Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin

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Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter  Benjamin


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alle Ehre. Der Krug dampfte und rauchte wie ein Vulkan, und dem Manne, der ihn trug, war ohnmächtig zu Mute.

      »Mrs. Tugby«, sagte Trotty, der ganz entzückt um sie herumging, »ich wollte sagen Chickenstalker, Gott segne Sie! Ein glückliches Neujahr und noch recht viele hinterdrein, Mrs. Tugby«, sagte Trotty, als er sie umarmt hatte, »ich wollte sagen Chickenstalker – dies ist William Fern und Lilly.«

      Die würdige Frau wurde zu seinem Erstaunen sehr blaß und sehr rot.

      »Doch nicht Lilly Fern, deren Mutter in Dorsetshire gestorben ist?« sagte sie.

      Ihr Onkel bejahte dies, und sie wechselten schnell einige Worte miteinander, deren Ergebnis war, daß Mrs. Chickenstalker ihm beide Hände schüttelte, Trotty noch einmal aus freien Stücken auf die Wange küßte und das Kind an ihre umfangreiche Brust drückte.

      »Will Fern«, sagte Trotty, indem er seinen rechten Fausthandschuh anzog, »doch nicht die Verwandte, die Ihr zu finden hofftet?«

      »Freilich«, entgegnete Will und legte Trotty beide Hände auf die Schultern, »und wie es scheint, eine ebenso gute Verwandte, wenn das möglich ist, als ich in Euch einen Freund gefunden habe.«

      »O!« sagte Trotty, »ihr dort, wollt ihr nicht aufspielen? Seid so gut!«

      Bei dem Klange der Musik, der Schellen, der Markknochen und der Hackmesser, alles zu gleicher Zeit, und während noch die Glocken lustig vom Turme herniederschallten, führte Trotty Mrs. Chickenstalker, Meg und Richard als zweites Paar folgend, zum Tanze auf und tanzte denselben in einem vorher und nachher unbekannten Pas ab, der seinen Grund in seinem eigentümlichen Trab hatte.

      Hatte Trotty geträumt, oder sind seine Freuden und Leiden und die handelnden Personen in demselben nur ein Traum? Er selber ein Traum? Der Erzähler dieser Geschichte ein Träumer, der eben erwacht ist? – Sollte es so sein, lieber Leser, dann präge die bösen Wirklichkeiten, aus denen diese Schatten entspringen, deiner Seele ein und suche in deinem Kreise – keiner ist zu groß und keiner zu beschränkt für solch einen Zweck – diese zu bessern, sie weniger grausam, sondern sie gelinder zu machen. Möge das neue Jahr ein glückliches für dich, ein glückliches noch für viele sein, deren Glück von dir abhängt! Möge jedes Jahr glücklicher sein als das letzte, und nicht der geringste unserer Brüder oder Schwestern ausgeschlossen bleiben von dem rechtmäßigen Anteil an dem, was zu genießen unser großer Schöpfer geschaffen hat!

       Ende.

      Der Behexte und der Pakt mit dem Geiste

      (Charles Dickens)

       Inhaltsverzeichnis

       1. Die Gabe

       2. Die Verbreitung

       3. Die Gabe wird zurückgenommen

      Erstes Kapitel.

       Die Gabe

       Inhaltsverzeichnis

      Jeder sagte es.

      Es sei fern von mir, zu behaupten, daß richtig sein müsse, was »jeder« sagt.

      Was »jeder« sagt, kann ebensogut falsch sein.

      Es ist kein Verlaß auf solche Autorität. Sehr oft hat man schrecklich lang gebraucht, um das einzusehen.

      Was »jeder« behauptet, kann zuweilen richtig sein, aber Regel ist es nicht, wie der Geist des Giles Scroggins in der Ballade sagt.

      Ja richtig: »Geist«; das bringt mich wieder auf meine Geschichte.

      Also jeder sagte, er sähe aus wie ein Behexter. Das stimmt: Er sah wirklich so aus.

      Hohle Wangen, eingesunkene funkelnde Augen, ebenmäßig gewachsen zwar, aber immer schwarz gekleidet und immer mürrisch. Die grauen Haare wirr ins Gesicht hängend wie Seegras. Wie eine Klippe sah er aus, an der die Wogen branden aus der Tiefe der Menschheit.

      Wer hätte sein Wesen beobachten können, seine seltsame verschlossene Art, düster und immer in Gedanken verloren, stets im Geiste in einer vergangenen Zeit und an fremdem Ort, unablässig in sein Inneres horchend, als ertöne da ein geheimnisvolles Echo – ohne sagen zu müssen, er ist behext?

      Wer ihn sah in seinem Studierzimmer – halb Bibliothek, halb Laboratorium – er war ein weltberühmter Gelehrter und Chemiker, und täglich hingen Hunderte an seinen Lippen –, wer ihn dort sah in einsamer Winternacht – unbeweglich, umgeben von seinen Giften und Instrumenten und Büchern, wenn der Schatten seiner Schirmlampe wie ein riesiger Käfer an der Wand hockte und der flackernde Schein des Feuers gespenstische Gestalten malte auf die Wandungen der fremdartigen, seltsam aussehenden Phiolen, der fühlte, der Mann ist behext und das Zimmer dazu.

      Wenn dann die Phantome sich in der Flüssigkeit der Gläser spiegelten und zitterten wie Dinge, die wohl wußten, daß er die Macht besaß, sie in ihre Bestandteile aufzulösen und in Feuer und Dampf davonfliegen zu lassen, wenn er dann wieder grübelnd in seinem Stuhle saß vor den roten Flammen in dem rostigen Kamin und flüsternd die dünnen Lippen bewegte, da konnte es einen wohl beschleichen, als werde alles ringsum zu Spuk – als stünde man auf behextem Grund.

      Und wie er seine Stimme niederhielt in langsamer Rede und ihren natürlichen Wohlklang erstickte! Wer hätte da nicht gesagt, es ist die Stimme eines Verwunschenen?!

      Sein Wohnhaus war so einsam und gruftartig – ein alter abgelegener Teil eines ehemaligen Stifts für Studenten, einstens ein braves Gebäude auf freiem Platze, jetzt nur noch die veraltete Grille eines vergessenen Architekten, von Alter, Rauch und Wetter gebräunt. Auf allen Seiten eingeklemmt von der alles überwuchernden Stadt und wie ein alter Brunnen erstickt von Steinen und Ziegeln. Die kleinen Höfe lagen tief unten in wahren Schlünden von Straßen und Häusern, die im Laufe der Zeiten emporgewachsen waren und seine schwerfälligen Schornsteine überragten. Die altgewordenen Bäume plagte schwer der Rauch der benachbarten Essen, wenn er sich schwarz und schwer herabsenkte bei trübem Wetter, und die Grasflecken kämpften hart um ihr Leben unter dem Mehltau der unfruchtbaren Erde. Das verödete Pflaster hatte den Tritt der menschlichen Füße vergessen und war den Blick von Augen nicht mehr gewöhnt, außer es sah einmal ein vereinzeltes Gesicht aus der obern Welt herunter, verwundert, was für ein seltsamer Winkel das wohl sei. Eine Sonnenuhr stand eingezwängt in einer halbvermauerten Ecke, wohin sich Hunderte von Jahren kein Lichtstrahl mehr verirrt, wo als Ersatz für die Sonne wochenlang der Schnee noch lag, wenn er überall längst verschwunden war, und wo sich wie ein gewaltiger Brummkreisel der Ostwind drehte, wenn er sonst an allen Plätzen schwieg.

      Die Stube in des Gebäudes innerstem Herzen war so duster und alt, so verfallen und doch so fest mit ihrem wurmstichigen Gebälk in der Decke, mit der derben Holzverkleidung, die sich von der Tür herabsenkte bis zu dem Kaminstück aus Eichenholz. Mitten im umarmenden Drucke der Großstadt und doch so weit weg von Mode, Zeit und Sitte; so ruhig und doch so reich an hallenden Echos, wenn sich eine ferne Stimme erhob oder Türen ins Schloß fielen – Echos, die nicht bloß in den vielen niedern Gängen und leeren Räumen wohnten, sondern fortmurrten und knurrten, bis sie in der dicken Atmosphäre der vergessenen Krypta erstickten, deren normannische Bogen halb in der Erde staken.

      Ihr hättet ihn nur sehen sollen zur Dämmerstunde im tiefen Winter. In der toten Winterszeit, wenn schrill und schneidend der Wind der Sonne ein Abschiedslied singt und ihr Bild schimmernd durch den Nebel taucht. Wenn es eben noch so halbdunkel ist, daß die Formen der Dinge zu verschwimmen beginnen und anschwellen und doch noch nicht ganz verschwinden. Wenn die Menschen am Kamin sitzen, wilde Gesichter und Gestalten, Berge und Abgründe, Wegelagerer und Heere in der Kohlenglut zu sehen beginnen – –


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