Römische Geschichte. Cassius Dio

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Römische Geschichte - Cassius Dio


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zurecht und geraten ebenso sehr in Bestürzung, wie sie früher furchtlose Kühnheit gezeigt hatten. Denn durch leichte Anregung werden sie plötzlich auf das Gegenteil geführt, da sie sich nicht nach feststehenden Vernunftgründen für das eine oder das andere entscheiden.

      146. Im Jahr der Stadt 529 (225 v.Chr.).

      Aemilius triumphierte über die besiegten Insubrer und führte dabei die Vornehmsten der Gefangenen aus Hohn bewaffnet auf das Capitol, weil er erfuhr, dass sie geschworen hatten, nicht früher ihre Panzer abzulegen, als bis sie das Capitol erstiegen hätten.

      147. Im Jahr der Stadt 531? (223 v.Chr.).

      Wenn bei feierlichen Versammlungen auch nur das geringste Versehen vorkam, wurden sie zum zweiten, dritten oder noch öfteren Mal wiederholt, bis sie glaubten, dass alles ohne Fehl geschehen sei.

      148. Die Römer waren im Krieg berühmt und lebten unter sich in Eintracht. Während die meisten übermäßiges Glück zum Übermut und große Furcht zur Nachgiebigkeit führt, war bei ihnen das Gegenteil der Fall. Je glücklicher sie waren, desto gutmütiger wurden sie. Den Trotz der Tapferkeit zeigten sie gegen Feinde, im Verkehr unter sich aber Ruhe und Mäßigung. Ihre Kraft betätigten sie in Übung der Billigkeit, ihre Sittsamkeit in Erwerbung echter Tapferkeit, indem weder ihr Glück in Übermut noch ihre Nachgiebigkeit in Feigheit umschlug. So waren sie denn damals gemäßigt aus Tapferkeit. Denn sie meinten, dass Übermut durch Übermut untergehe, dagegen Mäßigung durch Tapferkeit sicherer und das Glück durch Ordnungsliebe dauerhafter werde. Und deswegen führten sie auch die gegen sie ausbrechenden Krieg mit dem glücklichsten Erfolg und verwalteten ihre und der Bundesgenossen Angelegenheiten auf das Beste.

      149. Im Jahr der Stadt 535 (219 v.Chr.).

      Durch die Vormundschaft über Pinnes und die Vermählung mit dessen Mutter Triteuta nach Teutas Tod übermütig, bedrückte Demetrius die Eingeborenen und verheerte das Gebiet der Grenznachbarn. Als die Römer, deren Freundschaft er zu diesen Bedrückungen zu missbrauchen schien, dies erfuhren, luden sie ihn vor. Da er nicht gehorchte, sondern sogar ihre Bundesgenossen angriff, zogen sie gegen ihn nach Issa zu Felde.

      150. Im Jahr der Stadt 535 (219 v.Chr.).

      Alle Völker diesseits der Alpen schlossen sich an die Karthager an, nicht dass sie die Karthager lieber zu Herren wollten als die Römer, sondern weil sie jede Herrschaft hassten und das noch Unversuchte liebten. Alle Völkerschaften waren mit den Karthagern gegen die Römer verbündet. Alle aber wog, sozusagen, Hannibal auf. Mit dem schärfsten Blick wusste er alles, was er wünschte, […] durchzuführen. Das eine erfordert Stetigkeit, das andere schnellen Entschluss und augenblickliche Ausführung […] und er war seines Erfolgs so sicher, dass er ihn sogar verbürgen konnte. Die gegenwärtigen Umstände nützte er mit Sicherheit und die Zukunft, […] über das Gewöhnliche der tüchtigste Ratgeber und der bestimmteste Vorherseher unerwarteter Ereignisse, weswegen er sie, wenn sie eintraten, aufs Schnellste und Geschickteste benutzte und die Zukunft wieder im Voraus in seinen Gedanken durchschaute. Daher wusste er auch unter allen am besten Reden und Handlungen den Umständen anzupassen, indem er den Besitz und das zu Hoffende gleich sehr in Anschlag brachte. Dies konnte er aber, weil er, außer seinen vortrefflichen Naturanlagen, nach Landessitte in punischer und selbst in griechischer Wissenschaft nicht unbewandert war, auch sich auf die Deutung der Eingeweide verstand. Diesen Geistesvorzügen entsprach auch sein teils von Natur, teils durch Lebensweise erstarkter Körper, sodass es ihm leicht war, alles, was er unternahm, zu Ende zu bringen. Denn er besaß Gewandtheit und Kraft in höchstem Grad. Er konnte deshalb ohne Beschwerde laufen, stehen und im gestrecktesten Galopp reiten. Nie fühlte er sich durch Speise überladen, nie durch Entbehrung erschöpft. Beides, das zu Viele und das zu Wenige, schien bei ihm das rechte Maß. Mühsale gaben ihm Spannkraft, Nachtwachen Stärkung.

      Bei solchem Geist, solchem Körper war sein Benehmen in Geschäften folgendes: Überzeugt, dass die meisten ihm nur des Vorteils wegen treu seien, stellte er sich mit ihnen auf gleichen Fuß und hegte gegen sie den gleichen Verdacht, sodass er andere oft mit Erfolg hinterging und äußerst selten durch Überlistung zu Schaden kam. Da er jeden, der ihm schaden wollte, mit größter Härte strafte, indem er es vorteilhafter fand, Unrecht zu tun, als zu leiden, und wollte, dass andere in seiner, nicht er sich in der Gewalt anderer befände.

      Überhaupt sah er mehr auf das Wesentliche an den Dingen als auf Berühmtheit, wenn sich nicht beides vereinigen ließ. Wen er nötig fand, den ehrte er sogar im Übermaß. Denn Sklaven der Ehrbegierde waren in seinen Augen die meisten, und die Erfahrung lehrte ihn, dass sie sich darum, selbst gegen ihren Vorteil, freiwillig in Gefahren stürzten, weshalb er sich oft Gewinn und Genuss versagte, um jenen beides in reichsten Maße zuzuweisen und sie dadurch zu freiwilligen Teilnehmern seiner Mühsale zu machen. Er teilte aber nicht nur die gleiche Kost, sondern auch die Gefahren mit ihnen, indem er allem, was er von ihnen forderte, sich zuerst unterzog; denn so, glaubte er, würden ihm jene, nicht durch bloße Worte befeuert, freiwillig und ohne Widerrede folgen. Gegen die Übrigen bediente er sich immer eines herrischen Tons, sodass ihm die einen, weil er sich in der Lebensart ihnen gleichsetzte, ergeben waren, andere ihn seines Hochmuts wegen fürchteten. Daher vermochte er den Übermütigen zu bangen, den Demütigen zu erheben, dem einen Furcht, dem anderen Vertrauen, dem Hoffnung, jenem Verzweiflung über die wichtigsten Dinge in kürzester Zeit, wie er nur wollte, einzuflößen.

      Dass dies nicht ohne Grund von ihm behauptet wird, sondern wahr ist, beweisen seine Handlungen. Den größten Teil Hispaniens eroberte er in kurzer Zeit und trug von dort den Krieg durch das Land der Gallier, nicht nur nicht befreundeter, sondern selbst unbekannter Völker, nach Italien. Unter allen Nichteuropäern ging er, unseres Wissens, zuerst mit einem Heer über die Alpen, zog auf Rom los und riss fast alle Bundesgenossen teils durch Gewalt, teils durch Überredung von diesem los. Und dies tat er allein, für sich und ohne Mitwirkung der Karthager; denn er war weder anfangs von den heimischen Obrigkeiten ausgeschickt noch auch später von ihnen bedeutend unterstützt worden. Obgleich sie von ihm nicht geringen Ruhm und Vorteil ernteten, wollten sie doch mehr, sich den Schein geben, ihn nicht zu verlassen, als ihn nachdrücklich unterstützen.

      151. »Der Friede erwirbt und erhält den Besitz, der Krieg dagegen verzehrt und verschwendet ihn.«38 – »Der Mensch fühlt einen natürlichen Trieb, über Untergebene zu herrschen und die Gunst des Glücks gegen solche, die freiwillig nachgeben, geltend zu machen. […] Uns aber, glaubt ihr, die ihr es wisst und erfahren habt, genüge gegen euch zur Sicherheit Nachgiebigkeit und Milde? Was Ihr uns heimlich oder mit Gewalt entführt habt, sollen wir für nichts erachten, uns nicht zur Wehr setzen, nicht vergelten, uns nicht rächen? Und zwar […] denken, dass ihr diese Dinge mit allem Fug gegeneinander tut, gegen die Karthager aber müsst ihr menschlich und ehrenhaft handeln. – Denn gegen Bürger muss man billig und bürgerlich verfahren. – Wenn einer wider Erwarten gerettet wird, so ist dies unsere Sache, bei den Feinden aber handelt es sich um Sicherheit; denn unsere Rettung hängt nicht davon ab, dass wir sie zu unserem Nachteil verschonen, sondern dass wir sie besiegen und schwächen.

      152. »Der Krieg erhält oft das Eigentum und gewinnt noch das Fremde; der Friede aber lässt nicht nur das durch jenen Erworbene verloren gehen, er geht selbst mit verloren.« – »Es bringt Schande, vor der Überlegung sogleich zur Tat zu schreiten; denn habt ihr guten Erfolg, so hättet ihr mehr Glück als Verstand, habt ihr aber schlechten, so schilt man euch unbesonnen, weil ihr nichts ausgerichtet habt. Wer weiß nicht, dass Schimpfen und Klagen über solche, die uns bekriegt haben, leicht und jedermanns Sache ist; den Vorteil der Stadt selbst aber nicht nach dem Unwillen, den man fühlt über das, was einige getan haben, sondern nach dem Nutzen allein, den sie davon hat, zu ermessen, ist Pflicht des Ratgebers. Treibe und berede uns, Lentulus, nicht zum Krieg, bevor du uns dessen Nutzen dargetan hast, und bedenke vor allem, dass es etwas anderes ist, hier von Kriegsangelegenheiten zu schwatzen, und selbst auf dem Schlachtfeld mitzukämpfen.

      Viele bringen Unglücksfälle zu Recht; oft kommen solche durch gute Ausnutzung derselben am Ende besser an, als diejenigen, die sich eines beständigen und vollkommenen Glücks erfreuten und eben darum übermütig wurden. Denn das Unglück scheint oft sehr heilsam, weil es die Menschen nicht mutwillig und übermütig werden lässt. Am besten aber ist es immerhin, wenn man von Natur einen Trieb zu dem Besseren hat und die Befriedigung der Begierde nicht


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