Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.der Römer bekriegt hatte. Man sagte auch, dass er zu Hause, so oft römische Gesandte kamen, denselben die gleiche Ehrfurcht bezeigte. Er nannte sich einen Freigelassenen des römischen Volkes und erschien oft mit einem Hut.
199. Scipio wurde als ein Jüngling von 24 Jahren Oberfeldherr.46
200. »Denn welche Altersstufe ist dem aus den Knabenjahren Getretenen zu pflichtmäßigen Gesinnungen bestimmt? Welche Zahl der Jahre zu pflichtmäßigen Handlungen gesetzt? Sind es nicht diejenigen, welche natürliches Geschick und gutes Glück haben, die gleich von Anfang an das Rechte denken und tun? Wer in diesem Alter beschränkten Geistes ist, wird auch später, wenn er viele Jahre durchlaufen hat, nicht verständiger werden. Besser mag man mit vorgerücktem Alter werden; aber der Unverständige dürfte nicht leicht verständig, der Tor nicht leicht weise werden.«
Nehmt daher den jungen Männern nicht den Mut, als hättet ihr im Voraus an ihrer Tüchtigkeit, das Rechte zu tun, zu zweifeln; im Gegenteil müsst ihr sie aufmuntern; sie zu unverdrossener Pflichterfüllung anhalten, als würden sie, noch ehe sie zu Greisen ergraut, Ehren und Ämter erlangen; denn dadurch macht ihr auch die Eltern besser, erstens zeigt ihr ihnen viele Nebenbuhler, zum Zweiten beweist ihr, dass ihr wie alles andere so auch den Oberbefehl vornehmlich nicht nach der Zahl der Jahre, sondern nach der innewohnenden Tüchtigkeit allen euren Mitbürgern verteilt.«47
201. Scipio Africanus der Jüngere wusste immer unter mehrerem das Geeignetste auszusuchen und in unvorhergesehenen Fällen, was am meisten nottat, zu treffen und zügig in die Tat umzusetzen. Was zu tun war, bedachte er mit sicherem Takt, bei der Ausführung aber ging er mit sorgfältiger Behutsamkeit zu Werke. Daher kam es, dass er mit ruhiger Überlegung alle Vorteile genau erwog und, auf unerwartete Fälle gefasst, auch in ihnen mit Sicherheit handelte. Trat also der Fall ein, dass lange Überlegung unmöglich war (wie dies in den unerwarteten Kriegswechseln und bei der Unbeständigkeit des Glückes täglich zu geschehen pflegt), so tat er auch hier keinen Fehlgriff. Denn aus Gewohnheit, und weil er nie unbesonnen verfuhr, konnte ihm nichts so unerwartet kommen, dass er die Geistesgegenwart verlor. Vielmehr benahm er sich auch bei unvorhergesehenen Fällen, weil er sich niemals ganz sicher glaubte, so, als hätte er schon längst darauf gerechnet.
Er war in höchstem Grade mutig, wo er Erfolg hoffte; kühn, wo er des Sieges gewiss war: Denn an Leibesstärke nahm er es mit jedem Soldaten auf und verdiente sich nicht wenig Bewunderung, dass er die besten Pläne als Feldherr ersann und, wenn es zur Tat kam, sie mit einem Eifer ausführte, als ob er von anderen dazu befehligt würde. Allein nicht nur hierin stellte er seinen Mann, er hatte sich sowohl bei Mitbürgern und Freunden als auch bei Fremden und selbst den erbittertsten Feinden festes Zutrauen erworben. Und dies war auch der Grund, dass viele Einzelne und viele Städte sich für ihn erklärten. Denn da er nichts unbesonnen, aus Leidenschaft oder Furcht tat oder sprach, sondern mit festem Urteil auf jeden Zufall gefasst war und der Unbeständigkeit menschlicher Dinge nicht zu viel vertraute, unternahm er nichts Verzweifeltes, sondern überdachte alles nach dem gewöhnlichen Gang der Dinge, erwog alles, was geschehen sollte, noch bevor er dazu genötigt war, und schritt dann mit Sicherheit zur Ausführung. So war er einer der wenigen, wenn nicht der einzige Sterbliche, der bei solchen Eigenschaften durch seine Mäßigung und Anspruchslosigkeit weder die Missgunst seiner Standesgenossen noch überhaupt jemandes auf sich zog. Denn bei Niedrigeren sich gleichstellend, über die Ranggenossen sich nicht erhebend, den Höheren weichend, war er selbst über den Neid, der die trefflichsten Männer oft zu Fall bringt, erhaben.
202. Im Jahr der Stadt 605 (149 v.Chr.).
Der Lusitanier Viriatus, von sehr niedriger Abkunft, wie einige glauben, der durch seine Taten weltberühmt wurde (erst Hirte, dann Räuber, zuletzt Feldherr) war durch Natur und Übung gleich schnell, in der Verfolgung wie in der Flucht, und stand auch tapfer im Kampf. Speise und Trank, wo und wie er sie traf, galten ihm gleich. Den größten Teil seines Lebens brachte er unter freiem Himmel zu und begnügte sich mit dem Bett der Natur. Daher ertrug er auch jeden Grad Hitze, jede Kälte, litt nie unter dem Hunger, noch unter sonstigen Beschwerlichkeiten, indem er alle Bedürfnisse mit dem, was er gerade fand, als mit dem Besten aufs Behaglichste befriedigte.
Bei einem solchen Körper, wie ihn Natur und Übung gebildet hatten, zeichnete er sich mehr noch durch Geistesvorrang aus. Schnell war er im Denken und Handeln. Er wusste gleich, was zu tun war, und traf den rechten Zeltpunkt für die Ausführung. Meister in der Verstellung, stellte er sich, als ob er das Bekannteste nicht wüsste, und das Geheimste ihm nicht verborgen wäre. Zugleich Feldherr und sein eigener Diener in allen Stücken, sah man ihn dadurch weder erniedrigt noch verhasst. Seine niedrige Abkunft und seine Würde als Führer machten in ihm eine solche Mischung, dass er unter und über keinem zu stehen schien. Überhaupt führte er den Krieg nicht aus Habsucht, Herrschsucht oder Hass, sondern einzig der Taten wegen. Daher galt er als der leidenschaftlichste und geschickteste Kriegsmann.
203. Im Jahr der Stadt 606 (148 v.Chr.).
Urheber der Uneinigkeiten waren die Achaier, welche den Spartanern (mit denen sie nie recht einig waren) besonders auf Antrieb ihres Strategen Diaios an all ihrem Unglück Schuld gaben. Obgleich die Römer öfter Vermittler schickten, gaben sie doch nicht nach; und als jene Gesandte abfertigten, um womöglich die griechischen Staaten zu trennen und dadurch zu schwächen, unter dem Vorwand, dass die früher unter Philipp gestandenen Städte, darunter auch das damals blühende Korinth, welches in der Versammlung den größten Einfluss hatte, nicht mehr daran teilnehmen dürften, so fehlte nicht viel, dass sie dieselben getötet oder fortgejagt hätten, wenn jene nicht noch rechtzeitig aus der Burg von Korinth, wo sie wohnten, entwischt wären.
Sie schickten jedoch Gesandte nach Rom, um sich wegen des Vorgefallenen zu entschuldigen. Nicht auf jene, sagten sie, sondern auf die bei ihnen befindlichen Spartaner hätten sie es abgesehen gehabt. Die Römer ließen ihre Entschuldigung auf sich beruhen (denn sie hatten noch mit den Karthagern Krieg und konnten sich auch noch nicht auf Makedonien verlassen), schickten aber doch Gesandte ab, die ihnen Verzeihung versprechen sollten, wenn sie sich ruhig verhielten. Sie ließen dieselben jedoch nicht vor die Bundesversammlung, sondern verwiesen sie auf die nächste Sitzung, welche erst nach sechs Monaten gehalten werden sollte.
204. [Appius] Claudius, der Amtsgenosse des Metellus, stolz auf seine Ahnen und neidisch auf den Kollegen, erhielt durch das Los Italien zur Provinz und fand hier keinen Feind. Er wünschte aber auf jeden Fall einen Vorwand zum Triumph zu erhalten und machte die Salasser, ein gallisches Volk, ohne dass sie sich früher etwas hatten zuschulden kommen lassen, zu Feinden der Römer. Er war nämlich abgesandt, zwischen ihnen und ihren Grenznachbarn, mit denen sie wegen des zu ihren Goldbergwerken nötigen Wassers im Streit lagen, zu vermitteln, und verheerte ihr ganzes Land. Die Römer schickten ihm zwei von den zehn Priestern zu.48
Obgleich Claudius sehr wohl wusste, dass er nicht gesiegt hatte, war er doch so unverschämt, ohne im Senat oder vor dem Volk des Triumphs Erwähnung getan zu haben, als ob er ihm auch ohne vorhergegangenen Beschluss und ohne Weiteres gebührte, die Kosten dazu zu verlangen.
205. Im Jahr 612 (143 v.Chr.).
Popilius setzte den Viriatus dergestalt in Schrecken, dass er sogleich, ehe er es zur Schlacht kommen ließ, Frieden anbot; und als man nun die Rädelsführer der von den Römern Abtrünnigen verlangte, ließ er die einen töten (unter diesen auch seinen Schwiegersohn, obgleich er einen besonderen Heeresteil befehligte), die anderen ausliefern. Diesen allen ließ der Konsul die Hände abhauen. Man wäre völlig ins Reine gekommen, wenn man ihm nicht auch die Waffen abverlangt hätte. Denn dazu wollte sich weder Viriatus noch die übrige Menge verstehen.
206. Im Jahr 612 (143 v.Chr.).
Mummius und Africanus (die Zensoren) waren in ihrem Charakter durchaus verschieden. Denn der Letztere verwaltete, ohne Ansehen der Person, sein Amt mit der strengsten Gewissenhaftigkeit und forderte viele aus dem Senat, dem Ritterstand und auch Einzelne aus dem Volk vor seinen Richterstuhl. Mummius dagegen, als Volksfreund mit mehr Schonung verfahrend, belegte nicht nur niemanden mit entehrender Strafe, sondern hob auch, soweit er konnte, die Verfügungen seines Amtsgenossen wieder auf. Er war von Natur so nachsichtig, dass er dem Lucullus zur Einweihung des Tempels der Glücksgöttin, den er von der Beute des Hispanischen Kriegs erbaut hatte, seine Bildsäulen lieh, und