Die Beziehung zwischen den Brüdern Rudolf und Ludwig kühlte nach der Königswahl Heinrichs VII. merklich ab. Rudolf wollte sich – in altbewährter wittelsbachischer Tradition – durch eine Heiratsverbindung an den neuen König binden. Da er selbst verheiratet war, sollte sein ältester Sohn eine Tochter des Königs heiraten. Für deren Ausstattung griff Rudolf eigenmächtig auf Besitzungen zurück, über die er nur gemeinsam mit seinem Bruder Ludwig hätte verfügen dürfen. Die Zwistigkeiten zwischen den Brüdern eskalierten und wurden durch Teilung beigelegt. Am 1. Oktober 1310 schlossen Rudolf und Ludwig in München den eingangs zitierten Vertrag: Sie verkündeten, dass eine Landesteilung durchgeführt worden sei; Rudolf falle der Teil rund um München, Ludwig der um Ingolstadt zu. Diese Teilung war aber nur von kurzer Dauer: Schon 1313 kam es zu einem neuen Hausvertrag. Ludwig und Rudolf einigten sich darauf, Oberbayern wieder zu vereinen und gemeinsam zu regieren – die Kurstimme sollte lebenslang bei Rudolf I. verbleiben.

      Das Verhältnis zwischen den beiden war in diesen Jahren Teil der politischen Entwicklungen auf Reichsebene und der Auseinandersetzungen rund um das wittelsbachische Teilherzogtum Niederbayern. Hier, im Südosten des Reiches, trafen die Interessen der drei großen Dynastien aufeinander: Habsburger, Luxemburger und Wittelsbacher. König Rudolf I. hatte Österreich, die Steiermark und Kärnten für die Habsburger gewonnen, Heinrich VII. konnte für die Luxemburger das zum Reich gehörende Königreich Böhmen sichern. Damit grenzten die Interessensphären der drei Familien in Niederbayern aneinander, und es kam mehrfach zu militärischen Auseinandersetzungen.

      

      Abb. 3  Die Besitzungen der Habsburger, Luxemburger und Wittelsbacher im 13. und 14. Jahrhundert

      Die erste Ehefrau: Beatrix von Schweidnitz

      In beinahe allen Handbüchern, Lexikonartikeln und Biografien kann man Folgendes lesen: Um das Jahr 1308 heiratete Ludwig IV. Beatrix von Glogau. Die erste Ehe scheint ein gut gesicherter Tatbestand zu sein. Bei näherem Hinsehen erweisen sich aber zwei Bestandteile dieser Aussage als problematisch; darauf hat jüngst Tobias Appl aufmerksam gemacht.10 In einer gut informierten und zeitnahen Quelle zur Hochzeit lesen wir nämlich: »Er selbst [Ludwig], der erlauchte Herzog, führte dann Beatrix, die Tochter des edlen Polenherzogs Bolko, heim.«11 Die erste Frau Ludwigs war gar keine Glogauerin, sondern die Tochter Herzog Bolkos I. von Schweidnitz. Glogauer und Schweidnitzer waren unterschiedliche Zweige der Piastenfamilie. In der Forschung wird dieser Bericht gemeinhin korrigiert, ohne dass die Gründe dafür ersichtlich wären. Auch wenn es für die Beurteilung der politischen Dimension der Hochzeit keinen gravierenden Unterschied macht, welche Piastin Ludwig geehelicht hat, ist es doch erstaunlich, dass über die Identität der Beatrix so große Unklarheit herrscht. Schließlich wird sie später mit ihrem Mann zur Königin gekrönt.

      Aber nicht nur die Herkunft der Braut, auch der Zeitpunkt der Hochzeit gibt Anlass zur Nachfrage. Die oben zitierte Chronik nennt kein Datum; das in der Forschung oftmals angenommene Jahr 1308 wird aus dem Geburtsjahr Mechthilds, der ersten Tochter von Beatrix und Ludwig, rückgeschlossen. Diese kann frühestens neun Monate nach der Hochzeit auf die Welt gekommen sein. Nimmt man für die Geburt das Jahr 1309 an, muss die Hochzeit 1308 oder Anfang 1309 stattgefunden haben. Woher aber wissen wir, wann Mechthild geboren wurde? Wenn in diesem Kontext auf den Hochzeitstermin 1308 verwiesen wird, haben wir es mit einem Zirkelschluss zu tun.

      

      Abb. 4  Bildnis der ersten Gemahlin Ludwigs IV., Beatrix von Schlesien-Schweidnitz, hier irrtümlich als Beatrix von Glogau bezeichnet. – Kupferstich von Joseph Anton Zimmermann aus dem Jahr 1773

      Alternativ zu 1308 findet sich für die Geburt Mechthilds in der Forschung auch das Jahr 1313. Zum Juni dieses Jahres heißt es in einem Vertrag zwischen Ludwig und seinem Bruder Rudolf: »i[h]m [Ludwig] und seinen chinden, ob er chinde gewinnet, daz Got gebe.«12 Da in diesem Vertrag an anderer Stelle von den Erben der Vertragspartner die Rede ist, kann man diese Formulierung nur auf die männlichen Nachkommen beziehen; dann wäre hiermit keine Aussage über Mechthild verbunden. Versteht man unter Kindern auch die Töchter, was sprachlich näherliegt, kann man diese Formulierung dahingehend deuten, dass Ludwig und Beatrix trotz längerer Ehe keine Kinder haben; diesem beklagenswerten Zustand soll Gott abhelfen. Nimmt man die Geburtsdaten der übrigen Kinder des Ehepaares hinzu, ergibt sich folgendes Bild: Die jüngeren Geschwister sind 1314, 1315, 1316, 1318 und 1319 geboren. Diese Regelmäßigkeit verweist für Mechthilds Geburt eher auf das Jahr 1313. Dazu passt auch, dass ihre Hochzeit mit dem Landgrafen Friedrich von Thüringen zwar 1323 vereinbart, aber erst 1328 geschlossen wurde. Offenbar war Mechthild 1323 noch zu jung; ein weiteres Indiz für eine Geburt im Jahr 1313, nicht 1309.

      Bedient man sich des auf diesen Überlegungen basierenden Geburtstermins der ersten Tochter als Datierungshilfe für die Hochzeit der Eltern, muss die Folgerung lauten: Vor 1313 heiratete Ludwig IV. Beatrix von Schweidnitz.

      Durch seine Heirat mit Beatrix hat Ludwig IV. die Verbindungen zu seinen niederbayerischen Vettern gestärkt. Stephan I. von Niederbayern war mit Beatrix’ Schwester Judith verheiratet. Er und sein Bruder Otto III. setzten Ludwig daraufhin zum Vormund für ihre minderjährigen Söhne ein. Stephan starb 1310, Otto III. 1312. Ludwig regierte fortan als Vormund ihrer Söhne über Niederbayern und konnte dadurch seine Machtbasis beträchtlich erweitern.

      Dies brachte ihn in Konflikt mit den österreichischen Herzögen Friedrich dem Schönen und Leopold I., die ihren Einfluss auf Niederbayern ausbauen wollten. Die Gelegenheit dazu ergab sich, als die niederbayerischen Herzogswitwen Agnes und Judith die Vormundschaft über ihre Söhne an die Habsburger übertrugen. Es kam in dieser Sache mehrfach zu direkten Verhandlungen zwischen den Vettern Ludwig IV. und Friedrich dem Schönen, die sich ja aus Kindertagen in Wien kannten. Die Fürstenfelder Chronik erzählt, Ludwig habe sich mit gezücktem Schwert auf seinen Vetter gestürzt; die guten Beziehungen Ludwigs zu den Habsburgern standen angesichts handfester Machtpolitik offenbar zurück. Aus dieser Episode auf einen jähzornigen Charakter des Wittelsbachers schließen zu wollen, ist methodisch jedoch fragwürdig. Eher haben wir es mit einem erzählerischen Motiv zu tun, das auf eine waffentragende, gewaltaffine Adelswelt verweist, die den gerechten Zorn würdigt. Der Chronist sieht in Ludwig keinen cholerischen Wüterich, sondern steht ihm positiv gegenüber; Friedrich hingegen beschreibt er als selbstsüchtig und gottvergessen.

      Die Wittelsbacher in Niederbayern

      

      Die Schlacht von Gammelsdorf

      Die Auseinandersetzungen um die Vormundschaft wurden militärisch ausgetragen. Am 9. November 1313 kam es bei Gammelsdorf zu einem Schlagabtausch, aus dem Ludwig IV. siegreich hervorging. Diese Schlacht spielt in der Memoria Ludwigs im 19. Jahrhundert eine gewichtige Rolle und war für dessen weitere Karriere sicherlich von großer Bedeutung. In der Forschung wird Gammelsdorf mal als kleines Scharmützel, mal als bedeutende Ritterschlacht gewertet. Entscheidend sind vor allem zwei Aspekte: Der Sieg Ludwigs sicherte ihm politisch den Zugriff auf Niederbayern. Verglichen mit den Habsburgern und Luxemburgern verfügten die oberbayerischen Herzöge über weniger Mittel, zumal sich Rudolf und Ludwig auch


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