Ludwig IV. der Bayer. Martin Clauss

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Ludwig IV. der Bayer - Martin  Clauss


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Erben. Ludwig der Strenge und sein Bruder Heinrich führten beide die Titel ›Pfalzgraf‹ und ›Herzog‹ und herrschten zunächst gemeinsam über die wittelsbachischen Besitzungen. Im Jahr 1255 teilten sie nach Streitigkeiten die Herrschaft untereinander; dies entsprang dem Selbstverständnis der Dynastie, welche das Fürstentum als Familienbesitz ansah, mit dem gleichsam nach privatrechtlichen Vorstellungen verfahren werden konnte. Heinrich erhielt Niederbayern und machte Landshut zu seinem Hauptsitz, der ältere Ludwig erhielt die Pfalz und Oberbayern; Zentren seines Herrschaftskomplexes waren Heidelberg und München. Beide Brüder führten auch nach der Teilung die Titel ›Pfalzgraf‹ und ›Herzog‹. Die Teilung in Ober- und Niederbayern sollte zukunftsweisend sein, wenn sie auch nicht ununterbrochen Bestand hatte – Ludwig IV. wird es 1340 gelingen, ganz Bayern wieder in seiner Hand zu vereinen. Ab 1255 waren die wechselvollen Beziehungen zwischen Ober- und Niederbayern ein wichtiger Faktor der wittelsbachischen Geschichte – weitere Teilungen sollten folgen.

      Das Haus Wittelsbach von Otto I. bis Ludwig IV.

      

      Der Vater: Ludwig II. – der Königsmacher

      Ludwig II. war drei Mal verheiratet. Seine erste Frau, Maria von Brabant, hatte er 1256 hinrichten lassen, weil er sie zu Unrecht der Untreue beschuldigte. Wegen dieser Untat haftete ihm auch der Beiname ›der Strenge‹ an. Als Sühne für diese Tat gründete er das Zisterzienserkloster Fürstenfeld. Mit seiner zweiten Ehefrau, Anna von Schlesien-Glogau, hatte Ludwig unter anderem einen Sohn, der ebenfalls auf den Namen Ludwig getauft wurde. Er starb 1290 bei einem Turnier. Nachdem Anna gestorben war, heiratete Ludwig die Habsburgerin Mechthild; mit ihr hatte er zwei Söhne: Rudolf I. und ›unseren‹ Ludwig. So hatte das Paar zwei Söhne gleichen Namens, die gleichzeitig lebten. Dies war im Mittelalter zwar nicht die Regel, kam aber vor. Ludwig IV. selbst sollte dreien seiner Söhne den Namen Ludwig geben.

      Ludwig II. war einer der einflussreichsten Reichsfürsten seiner Zeit. Als Pfalzgraf bei Rhein war er einer von sieben Kurfürsten und gleichzeitig Reichsvikar, also Stellvertreter des Königs bei dessen Abwesenheit oder bei Thronvakanz. Als im Jahr 1273 ein neuer römisch-deutscher König gewählt wurde, war er erst Kandidat, dann Königsmacher und setzte sich für Rudolf von Habsburg ein. Mit dessen Wahl am 1. Oktober 1273 war der Wahlgedanke im römisch-deutschen Königtum deutlich zum Ausdruck gebracht worden: Die Reichsfürsten wählten mit Rudolf einen Grafen von lediglich regionaler Bedeutung zum König, dessen Armut sprichwörtlich werden sollte. Damit setzten sie bewusst ein Zeichen gegen ein Königtum, das von einer großen Reichsdynastie – wie etwa den Staufern – getragen wurde. Die Königserhebungen seit 1273 waren grundsätzlich von zwei Bestrebungen geprägt: Die Kurfürsten pochten auf ihr Wahlrecht und wählten Herrscher aus verschiedenen, mitunter wenig einflussreichen Familien. Die jeweiligen Könige versuchten, den Thron für die Dynastie zu sichern und ihre Königswürde für ihre Hausmacht nutzbar zu machen.

      

      Abb. 2  Ober- und Niederbayern nach der Teilung von 1255

      Im ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhundert kam es so zu einer Abfolge von Königen aus verschiedenen Dynastien. Die bedeutendsten waren die Habsburger, die Luxemburger und die Wittelsbacher. Sie stellten im 14. Jahrhundert die römisch-deutschen Könige. Unter diesen Familien waren die Wittelsbacher die älteste und die einzige, die schon vor dem Aufstieg zum Königtum über zwei reichsfürstliche Titel verfügte.

      Die enge Verbindung Ludwigs II. zu Rudolf von Habsburg wurde nach dessen Königswahl durch seine Heirat mit Mechthild, der ältesten Tochter des Königs, weiter bekräftigt: Der Königsmacher wurde zum königlichen Schwiegersohn; Ludwig IV. war also durch seine Mutter mit den Habsburgern verwandt. Sein Vater starb 1294 und hinterließ formal die Herrschaft seinen beiden Söhnen, de facto aber führte der ältere Rudolf die Regierung alleine. Zwischen den beiden Brüdern entstand eine beinahe lebenslange Rivalität, welche die Geschicke des Hauses Wittelsbach für die kommenden Jahrzehnte prägen sollte. Wie zuvor schon zwischen Ludwig II. und Heinrich XIII. funktionierte die gemeinsame Herrschaft zweier Brüder nur schlecht.

      Das Geburtsjahr Ludwigs IV.

      Über Kindheit und Jugend Ludwigs IV. wissen wir so gut wie nichts. Auf ein Psychogramm des jungen Ludwigs als Grundlage für seine charakterliche Entwicklung muss daher – wie gesehen – verzichtet werden. Selbst das Geburtsdatum ist nicht sicher überliefert – und zwar weder Tag noch Jahr. Letzteres kann aus verschiedenen Quellenbelegen erschlossen, aber nicht sicher nachgewiesen werden, so dass die Forschung verschiedene Geburtsjahre vertritt: 1282, 1283, 1286 und 1287. Waldemar Schlögl hat sich für das Frühjahr 1282 stark gemacht, und ein Großteil der Forschung folgt ihm darin.7 Die Unsicherheit rund um das Geburtsdatum ist zunächst ein Beleg für die Quellenlage, auf der unser Biogramm fußen muss. Das Mittelalter feierte keine Geburtstage, die Kindersterblichkeit war hoch und das Alter eines Menschen – etwa im Sinne juristischer Volljährigkeit – von nachgeordneter Bedeutung: All das führte dazu, dass man den genauen Termin der Geburt nicht regelmäßig festhielt. Für die Zeitgenossen war das genaue Alter kaum von Belang: Anlässlich der Königswahl im Oktober 1314 merkt der Chronist Heinrich der Taube von Selbach an, Ludwig sei »ungefähr 30 Jahre alt gewesen.«8

      Für den modernen Biografen spielt das Alter hingegen eine gewisse Rolle: Geht man vom frühesten Termin aus, agierte Ludwig erst in relativ hohem Alter selbstständig. Bei seiner Königswahl wäre er 32 und bei seiner ersten eigenständigen Aktion als bayerischer Landesherr, dem sogenannten Schneitbacher Rittertag im Jahre 1302, immerhin schon 20 Jahre alt gewesen. Auffällig ist, dass Ludwig die Urkunde von 1302 nicht mit seinem eigenen Siegel, sondern dem seiner Mutter und seiner Schwägerin bestätigte. Offenbar verfügte er noch nicht über ein eigenes Siegel, was für einen 20-jährigen, amtierenden Herzog eher unwahrscheinlich ist. Die Urkunde von 1302 ist daher ein Indiz für ein späteres Geburtsdatum.

      Interessant ist auch die Frage nach dem Altersunterschied zwischen Ludwig und einigen anderen Akteuren seiner Zeit. Sein älterer Bruder Rudolf I. wurde 1274 geboren, sein habsburgischer Vetter Friedrich 1289. Je nach Geburtsjahr trennen Ludwig also von seinem älteren Bruder acht oder 13, von seinem jüngeren Vetter sieben oder nur drei Jahre. Auch wenn es nicht sinnvoll ist, moderne Vorstellungen von Altersgleichheit und damit einhergehenden Möglichkeiten der emotionalen Bindung eins zu eins auf das 14. Jahrhundert zu übertragen, so scheint gerade die enge Bindung an den Vetter Friedrich, die von der Forschung immer wieder betont wird, für einen eher geringen Altersunterschied zwischen beiden zu sprechen.

      Das Haus Habsburg von Rudolf I. bis Friedrich dem Schönen

      

      Jugend und Erziehung

      Über die Jugendjahre Ludwigs liegt uns genau ein Quellenbericht vor, der aus dem Augustinerchorherrenstift Dießen in Oberbayern stammt und 1365 – also deutlich nach dem Tod des Kaisers – verfasst wurde. Hier heißt es: »Herzog Ludwig wurde schon als kleiner Junge in Wien zusammen mit den Söhnen des Herzogs von Österreich in Latein unterrichtet.«9 Er erhielt die standesübliche höfische Erziehung also am Hof seiner habsburgischen Verwandtschaft. Der erwähnte Herzog von Österreich war Albrecht I., Sohn König Rudolfs, der Österreich an die Habsburger gebracht hatte. An seinem Hof wurde Ludwig zusammen mit seinen Vettern Rudolf I., Friedrich dem Schönen und Leopold I. erzogen, die allesamt in seinem weiteren Leben eine wichtige Rolle spielen sollten.

      Königswahlen und bayerische Politik

      1291 war Rudolf von Habsburg gestorben, und die Fürsten hatten nicht seinen Sohn Albrecht, sondern Adolf, den Grafen von Nassau, zum König gewählt. 1298 nutzte Albrecht von Österreich jedoch die Unzufriedenheit im Reich und ließ sich gegen Adolf zum König erheben. Im Kontext dieser Thronstreitigkeiten sehen wir Ludwig IV. erstmals als politischen Akteur. Sein Bruder Rudolf hatte Mechthild von Nassau, die Tochter König Adolfs, geheiratet und unterstützte seinen Schwiegervater. Ludwig hingegen stand auf Seiten des Habsburgers, zu dessen Wählern er als pfalzgräflicher Kurfürst gehört hatte.

      Das Königtum Albrechts brachte Veränderungen für


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