Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.(123–121 v.Chr.).
Als ein Mann von solchem Charakter griff er die Staatsverfassung an; und weil er sich stellte, als ob er etwas Unerlaubtes weder spreche noch tue, stand er bald bei Volk und Rittern in höchstem Ansehen und hätte bei längerem Leben den ganzen Adel und Senat zugrunde gerichtet. Durch übermäßige Herrschsucht aber selbst seinen Anhängern verhasst, ging er durch seine eigenen Künste unter.
219. Im Jahr der Stadt 635 (119 v.Chr.).
In das sechshundertfünfunddreißigste Jahr der Erbauung Roms fiel die hundertvierundsechzigste Olympiade.
220. Im Jahr der Stadt 640 (114 v.Chr.).
Die Priesterinnen der Vesta hatten zwar die Strafe und die Schande selbst zu büßen, machten aber auch viele andere unglücklich. Die ganze Stadt kam durch sie in Unruhe. Denn bedachte man, dass das sonst durch Gesetze Unverletzliche, durch Religion Geheiligte, durch Furcht vor Strafe rein Erhaltene befleckt wurde, so hielt man nichts mehr für zu schändlich und ruchlos, dass es nicht verübt werden könnte. Es wurden daher nicht nur die Überwiesenen, sondern, aus Abscheu vor dem Verbrechen, auch alle anderen Angeklagten zur Strafe gezogen; und man schien nicht so sehr über das Verbrechen der Frauen bekümmert, sondern das Ganze für ein Verhängnis göttlichen Zorns anzusehen.
Drei derselben hatten sich zu gleicher Zeit mit Männern eingelassen. Eine von ihnen, Marcia, hatte nur mit einem Ritter zu tun gehabt und wäre vielleicht unentdeckt geblieben, wenn nicht die strenge Untersuchung gegen die anderen auch sie hineingezogen hätte. Aemilia und Licinia aber hatten eine Menge Buhlen und gaben sich, eine um die andere, denselben hin. Anfangs hatten sie nur mit wenigen Einzelnen und insgeheim Umgang und stellten sich, als wäre jeder der allein Begünstigte, später aber ließen sie jeden, der Verdacht schöpfen und sie verraten konnte, um ihn zum Stillschweigen zu nötigen, an ihrem Umgang teilnehmen. Ihre älteren Liebhaber, obgleich die es bemerkten, ließen es sich gefallen, um sich nicht durch ihren Unwillen zu verraten. So gaben sie sich bald mit einem, bald mit vielen, bald einzeln, bald gemeinschaftlich ab, Licinia aber vornehmlich mit dem Bruder der Aemilia und Aemilia mit dem der Licinia.
Lange Zeit blieb die Sache verborgen. Obgleich viele Männer und Frauen, Freie und Sklaven darum wussten, blieb es doch sehr lange verschwiegen, bis ein gewisser Manius, der bei dem ganzen Frevel den vornehmsten Unterhändler und Helfer gemacht hatte, die Sache verriet, weil er seine Freiheit und andere Vorteile, auf die er gehofft hatte, nicht erhalten hatte. Wirklich besaß er auch nicht nur zum Kuppeln, sondern auch zur Verleumdung und zum Hetzen besonderes Geschick.
221. Im Jahr der Stadt 642 (112 v.Chr.).
Schon dies allein hatte Marcus Drusus Ruhm gebracht. Catos frühere Niederlage, und weil er die Soldaten mit großer Milde behandelte, bewirkten aber, dass sein Sieg, wie es schien, zu hoch veranschlagt wurde und er mehr Ehre erntete, als seine Taten verdienten.
222. Im Jahr der Stadt 646 (108 v.Chr.).
Metellus forderte von Iugurtha, der ihm Frieden anbot, vieles, aber jedes einzeln und immer so, als ob er sonst nichts weiter fordern wollte. So erhielt er von ihm nach und nach Geiseln, Waffen, die Elefanten, die Gefangenen und die Überläufer. Letztere ließ er alle töten. Doch kam es nicht zum Frieden, weil Iugurtha, aus Furcht, gefangen genommen zu werden, sich weigerte, zu ihm zu kommen, und weil auch Marius und Gnaeus den Frieden hintertrieben.
223. Marius, überhaupt ein unruhiger, aufrührerischer Kopf, ein Freund des gemeinsten Pöbels, aus welchem er selbst stammte, befeindete alles, was Adel hieß. Wo immer er durch Reden, Versprechungen, Lügen und Meineid seinen Vorteil zu finden hoffte, bedachte er sich nicht lange. Verleumdung der Besten und Lob der Schlechtesten waren für ihn ein Spiel. Kein Wunder, dass er bei solchem Charakter lange Zeit sein Wesen trieb; denn durch listige Kniffe und sein Glück, das ihm überall treu blieb, wusste er sich sogar den Ruhm wahren Verdienstes zu erwerben.
Den Metellus zu verleumden, wurde ihm leichter, weil derselbe Patrizier und als Held bekannt war, er selbst aber aus niedriger Dunkelheit erst vor das Volk zu treten begann. Denn die Menge war geneigt, den einen aus Neid zu demütigen, den anderen wegen der Versprechungen, die er machte, emporzuheben; besonders aber trug dazu bei, dass das Gerücht ging, Metellus habe zu Marius, als er ihn zu der Wahlversammlung beurlaubte, gesagt: »Du darfst froh sein, wenn du mit meinem Sohn – der damals noch ein sehr junger Mensch war – Konsul wirst.«
Gauda53 grollte dem Metellus, weil er von ihm auf seine Bitte weder die Überläufer noch die Leibwache römischer Soldaten erhielt oder auch deshalb, weil er ihn nicht nahe bei sich sitzen ließ, eine Ehre, die sonst die Konsuln Königen und Fürsten immer zu erweisen pflegten.
224. Im Jahr der Stadt 647 (107 v.Chr.).
Als Cirta gegen Bedingungen übergegangen war, schickte Bocchus54 Gesandte an Marius. Anfangs verlangte er Iugurthas Reich als Lohn seines Übertritts; später, als er dies nicht erhielt, bat er einfach um Frieden. Marius schickte die Gesandten nach Rom; Iugurtha hingegen begab sich in die verlassensten Gegenden seines Landes.
225. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Marius nahm zwar die Gesandten des Bocchus an, erklärte aber, dass er sich nicht früher auf Unterhandlungen einlasse, bis er ihm den Iugurtha ausgeliefert hätte. Und dies geschah auch.
226. Im Jahr der Stadt 648 (106 v.Chr.).
Tolosa, welches früher mit den Römern verbündet gewesen war, durch seine Hoffnungen auf den Erfolg des Einfalls der Kimbern aber zum Abfall verleitet wurde und die Besatzung in Fesseln legte, überfielen [die Römer] unversehens bei Nacht. Von ihren Freunden in die Stadt gelassen, plünderten sie die Tempel und raubten überdies viele andere Schätze. Denn die Stadt war von jeher reich und besaß die Weihegeschenke, welche die Gallier auf ihren Zügen unter Brennus aus Delphi geraubt hatten. Jedoch hatten die Römer in der Stadt dabei keinen nennenswerten Vorteil, da die Soldaten sich das meiste davon aneigneten. Auch wurden viele deswegen zur Verantwortung gezogen.
227. Im Jahr der Stadt 649 (105 v.Chr.).
[Quintus] Servilius [Caepio] brachte durch seinen Neid gegen den Mitfeldherrn, dem er zwar an Gewalt gleich–, als einem Konsul aber im Rang nachstand, großes Unglück über das Heer. Nach des Scaurus Tod hatte Mallius dem Servilius entboten, zu ihm zu stoßen. Dieser aber erwiderte, jeder müsste seine eigene Provinz schützen; als er jedoch später befürchtete, er möchte ohne ihn siegen und allein den Ruhm davon haben, kam er zwar, lagerte sich aber weder an demselben Ort noch pflog er Beratung mit ihm, sondern schlug, um noch vorher mit den Kimbern handgemein zu werden und allen Ruhm des Krieges allein davonzutragen, sein Lager in der Mitte zwischen Mallius und den Feinden auf. Anfangs waren sie auch, solange sie die Uneinigkeit derselben nicht wussten, den Feinden so furchtbar, dass dieselben Lust zum Frieden bezeigten. Als sie aber an den Konsul Mallius ihre Gesandten schickten, war Servilius aufgebracht, dass sie sich nicht an ihn wenden wollten, und gab ihnen nicht nur keine versöhnliche Antwort, sondern hätte die Gesandten beinahe ums Leben gebracht.
Die Soldaten zwangen endlich den Servilius, sich zu Mallius zu begeben und mit ihm über das, was zu tun sei, zu beratschlagen. Sie vereinigten sich aber so wenig, dass sie durch diese Zusammenkunft nur noch feindseliger gegeneinander wurden. Es kam zu Zank und Schmähungen, und sie trennten sich auf schimpfliche Weise.
228. Gnaeus Domitius hatte Scaurus vor Gericht geladen, als aber ein Sklave desselben zu ihm kam und versprach, viele schwere Vergehen wider seinen Herrn vorzubringen, nahm er von seiner Angabe nicht nur keine Kenntnis, sondern übergab ihn gebunden an Scaurus.
229. Publius Licinius Nerva, Prätor auf der Insel Sizilien, ließ, auf die Nachricht, dass man die Sklaven misshandle, oder aus Gewinnsucht (denn er war gar nicht unbestechlich) bekannt machen, dass alle, die über ihre Herrn zu klagen hätten, zu ihm kommen und Hilfe finden sollten. Es rotteten sich nun viele zusammen und klagten teils über Misshandlung, teils führten sie anderes gegen ihre Herren an, indem sie glaubten, der günstige Zeitpunkt sei gekommen, wo sie ohne Gefahr alles, was sie wünschten, durchsetzen könnten. Aber auch die Herren traten zusammen, widersetzten sich ihnen und gaben in keinem Stück nach. Weil nun Licinius wegen der Zusammenrottung beider Teile befürchtete, der unterlegene Teil möchte gefährliche Unruhen