Carl Maria von Weber in seiner Zeit. Christoph Schwandt
Читать онлайн книгу.von Seiten Frankreichs geführt, doch für kurze Zeit sah es aus, als ob das Volksheer dem Söldnerheer der Koalition unterliegen würde.
Großes versprach sich Franz Anton von Weber von einer ausnahmsweise für einen Sonntag (an dem in der protestantischen Stadt sonst nicht gespielt werden durfte) genehmigten Opernaufführung. Der neue Kaiser, Franz II., Leopolds ältester Sohn, kam im Juni auf dem Weg zur Krönung durch Nürnberg10. Aus der Festvorstellung wurde aber genauso wenig wie aus der erhofften Genehmigung für weitere Auftritte, sodass die Webers weiterziehen mussten. Als am 20. September bei Valmy in der Champagne die preußischen Koalitionskrieger umkehren mussten, war die »Gesellschaft deutscher Schauspieler« schon in Amberg in der Oberpfalz (und mithin im Kurfürstentum Bayern), wo es zwar kein Theater, aber einen für Singspielaufführungen geeigneten Saal gab. Hier fand die zweite Webersche Eigenunternehmung ihr Ende.
Die Weyrauchs gingen nach Weimar. Von den übrigen ließen sich alle die, die keine neue Bühnenverpflichtung hatten, um Weihnachten 1792 mit Franz Anton, Genovefa und dem Jungen in Ansbach nieder. Dort gab es ein Redouten- und Komödienhaus, es war aber kein »Stadttheater« fürs Publikum sondern eine Liebhaberbühne, an der nicht wenige Stücke von Lady Craven gegeben worden waren. Nachdem auch hier nicht mehr regiert wurde, sondern von Berlin aus, weil Karl Alexander nicht nur Bayreuth und Erlangen, sondern dazu auch Kulmbach und seine Heimat Ansbach verkauft hatte, bestand allerdings kaum Interesse an niveauvoller Unterhaltung. Franz Anton von Weber versuchte sich als Veranstalter von Redouten, also als Eventmanager von Bällen und Kostümfesten. Ein naheliegender Gedanke, denn am 12. Februar 1793 war Fastnacht. In Ansbach dürften sich diese Festivitäten allerdings in brandenburgisch-protestantischen Grenzen gehalten haben – kein alemannisch draller Frohsinn wie zuhause in Zell im Wiesental.
Dass Markgraf Karl Alexander, mit 56 zwei Jahre jünger als Franz Anton von Weber, lieber in Berkshire Pferde züchtete und seine einträglichen Bankgeschäfte weiterführte, als weiter sein unübersichtliches Territorium zu regieren, ermöglichte dem unverzagt unternehmungslustigen Vater Weber die Gründung einer dritten Truppe und eine Frühjahrs- und eine Winterspielzeit in Bayreuth, die auch wieder ein längeres Sommergastspiel in Erlangen einrahmten. Edmund und Josepha waren bei ihm geblieben. Fridolin, inzwischen 32 Jahre alt, war seit zwei Jahren mit einer Nürnbergerin verheiratet und half nach dem Tod seines Schwiegervaters in dessen Geschäft (Kunsthandlung und Weinschenke) mit, von Zeit zu Zeit aber auch auf der Bühne aus. Den Bayreuther Theater-Vertrag mit Franz Anton unterzeichnete der höchste preußische Beamte vor Ort, der von Hause aus ein württembergischer Herzog war.
Die Blütezeit des Markgräflichen Opernhauses unter Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Großen, lag schon lange zurück. Aber Bürgertum, Beamte und Offiziere verlangten nach Aufführungen, die allerdings nicht viel kosten durften, nur im Sommer und nur bei großer Nachfrage im Opernhaus stattfanden. Hauptspielort war die umgebaute markgräfliche Reithalle, heute die Bayreuther Stadthalle. Zwei Wochen vor Ostern 1793 fand dort die erste Aufführung der Webers statt: Christian Gottlob Neefes Adelheit von Veltheim, der Text war von Großmann. Am 20. Dezember 1793 bescherte man dem Bayreuther Publikum die örtliche Erstaufführung der Zauberflöte, über die Offizierstochter Caroline von Flotow in ihr Tagebuch schrieb: »Man hatte … sich auf die Aufführung gefreut, fand aber seine Erwartungen bey weitem nicht erreicht. Die Kleidung u. Decoration, war nichts weniger als prächtig … Das ganze hätte sich wohl weit besser ausgenommen, wenn nicht die übertriebene Sparsamkeit des H. v. Weber, überall durchschimmerte.«11
Am Hof des Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach hatte es nie etwas anderes als ein Liebhabertheater gegeben, an dem zuweilen prominente Gäste auftraten. 1791 war der herzogliche Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, Dichter und Minister, Leiter der Bühne geworden. Er sollte sie zu einem veritablen Hoftheater machen. Die Ausübung seiner »Oberdirektion« hatte es dennoch zugelassen, dass er vom 8. August bis zum 16. Dezember 1792 überhaupt nicht in Weimar war, sondern unterwegs mit Herzog Karl August, der als Generalmajor in preußischen Diensten stand. So kam es, dass Goethe in Valmy mit dabei war und angesichts des französischen Revolutionsheers sagte: »Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus.« Einen Monat später waren die Franzosen in Frankfurt am Main und Mainz.
In Fragen des musikalischen Theaters ließ Goethe ohnehin andere entscheiden und sicherlich war er nicht eingebunden, als im Frühjahr 1794 eine Nachfolgerin für Jeanette Weyrauch gesucht werden musste, die mit ihrem Mann ein Engagement im von den Franzosen wieder verlassenen Frankfurt annehmen wollte. Ob sie selbst ihre Stiefmutter empfahl oder ihr Vater seine junge Gattin in Weimar ins Gespräch brachte, weiß man nicht. Jedenfalls unterschrieb Genovefa von Weber Mitte März einen Vertrag mit der »Oberdirektion des Weimarischen Theaters«. Ein festes Engagement an einem Hoftheater bot mehr Sicherheit als die eigene Unternehmerschaft in Bayreuth, wo die Kassenlage immer prekärer geworden war. Mit Daniel Gottlieb Quandt war auch rasch ein risikobereiter Theatermann gefunden, der sich nach diversen Engagements als eigenständiger Impresario versuchen wollte und kurzfristig die Bayreuther Spielverpflichtungen übernahm.
Genovefas Vertrag sollte bis Ostern 1795 laufen. Die Gage betrug neben Reisespesen acht Taler wöchentlich, und es war ausgemacht, dass ab Ende Juni bis Michaelis, also bis zum 29. September, auswärts gespielt wurde. Damit waren Erfurt, das alte Kurtheater von Lauchstädt im Kurfürstentum Sachsen und die auf einem Anger errichtete Sommerbühne des Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt gemeint. In Rudolstadt, mehr als eine Tagesreise von Lauchstädt entfernt, gab es immerhin eine angesehene Hofkapelle, während man sich in Lauchstädt mit einer Art zehnköpfigem »Kurorchester« bescheiden musste. Die Weimarer Musiker blieben bei diesen auswärtigen Verpflichtungen zuhause. Genovefa debütierte am 16. Juni 1794 in Weimar mit der Konstanze in der Entführung und gab zwei Tage später die Elisabeth in Gustav Hagemanns »vaterländischem Schauspiel« Otto der Schütz, Junker von Hessen. Später trat sie als Lina in Dittersdorfs Rothem Käppchen auf, übernahm Sprechrollen in Stücken von Iffland, Schiller und in Franz Kratters Das Mädchen von Marienburg und sang die Königin der Nacht in der Zauberflöte. Auf dem Spielplan standen aber auch kurzlebige Komödien und seichte Singspiele, die man nur spielte, weil sie neu waren. Aber es muss drunter und drüber gegangen sein bei den Weimarer Theaterleuten und keine rechte Autorität geherrscht haben, sodass Franz Anton schon im September darum bat, seine Frau vorzeitig aus dem Engagement zu entlassen. Auch hatte Genovefa nicht so reüssiert wie vordem ihre Stieftochter; und die Weyrauchs hatten in Frankfurt ihrerseits nicht die erhoffte Resonanz gefunden, sodass sie zurück an Goethes Bühne wollten und da wohl auch willkommen waren. Goethe persönlich gab dem Gesuch Franz Antons schriftlich statt und ließ Genovefa zum 5. Oktober 1794 gehen. Am Vortag war sie mit den Weimarern noch einmal in der Zauberflöte in Erfurt aufgetreten. Auch dort gab es kein richtiges Theater, weil es auch keine richtige Residenz war. Die Stadt war eine Exklave des kurfürst-bischöflichen Mainz, die von dem kunstsinnigen Statthalter Karl Theodor von Dalberg verwaltet wurde. Gespielt wurde im Ballhaus der Universität.
Im Zusammenhang mit dem Weimarer Engagement seiner Mutter soll der mittlerweile siebenjährige Sohn der Webers zum ersten Mal »öffentlich«, was vermutlich eine Gelegenheit bei Hofe bedeutete, sein musikalisches Talent unter Beweis gestellt haben, wohl auf der Violine.
Wieder einmal hieß es: Was nun und wohin? Und wieder bewährte sich der familiäre Zusammenhalt. Edmund war zunächst bei Daniel Gottlieb Quandt geblieben, dann aber mit der Glögglschen Schauspielergesellschaft nach Salzburg gezogen. Wahrscheinlich allein, denn im Sommer war seine Frau im Kindbett gestorben12, vielleicht aber auch mit dem vierjährigen Sohn. Franz Xaver Glöggl bespielte das dortige Hoftheater. Die Spielzeit hatte schon begonnen, als die Webers dort ankamen, und endete am Faschingsdienstag, dem 17. Februar 1795.
Während Anfang April in Basel zwischen Frankreich, Preußen und Spanien ein Frieden ausgehandelt wurde, nach dem das linke Rheinufer, also die großen geistlichen Territorien von Köln und Trier, französisch wurde, ging in Süddeutschland der Krieg weiter. Die Revolutionäre hatten 1793 nicht nur Ludwig XVI., sondern auch die Tante von Franz II., Marie Antoinette, guillotiniert. Der Kaiser war daher weniger bereit, anzuerkennen, was Preußen und Spanien bereits begriffen hatten, nämlich dass das, was die Franzosen
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Vgl. Frank Ziegler:
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Frank Ziegler:
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Vgl. Frank Ziegler: