Römische Geschichte. Cassius Dio

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Römische Geschichte - Cassius Dio


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durch Verdienste auszeichneten, vertraute er. Denn in diesen sah er für alle, selbst die ungebührlichsten Dinge bereitwillige Vollstrecker, die ihm auch für den geringsten Lohn den größten Dank wüssten und weder jemals übermütig würden noch sich die Ehre der Taten oder Ratschläge anzumaßen suchten. Der Mann von Verdienst dagegen würde zu seinen Ungebühren die Hand nicht bieten, ihm sie vielmehr vorhalten, den Ehrenpreis rühmlicher Taten verdientermaßen für sich ansprechen, ihm, als erhalte er nur, was ihm gebühre, keinen Dank wissen und, was er tue und rate, auf eigene Rechnung schreiben.

      266. Sulla hatte jetzt die Samniten besiegt und war bis auf diesen Tag hochgefeiert; er hatte sich durch Feldherrntaten und weise Ratschläge den größten Namen erworben und zeichnete sich durch Menschlichkeit und Ehrfurcht vor den Göttern, wie man glaubte, so sehr aus, dass alle der Meinung waren, das Glück stehe ihm seiner Tugend wegen bei. Von dieser Zeit an aber war er so sehr umgewandelt, dass man seine früheren und seine späteren Handlungen nicht für die ein und desselben Mannes halten sollte. So wenig ertrug er sein Glück. Denn jenes, was er, so lange er noch nicht mächtig war, an anderen tadelte, und viel mehr und Schrecklicheres verübte er jetzt selbst. Längst schon hatte er es gewollt, gab sich aber erst als solcher kund, da er die Macht besaß. Und hierin glaubten einige, die vornehmlichste Ursache seines Unglücks zu finden.

      Sobald Sulla die Samniten bezwungen und den Krieg beendigt zu haben glaubte (denn was noch übrig war, schlug er nicht an), war er ein anderer Mensch. Zwar blieb er außerhalb der Stadt, gewissermaßen in Schlachtordnung, überbot aber an Grausamkeit Cinna und Marius und alle, die nach ihm kamen. Denn was er keinem fremden Volk, das gegen ihn Krieg führte, getan hatte, tat er seinem Vaterland an, als ob er es im Krieg überwältigt hätte.

      Noch am selben Tag schickte er die Köpfe des Lucius Damasippus60 und seiner Gefolgsleute nach Präneste und ließ sie auf Pfähle stecken, auch richtete er viele von denen hin, die sich ihm freiwillig ergeben hatten, als hätte er sie gefangen genommen. Am folgenden Tag berief er die Senatoren in den Tempel der Bellona, als ob er sich rechtfertigen wollte, und sammelte die Gefangenen in die öffentliche Villa, als wollte er sie in sein Heer einschreiben. Diese ließ er allesamt durch andere töten, und viele Menschen aus der Stadt, die sich unter sie gemengt hatten, kamen mit ihnen um. An jene hielt er eine Rede in den bittersten Ausdrücken.

      266. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).

      Dessen ungeachtet ließ Sulla die Gefangenen niedermetzeln. Weil sie in der Nähe des Tempels umgebracht wurden, drangen großer Lärm und lautes Geheul, Wehklagen und Gewinsel bis in den Senat, sodass die Senatoren von beiden Seiten beängstigt wurden; denn bei so verruchten Reden und Handlungen musste gleiches Schicksal auch sie erwarten, und deshalb wünschten diese statt dieser doppelten Beängstigung lieber unter denen zu sein, die draußen geschlachtet wurden, um nur einmal von ihrer Furcht befreit zu werden. Allein ihr Tod war nur aufgeschoben, die anderen aber wurden hingemordet und in den Fluss geworfen. Hatte man des Mithridates Tat, der an einem Tag alle Römer in Asien umbringen ließ, für gräulich gehalten, so war sie jetzt klein gegen die Menge und die Todesart der von Sulla Gemordeten.

      Aber selbst hier blieb das Übel nicht stehen, wie durch ein Feuerzeichen verbreitete sich das Blutbad von hier durch die Stadt, über das Land und über alle Städte Italiens. Denn viele hasste Sulla selbst, viele seine Freunde teils wirklich, teils vorgeblich, damit sie die gleiche Gesinnung bestätigten, um nicht durch eine Verschiedenheit in den Verdacht der Missbilligung seiner Handlungsweise und dadurch selbst in Gefahr zu kommen. Sie brachten auch alle um, die sie durch Reichtum oder sonst etwas gegen sich im Vorteil sahen, die einen aus Neid, die anderen ihres Geldes wegen. In diesem Fall waren auch sehr viele der Parteilosen, [die keinem Teil geholfen hatten], sondern darum dem Tode verfielen, weil sie sich durch Verdienst, Geburt oder Reichtum vor anderen auszeichneten. Nirgends fand einer Sicherheit vor denen, welche die Macht in Händen hatten, wenn sie ihm schaden wollten.

      268. Solches Unglück kam über Rom. Wer könnte all die Misshandlungen gegen die Lebendigen erzählen! Viele wurden an Frauen, viele an Knaben aus den edelsten Häusern, als wären sie Kriegsgefangene, verübt. So schrecklich all dieses war, so schien es doch wegen der Ähnlichkeit früherer Gewalttaten denen, die nichts dabei litten, erträglich. Sulla ging aber weiter und begnügte sich nicht mit dem, was auch andere vor ihm getan hatten. Es kam ihn die Laune an, auch an Mannigfaltigkeit der Mordarten alle zu übertreffen, als ob eine Ehre darin läge, auch in der Grausamkeit niemandem nachzustehen. Um auch hierin neu zu sein, stellte er eine weiße Tafel auf, auf welche er die Namen der Geächteten schrieb.61

      Nichtsdestoweniger ging alles wie bisher fort und diejenigen, welche nicht auf der weißen Tafel standen, waren darum noch keineswegs sicher. Denn viele, die teils noch lebten, teils schon tot waren, wurden mit auf die Liste gesetzt, um ihre Mörder der Strafe zu entziehen, sodass sich die Sache von dem Früheren in nichts unterschied und durch ihre Härte und Ungewöhnlichkeit jedermann empörte. Denn die Ächtungstafeln wurden wie Senatoren- oder Soldatenlisten aufgestellt, und alles, was gerade in der Nähe war, lief neugierig hin, als ob sie eine erfreuliche Bekanntmachung enthielten; da fanden viele ihre Verwandten, einige sich selbst auf der Liste der Schlachtopfer und wurden durch die plötzliche Gefahr in Angst und Schrecken versetzt. Viele wurden schon dran erkannt und umgebracht. Außer Sullas Anhang war niemand sicher. Trat einer an die Tafel, wurde er der Neugier beschuldigt, trat er nicht hin, der Unzufriedenheit. Las oder fragte einer, wer darauf stünde, war er verdächtig, als sei er um seiner selbst willen oder wegen seiner Freunde besorgt. Las oder erkundigte er sich nicht, so kam er in Verdacht, dass er darüber unwillig sei, und wurde deshalb gehasst. Weinen oder Lachen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft. Viele wurden, nicht weil sie etwas sprachen oder taten, was verboten war, sondern wegen ihres finsteren oder lächelnden Gesichtes umgebracht: So genau wurden die Mienen belauert. Keiner durfte seiner Freunde wegen wehklagen oder über das Schicksal des Feindes frohlocken. Auch diese wurden, als ob sie jemanden verhöhnte, niedergestoßen. Selbst die Familiennamen wurden manchen zum Verderben. Denn da einige die Geächteten nicht kannten, legten sie deren Namen allen bei, welchen sie wollten, und viele mussten auf diese Art anstelle anderer sterben. So entstand denn oft großer Lärm, wenn die einen die, denen sie zufällig begegneten, nannten, wie sie wollten, die anderen aber sich diesen Namen nicht geben lassen wollten.

      Die einen wurden umgebracht, ohne zu wissen, dass sie sterben sollten, andere wussten es und liefen, wo immer sie gerade waren, dem Tod in die Arme. Kein Ort war so heilig, dass er eine sicher Asylstatt bot. Diejenigen, die plötzlich, bevor sie von dem drohenden Unglück erfuhren, oder gleichzeitig mit dieser Kunde den Tod fanden, waren noch die Glücklicheren, denn ihnen blieb doch die beängstigende Furcht erspart. Die aber, die die Gefahr im Voraus wussten und sich versteckten, waren am schlimmsten dran. Denn sie wagten weder, sich zu entfernen, um nicht entdeckt zu werden, noch zu bleiben, um nicht verraten zu werden. Sehr viele kamen – von denen, bei welchen sie sich befanden, ja selbst von den liebsten Freunden, verraten – ums Leben. Und in dieser beständigen Erwartung des Todes lebten nicht nur die, welche auf der Ächtungsliste standen, sondern auch alle Übrigen.

      Die Köpfe der überall Getöteten wurden nach Rom ins Forum gebracht und auf der Rednertribüne zur Schau gestellt, sodass dasselbe wie bei den Ächtungstafeln auch beim Anblick der Köpfe geschah.

      269. Sulla ließ sich selbst »den Glücklichen« nennen. Als einmal ein Schauspiel gegeben wurde, soll Valeria, die Schwester des Redners Hortensius, welche hinter Sulla ging, die Hand ausgereckt und ein Stückchen von seinem Gewand abgerissen haben. Als er sich umwendete, sprach sie: »Ich wollte nur einen kleinen Anteil an deinem Glück haben, Imperator!« Diese Rede soll ihm so sehr gefallen haben, dass er sich bald darauf, da Metella bereits gestorben war, mit ihr vermählte.

      270. Als Sulla und Marius sich bekriegten und den Staat tyrannisierten, verfolgte Sulla nach Marius’ Tod seine Gegner mit aller Macht, sodass mit des Marius Tod nicht das Ende, sondern ein bloßer Wechsel der Tyrannei eintrat. Denn er verfuhr mit großer Grausamkeit, sodass er zuletzt mehrere ihres Reichtums oder ihrer Güter wegen zugunsten seiner Freunde zur Strafe zog. So soll ein angesehener, gutmütiger und ruhiger Mann, Quintus [Aurelius], der es mit keiner Partei gehalten hatte, als er unerwartet seinen Namen auf der Ächtungsliste erblickt hatte, ausgerufen haben. »O, ich Unglücklicher, mich richtet mein Albaner Gut zugrunde.«

      271.


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