Römische Geschichte. Cassius Dio

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Römische Geschichte - Cassius Dio


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gebracht zu werden, sodass man es sich zum Glück rechnen darf, wenn man nicht immer glücklich ist.

      Man muss auf der Hut sein, um nicht das Gleiche zum zweiten Mal zu erfahren. Das ist oft der einzige Nutzen, den einer aus dem Unglück zieht; denn nicht selten trügen Glücksfälle die, welche unbesonnen genug sind, sich der Hoffnung hinzugeben, dass sie zum zweiten Mal obsiegen werden. Unfälle aber nötigen jeden, aus der Erfahrung belehrt, einen sicheren Blick in die Zukunft zu tun. – Nicht wenig gewinnt uns die Gnade der Götter und den Ruhm vor den Menschen, wenn wir im Rufe stehen, dass wir nicht freiwillig Krieg anfangen, sondern genötigt werden, uns der Angreifenden zu erwehren.«

      Nachdem man solcherlei Reden von beiden Seiten gehalten hatte, wurde für gut befunden, sich zum Krieg zwar zu rüsten, ihn aber nicht zu beschließen, sondern Gesandte nach Karthago zu schicken, um gegen Hannibal Klage zu führen. Wenn sie das von ihm Geschehene missbilligten, ihn zur Rechenschaft zu fordern. Schöben sie aber die Schuld auf jenen, seine Auslieferung zu verlangen und, wenn sie ihn auslieferten, ruhig zu bleiben, wenn nicht, ihnen den Krieg anzukündigen.

      Als die Karthager den Gesandten keine bestimmte Antwort gaben, sondern wenig Kenntnis von ihnen nahmen, schlug Marcus Fabius39 die Hände unter das Gewand und hob sie auf mit den Worten: »Ich bringe euch hier den Krieg und den Frieden, Karthager; wählt mit offenen Augen, welchen ihr haben wollt.« Als aber jene darauf antworten, dass sie keinen von beiden wählten, sondern nähmen, was sie ihnen übrig ließen, kündigte er ihnen den Krieg an.

      Die Römer forderten die Arbornesen40 zur Bundesgenossenschaft auf; diese aber erwiderten, dass ihnen von den Karthagern nichts zuleide noch von den Römern etwas zuliebe geschehen sei, um gegen jene Krieg zu führen oder diesen beizustehen; ja sie waren über sie höchst aufgebracht, indem sie ihnen vorhielten, dass sie ihren Stammgenossen mancherlei Unbilden angetan hätten.

      153. Diese Erwartung hegten, wie Dio sagt, Römer und Karthager, und sie hatten ihren Hass für den Beginn des Krieges auf das Höchste gesteigert. – Hoffnung treibt alle Menschen zur Begierde und lässt sie mit mehr Mut und Sicherheit auf den Sieg vertrauen; die Niedergeschlagenheit aber treibt zum Kleinmut und zur Verzweiflung und raubt die Stärke der Tapferkeit. – Wie nun immer Unsicherheit und Ungewissheit viele in Unruhe zu versetzen pflegten, so flößten sie auch den Hispaniern nicht geringe Furcht ein. – Denn die Menge, die nicht aus eigenen Gründen, sondern der Bundesverwandtschaft wegen zu Felde zieht, hat meist nur so lange Mut, wie sie ohne Gefahr auf Gegendienste hoffen darf; wenn sich aber Kämpfe nahen, da schwinden ihre Hoffnungen auf Vorteil und sie weiß nichts mehr von ihren Versprechungen. Sie beredet sich, überall habe sie alles schon bestens ausgeführt, wenn sie aber irgendwo minder glücklich war, so gilt ihr dies nichts gegen die Hoffnungen, die sie gehegt hatte.

      154. Als für das zahllose Heer keine Vorräte zureichen wollten und ihm einer deshalb riet, die Soldaten mit dem Fleisch der Feinde abzuspeisen, fand er den Vorschlag nicht abscheulich, sondern befürchtete nur, sie würden, wenn es ihnen an Feinden fehlte, einander selbst aufzehren.

      155. Im Jahr der Stadt 536 (218 v.Chr.)

      Vor der Schlacht rief Hannibal seine Soldaten zusammen, führte die auf dem Zug Gefangenen vor und fragte diese, ob sie lieber in Fesseln und schimpflicher Knechtschaft leben oder im Zweikampf einander gegenübertreten und als Sieger ohne Lösegeld entlassen werden wollten? Als sie das Letztere wählten, ließ er sie aufeinander los und, als sie miteinander kämpften, sprach er: »Ist es nicht eine Schande, Soldaten, dass eure Gefangenen so tapferen Sinnes sind, dass sie lieber sterben als in Knechtschaft leben wollen, ihr aber dafür, dass ihr nicht anderen dienet, vielmehr über sie herrschet, irgendeine Mühsal, eine Gefahr zu bestehen euch scheut?«

      156. »Wer einmal besiegt worden ist, hat immer eine Scheu vor dem Sieger und wagt nicht mehr, seinen Sinn wider ihn zu erheben. […] Furchtsames und unzuverlässiges Volk, alle diese Gallier; wie es schnell sich bei Hoffnungen ermutigt, so wird es noch schneller in Furcht und Schrecken gesetzt […].« – »Was wir vom Feind besiegt erlitten, das wollen wir ihm als Sieger vergelten. Denn bedenkt wohl, dass wir als Sieger all das Vorerwähnte erhalten, als Besiegte aber nirgends eine sichere Zuflucht finden; denn dem Sieger ist, wenn man ihn auch hasst, alles alsbald befreundet; der Besiegte dagegen wird von allen, selbst seinen Freunden, verlassen.

      157. Im Jahr der Stadt 537 (217 v.Chr.).

      Von vielen teils wahren, teils fälschlich vorgegeben Schreckenszeichen wird berichtet. Wenn die Leute nämlich in heftige Angst geraten und sich ihnen eine ungewöhnliche Erscheinung zeigt, so deuten sie diese oft in etwas ganz anderes um, und sobald einmal etwas davon geglaubt wird, werden sogleich auch schon […]. Also die Opfer und das andere […] zur Sühne und zu […] gewohnt sind zu tun. Anderes […] solchem gegen die bessere Überzeugung ihrer Hoffnung wegen Glauben schenkten; und damals, wenn sie auch mehr wegen der Größe der erwarteten Gefahr glaubten, dass auch das Härteste davon […] werden besiegt werden.

      158. Sei es, um dem Fabius, als einem Freund der Karthager, gefällig zu sein oder um ihn verdächtig zu machen, ließ er nichts von seinen Gütern beschädigen. Als daher bei einem Gefangenenaustausch zwischen den Römern und den Karthagern ausbedungen wurde, dass das Mehr auf der einen oder anderen Seite mit Geld gelöst werden sollte, aber die Römer sie aus dem öffentlichen Schatz nicht loskaufen wollten, so verkaufte Fabius seine Grundstücke und zahlte das Lösegeld für sie.

      »Denn ich werde angeklagt, nicht dass ich übereilt in den Kampf gehe oder gefahrvolle Unternehmungen mache, um nach dem Verlust vieler Soldaten und der Erlegung gleich vieler Feinde als Imperator begrüßt zu werden und einen Triumph zu feiern, sondern weil ich zögere und zaudere und auf eure Erhaltung stets eifrigst bedacht bin.«41

      »Ist es denn nicht widersinnig, das Auswärtige und Entfernte in gutem Stande zu wünschen, ehe man die Stadt selbst in Ordnung bringt? Ist es nicht töricht, über die Feinde siegen zu wollen, bevor man die eigenen Angelegenheiten beigelegt hat?«

      »Wohl weiß ich, dass meine Rede euch hart erscheint; bedenket aber, dass auch die Ärzte viele nur dadurch allein heilen können, dass sie sie trennen und schneiden; und dann, dass es mir nicht Freude und Vergnügen macht, also zu sprechen, ja dass ich eben darum euch schelte, dass ihr mich zu solchen Reden nötigt, wenn ihr sie aber nicht gerne hört, so tut nicht Dinge, für die man euch nicht loben kann; wenn meine Worte einige von euch schmerzen, wie sollten nicht vielmehr mich und die anderen alle eure Handlungen schmerzen?«

      »Denn die Sprache der Wahrheit enthält etwas Bitteres, wenn einer mit kühnem Freimut großer Güter Hoffnung hinweg nimmt; die Lügenworte des Schmeichlers dagegen haben den Beifall der Zuhörer.«

      Die Römer setzten ihn deshalb zwar nicht ab, gaben aber dem Reiterobristen dieselbe Gewalt, sodass beide den gleichen Oberbefehl haben sollten. Fabius trug jedoch darüber weder Hass gegen die Mitbürger noch gegen Rufus. Er verzieh ihnen menschliche Schwachheit und war zufrieden, auf welche Weise sie auch siegen würden. Denn die Rettung und der Sieg des Vaterlands, nicht der eigene Ruhm waren seiner Wünsche Ziel; das Verdienst, glaubte er, liege nicht in Volksbeschlüssen, sondern in der Seele eines jeden, und Sieg oder Niederlage hänge nicht von Verordnungen, sondern von eines jeden Geschick oder Unerfahrenheit ab.

      Rufus dagegen, schon früher nicht recht klug, wurde jetzt noch aufgeblasener, und konnte, da er, als Lohn seines Ungehorsams, gleiche Gewalt mit dem Diktator erlangt hatte, sich nicht mehr fassen, sondern verlangte, einen Tag um den anderen oder auch mehrere hintereinander den alleinigen Oberbefehl. Fabius aber, welcher fürchtete, er möchte, des ganzen Heeres mächtig, einen unbesonnenen Schritt tun, gestand ihm keines von beiden zu, sondern teilte das Heer, sodass sie gleich den Konsuln jeder seine eigenen Truppen hatten. Sogleich trennten sie die Lager, um durch die Tat deutlich zu machen, dass er für sich befehle und nicht mehr unter dem Diktator stehe.

      Die Diktatoren, zufrieden, wenn […] veränderten, auf die Nachricht, dass Hannibal sich von seinem Zug nach Rom abgewendet habe und nach Campanien marschiere, gleichfalls in der Stille, nicht gar gerne, doch auch nicht gezwungen, der Sicherheit wegen ihren Standort.

      Fabius war mehr auf die Sicherheit als auf gefährliche Wagnisse bedacht und traute sich nicht, mit Meistern in der Kriegskunst handgemein


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