Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge


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inhaltslos und sogar fragwürdig vor. Sollte das nun für immer so weitergehen?

      Er merkte, daß seine Hände, die das Lenkrad hielten, zitterten, und er lenkte den Wagen in eine stille Seitenstraße. Er fuhr langsamer, die Gegend kam ihm immer bekannter vor, und bald fand er sich zu seiner eigenen Überraschung auf dem Parkplatz der Klinik wieder. Er hielt an, schaltete den Motor aus. Für einen Moment legte er seine Stirn auf das Lenkrad und schloß die Augen.

      Was hatte ihn hierher geführt? Würde die Arbeit, die Sorge um seine Patienten ihn ablenken? Doch dann fiel ihm das kleine Mädchen ein, das er heute behandelt hatte, das kleine Mädchen mit dem sonnigen Lachen und den strahlendblauen Augen. Wie hieß es doch gleich?

      »Annelie«, flüsterte er und stieg aus dem Auto aus. Er lief fast zum Eingang der Klinik, nahm zwei Stufen auf einmal, ging schnell den langen Flur entlang und stand endlich vor der Tür des Zimmers, in dem die Kleine untergebracht war. Er klopfte kurz und trat ein.

      »Na, wie geht’s, kleines Mädchen?« fragte Ulf liebevoll.

      »Danke, gut, Onkel Doktor«, antwortete sie und stellte fest: »Aber das hast du mich heute früh schon einmal gefragt und jetzt fragst du schon wieder!«

      »Ich möchte es eben gerne immer wieder hören, daß es dir gutgeht«, meinte er lachend und setzte sich an ihren Bettrand. »Du hast uns nämlich große Sorgen gemacht, du kleine Annelie.«

      »Ich heiße Amelie«, verbesserte sie ihn. »Und so klein bin ich auch nicht mehr. Ich komme nächstes Jahr schon in die Schule.«

      »Was, nächstes Jahr kommst du schon in die Schule?« wunderte er sich. »Dann bist du ja fast schon sechs Jahre alt.«

      »Noch nicht ganz, aber ich habe bald Geburtstag, dann werde ich sechs. Soll ich dich zu meinem Geburtstag einladen?«

      »O ja, gerne!« rief er aus. »Da muß ich dir aber auch ein Geschenk mitbringen. Was wünschst du dir denn?«

      »Ooch«, sagte sie langgezogen und legte die glatte Kinderstirn in nachdenkliche Falten. »Das muß ich mir erst mal überlegen. Weißt du, ich habe viele, viele Wünsche…«

      »Das kann ich mir denken, Annelie«, meinte er.

      »Warum kannst du dir meinen Namen nicht merken?« beschwerte sie sich. »Ich heiße Amelie! Mit einem ›m‹!«

      »Amelie – mit einem ›m‹!«, wiederholte er. »Entschuldige bitte, es soll nicht wieder vorkommen. Ich werde mir deinen Namen jetzt ganz bestimmt merken. Amelie – mit einem ›m‹! Das ist aber wirklich ein hübscher Name.«

      »Ja, er gefällt mir auch«, meinte die Kleine. »Amelie Mertens, so heiße ich richtig. Das paßt gut zusammen, findest du nicht auch?«

      »Mertens, Amelie Mertens«, wiederholte er tonlos. »Sagtest du ›Mertens‹?«

      Sie nickte. Der Name kam ihm nicht nur bekannt vor, er war wie ein Echo, weckte Erinnerungen in ihm. Erinnerungen an Liebe, an Glück – und Trennung…

      Nina, dachte er. Nina Mertens… Könnte es denn sein, daß dieses Kind vielleicht gar Ninas Tochter ist? Er schüttelte über sich selber und seine Mutmaßungen den Kopf.

      Mertens ist kein seltener Name, es müßte schon ein ganz großer Zufall sein, wenn es denn wirklich so wäre, überlegte er. Und so große Zufälle gibt es nicht.

      Er sah das Kind an, forschend, nachdenklich – und sah mit einem Mal ganz deutlich die Ähnlichkeit mit ihm, die Ähnlichkeit mit Nina, mit Nina Mertens, die Ähnlichkeit mit seiner Nina…

      »Amelie Mertens«, wiederholte er noch einmal und fragte dann langsam und stockend, denn seine Stimme wollte ihm nicht so recht gehorchen.

      »Heißt deine Mutter vielleicht – Nina?«

      Amelie riß die Augen vor Staunen weit auf.

      »Ja, sie heißt Nina«, bestätigte sie.

      »Hab ich mir’s doch gedacht«, antwortete er leise. Amelie sah ihn immer noch voller Verwunderung an.

      »Woher weißt du das denn, daß meine Mami Nina heißt?« Amelie sah ihn immer noch voller Verwunderung an.

      Er lächelte mühsam.

      »Ein Onkel Doktor muß vieles wissen«, entgegnete er. Er konnte seine Blicke nicht von dem Kind lassen, mußte es immerfort anschauen. Deshalb also war die Kleine ihm so vertraut – sie war Ninas Tochter. Das Kind von Nina, die er einmal geliebt und trotz allem, was später geschehen war, nie vergessen hatte. Gerade in den letzten Monaten hatte er so oft an sie und an die schöne Zeit mit ihr denken müssen…

      Aber er mußte noch mehr wissen, es ließ ihm keine Ruhe.

      »Und – dein Vater?« forschte er. Amelies blasses kleines Gesicht verschloß sich.

      »Wir haben keinen«, sagte sie kurz. Ulf holte tief Luft.

      »Jeder Mensch hat einen Vater, du auch«, drang er in sie. Amelie hob die schmalen Schultern.

      »Nun ja, aber er ist nicht hier. Vielleicht ist er im Urwald«, sagte sie mit einem kleinen Seufzer. »Ich weiß es nicht so genau, denn er schreibt mir nie. Aber vielleicht schreibt er mir doch und kann nur seine Postkarten nicht wegschicken. Weißt du, im Urwald gibt es nämlich keine Post.«

      »Wer sagt das?« fragte Ulf.

      »Meine Mami sagt das, die weiß nämlich alles«, erklärte Amelie. »Sie weiß auch, wo die Sterne hingehen und der Mond, wenn bei uns die Nacht vorbei ist und der Tag kommt.«

      »So, das weiß sie also auch«, sagte er, und seine Stimme war rauh. Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken.

      War es denn möglich, daß dieses Kind vielleicht sein Kind war? Sein eigenes Kind? Er überlegte, dachte nach, rechnete fieberhaft, überlegte wieder…

      Nein, es gab keinen Zweifel: die Zeit stimmte, und auch die Umstände. Es gab wirklich keinen Zweifel, die kleine Amelie war Ninas und seine Tochter.

      Sie sah ihrer Mutter ähnlich – war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, aber diese tiefblauen Augen, die hatte sie von ihm.

      Fast hätte er aufgeschrien vor Freude und innerem Jubel, hätte das kleine Mädchen am liebsten aus seinem Bett gerissen und an sich gedrückt. Aber er beherrschte sich mühsam. Er durfte die Kleine nicht erschrecken, er mußte sie sanft und liebevoll vorbereiten. Vorbereiten, worauf?

      Daß sie meine Tochter ist! dachte er freudig bewegt.

      Meine Tochter! Meine Tochter! Mein Kind! sang es in ihm, und er konnte sich vor Freude kaum fassen. Er mußte das Kind immerzu ansehen, konnte den Blick nicht von ihr wenden.

      »Warum schaust du mich so an?« wollte sie wissen.

      Er legte seine Hand auf ihre kleine, schmale, die auf der Bettdecke lag.

      »Weil ich mich freue, daß du bald wieder gesund bist«, sagte er.

      »Dann darf ich wieder nach Hause, nicht wahr?« sagte sie sehnsüchtig.

      »Gefällt es dir nicht bei uns?« fragte er lächelnd. Sie schüttelte den Kopf.

      »Nicht besonders«, sagte sie ehrlich. »Zu Hause ist es viel besser, und außerdem ist es hier schrecklich langweilig.«

      »Ja, das glaube ich dir gerne«, meinte er. »Zu Hause ist es immer am besten. Sag mal, kommt deine Mami dich heute noch besuchen?« fragte er. Amelie nickte.

      »Ganz bestimmt. Sie müßte eigentlich schon längst hier sein.«

      »Dann werde ich jetzt gehen«, sagte er und stand auf. Er wollte Nina nicht begegnen, noch nicht. Er fühlte sich im Moment einer Begegnung mit Nina nicht gewachsen. Zu sehr war er im Inneren aufgewühlt von der Tatsache, daß er durch Zufall erfahren mußte, daß er ein Kind hatte, daß er Vater war.

      »Ich komme morgen wieder«, versprach er. Er beugte sich hinunter und küßte die Kleine auf die Stirn.

      »Willst


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