Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge


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dann über die Haut, die ihr tiefausgeschnittener Seidenpulli freigab.

      »Sie schmelzen dahin«, wiederholte er. »So wie du, meine schöne Yvonne…«

      Er ist faszinierend und gleichzeitig abstoßend, dieser Mann, dachte Yvonne. Es ist schön und eklig zugleich…

      Sie wehrte ihn nicht ab, sondern ließ sich all seine Zärtlichkeiten, seine Annäherungen gerne gefallen. Insgeheim kostete sie ihren Triumph aus, daß es ihr gelungen war, diesen mächtigen, erfolgreichen Mann zu umgarnen. An Helmbrechts Frau und was er ihr mit seinem Treuebruch antat, dachte sie überhaupt nicht. Sie war ihr herzlich gleichgültig. Ulf war da schon eine andere Sache. Sie fürchtete seinen forschenden Blick, der alles zu durchschauen schien, seinen berechtigten Zorn – und sie fürchtete, ihn zu verlieren.

      Ich tu es einzig und allein für Ulf. Ich bin nett zu Helmbrecht, weil er Ulf Vorteile verschaffen und von Nutzen für ihn sein kann, beschwichtigte sie ihre Schuldgefühle. Und wenn Ulf sich in letzter Zeit mehr um mich gekümmert hätte, dann hätte ich es mit Benno Helmbrecht nicht so weit kommen lassen…

      Trotzdem stand ihr das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben, als sie an diesem Abend – nach einem Treffen mit Benno Helmbrecht in seinem Bootshaus – nach Hause kam und Ulf im Wohnzimmer vorfand. Sie hatte ihn nicht so früh erwartet. Er saß in seinem Sessel und las die Zeitung. Als er sie kommen hörte, ließ er das Blatt sinken und sah sie an. Sie war noch erhitzt von ihrem Erlebnis mit Benno, erhitzt von der Autofahrt durch den starken Berufsverkehr. Ihr Haar war verwirrt, der Lippenstift, das Augen-Make-up verwischt.

      »Wo kommst du her?« fragte er scharf. Sie zuckte mit den Schultern.

      »Aus – aus der Stadt«, log sie. Er hob die Augenbrauen.

      »So, wie du aussiehst, kommst du nicht aus der Stadt«, meinte er und schaute sie argwöhnisch an. »Du kommst eher – aus dem Wald.«

      »Nun ja, das stimmt, ich komme nicht aus der Stadt«, gab sie zu. »Ich habe einen Spaziergang um den See gemacht – mit einer Freundin.«

      »So, mit einer Freundin«, sagte er, und sie konnte nicht sagen, ob er ihr nun glaubte oder nicht. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war überaus beherrscht, fast undurchdringlich. Mit einem Mal merkte sie, daß er unter seiner beherrschten Miene zu verbergen suchte, daß er litt. Hatte sie ihm so weh getan?

      Sie lief zu ihm und kniete neben seinem Sessel nieder, legte den Kopf auf die Armlehne, wartete darauf, daß er – wie früher – über ihr Haar strich. Aber er tat nichts dergleichen. War sie ihm schon so gleichgültig geworden?

      »Ulf«, flüsterte sie, aber er gab keine Antwort. Er stand auf, ging zur Hausbar und mixte sich einen Whisky-Soda.

      »Möchtest du auch einen?« fragte er höflich. Sie schüttelte den Kopf. Mit dem Glas in der Hand ging er zu einem der hohen, französischen Fenster und sah – wie in Gedanken versunken – hinaus. Rote Geranien und weiße Margeriten blühten auf der Terrasse in rustikalen Tonkübeln, und an der Balustrade rankte sich eine gelbe Rose empor. Yvonne näherte sich ihm zögernd bis auf wenige Schritte. Sein ihr zugewandter Rücken drückte Niedergeschlagenheit und Abweisung aus.

      »Was ist nur mit uns passiert, Ulf«, flüsterte sie. »Seit wann herrscht diese Kühle zwischen uns? Warum können wir nicht mehr miteinander sprechen – so wie früher? Wir haben uns doch einmal geliebt…«

      Er gab keine Antwort, und sie wußte nicht, ob er ihre fast tonlos hervorgestoßenen Worte überhaupt gehört hatte. Sie trat zu ihm und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. Er wandte den Kopf, und sie merkte, daß er mit seinen Gedanken weit weg war – ganz woanders, nur nicht bei ihr.

      »Woran denkst du, Ulf?« flüsterte sie. Er strich sich über die Stirn, und es war, als ob er aus einer anderen Welt zurückkäme.

      »Ich habe heute ein Kind in meiner Klinik behandelt, ein kleines Mädchen«, sagte er leise und verstummte dann. Yvonne preßte die Lippen aufeinander. Wieder war etwas anderes wichtiger als sie, seine Frau.

      Sie heuchelte Anteilnahme.

      »Was ist mit diesem Kind, ist es sehr krank?« fragte sie. »Es muß ja etwas Ernstes sein, wenn du, der Professor und Chefarzt, dich persönlich darum kümmerst.«

      »Das Kind ist inzwischen – zum Glück – auf dem Weg der Besserung«, sagte er. Dieses kleine Mädchen hatte etwas in ihm angerührt, hatte ihn nachdenklich gemacht. Er konnte es nicht vergessen. Es war ihm, als ob er es schon immer gekannt hätte, als ob es auf eine geheimnisvolle Weise zu ihm gehörte. »Das kleine Mädchen ist ganz entzückend. Man muß es gleich gern haben…«

      Er wandte sich ihr zu, sah sie ernsthaft an.

      »Yvonne, wir sollten Kinder haben«, sagte er dann. Sie senkte den Kopf.

      »Ja«, sagte sie gepreßt. Es war noch nicht lange her, da hatte ihr Frauenarzt ihr erklärt, daß sie wahrscheinlich niemals Kinder haben würde. Es müsse schon ein Wunder geschehen, bevor sie einem Kind das Leben schenken könnte. Es war wie ein Todesurteil für all ihre Hoffnungen gewesen – und sie hatte es Ulf bis jetzt verschwiegen.

      Langsam, als würden ihre Beine ihr nicht gehorchen, stand sie auf. Sie mußte es ihm sagen, sie mußte es hinter sich bringen.

      »Ulf, ich…«, begann sie, aber er ließ sie nicht ausreden. Er streckte ihr die Hand entgegen.

      »Kinder geben einer Ehe erst einen Sinn«, sagte er eifrig und sprach dann zögernd, als würde es ihn große Überwindung kosten, weiter: »Wir beide haben unsere Probleme miteinander, Yvonne. Wir haben uns – das hast du sicher auch längst gemerkt – auseinandergelebt. Ein Kind würde bestimmt dazu beitragen, daß wir wieder zueinanderfinden, daß wir uns wieder besser verstehen.«

      Yvonne hatte Mühe, die Tränen zu unterdrücken, die in ihr aufsteigen wollten.

      »So, findest du?« brachte sie mühsam heraus. Er runzelte die Stirn.

      »Du wohl nicht?« fragte er verstimmt, und sein Gesicht verschloß sich. Tränen stiegen in ihre Augen, liefen über ihre Wangen, schmeckten salzig in ihren Mundwinkeln. Sie schlug beide Hände vors Gesicht, und ihr Körper bebte vor unterdrücktem Schluchzen. Ulf sah seine Frau verwundert an. Derartige Gefühlsausbrüche war er von Yvonne nicht gewohnt.

      »Warum – warum weinst du denn?« fragte er verunsichert. Sie sah ihn an. Ihr Gesicht war tränenverschmiert, die Augen rotgerändert, und soviel Unglück sprach aus ihren Zügen, daß er sie betroffen musterte.

      »Was – was ist denn los?« wollte er wissen, doch sie schüttelte nur stumm den Kopf, brachte kein einziges Wort heraus. Erst dann fiel ihm ein, daß sie vor einigen Wochen einen Termin bei seinem Kollegen Dr. Geier, einem Frauenarzt, gehabt hatte – und eine düstere Ahnung überfiel ihn. Er trat auf sie zu, packte mit seinen Händen ihre Oberarme und rüttelte sie.

      »Was – was – hat Dr. Geier gesagt?« fragte er rauh. Sie schüttelte nur stumm, hilflos den Kopf. Erst nach einer Weile brachte sie heraus:

      »Ich – ich kann keine Kinder bekommen.«

      Ulf war aschfahl geworden. Er ließ sie abrupt los, daß sie taumelte. Dann wandte er sich ab, ging ohne ein weites Wort aus dem Zimmer und ließ sie stehen.

      Sie hörte, wie die Tür hinter ihm zufiel. Es war ein schrecklich endgültiger Laut, und sie schluchzte auf.

      »Ulf«, flüsterte sie – und mit einem Male wußte sie ganz deutlich, daß sie es nicht ertragen würde, ihn zu verlieren.

      *

      Ulf war innerlich aufgewühlt. Er mußte erst einmal mit der Tatsache fertig werden, daß Yvonne und er nie, nie Kinder haben würden. Er setzte sich in sein Auto und fuhr ziellos durch die Straßen. Die Gedanken jagten sich hinter seiner Stirn, Verzweiflung überkam ihn, und er haderte mit seinem Schicksal. Er sollte auf Kinder verzichten, nur, weil Yvonne nicht in der Lage war, welche zu bekommen? Er, der er sich immer – bewußt oder unbewußt – nach Kindern gesehnt hatte? Ein eigenes Kind in seinen Armen zu halten, Kinderaugen, die ihn vertrauensvoll


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