Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.er die ganze Stadt wegen der ihm während der Belagerung angetanen Beschimpfungen gänzlich zugrunde gerichtet, wenn nicht einige verbannte Athener und die Römer in seinem Heer ihn veranlasst hätten, dem Morden Einhalt zu tun. Nach einigem Lob auf die alten Athener erklärte er, er schenke sie jenen, den vielen die wenigen, den Toten die Lebendigen.
255. Hortensius war ein geschickter Feldherr, der große Erfahrung im Kriegswesen hatte.
256. Die Römer hatten in der Schlacht gegen Mithridates bereits die Flucht ergriffen, da sprang Sulla vom Pferd, ergriff eine Fahne und stürzte durch die Fliehenden hindurch auf die Feinde, indem er ausrief: »Ich gehe, einen rühmlichen Tod gegen ein schimpfbedecktes Leben einzutauschen, ihr aber, Waffenbrüder, gedenkt meiner und, wenn man euch fragt, wo ihr den Sulla verlassen habt, saget: in Orchomenos!« Auf diese Worte wandten sie sich voller Scham und Ehrfurcht vor ihrem Feldherrn und besiegten die Feinde.
257. Der Legat des Flaccus [Gaius Flavius] Fimbria, erregte, als jener nach Byzantion kam, einen Aufstand gegen ihn. Denn er war ein tollkühner, unbesonnener Mensch, der nach jeder Art von Ruhm haschte und jeden, der besser war als er, verachtete. So suchte er seit seiner Abfahrt von Rom durch Geldspenden und andere Begünstigungen die Soldaten für sich zu gewinnen und gegen Flaccus zu erbittern. Dies wurde ihm umso leichter, weil jener unersättlich habgierig war und sich nicht damit begnügte, sich die Nebenvorteile zuzueignen, sondern auch aus dem Unterhalt der Soldaten und der Beute, die er jedes Mal als ihm allein zugehörig betrachtete, Vorteil zog.
Als Flaccus mit Fimbria vor Byzanz ankam und die Soldaten sich außerhalb der Mauer lagern hieß, er selbst sich aber in die Stadt begab, nahm Fimbria dies zum Anlass, ihn der Bestechung zu beschuldigen, und schalt ihn, dass er in der Stadt guter Dinge sei, während sie sich bei strenger Witterung unter Zelten behelfen müssten. Nun drangen die Soldaten voll Wut in die Stadt, töteten einige, die ihnen in den Weg kamen, und zerstreuten sich in die Häuser.
Als Fimbria mit dem Quästor in einen Streit geraten war, drohte ihm Flaccus, er wolle ihn nach Rom zurückschicken, und nahm ihm, als er deshalb sich Schimpfreden erlaubte, seine Stelle. Fimbria, welchem die Abreise sehr ungelegen kam, ging bei den Soldaten in Byzanz umher, als wollte er Abschied nehmen, bat sie, ihm Briefe mitzugeben, und beklagte sich über das ihm widerfahrene Unrecht, erinnerte sie an die Dienste, welche er ihnen geleistet hatte, und ermahnte sie auf der Hut zu sein, indem er Winke fallen ließ, als ob Flaccus es auch mit ihnen nicht zum Besten meinte. Als er sah, dass seine Reden Eindruck machten, dass die Soldaten ihm geneigt und gegen jenen misstrauisch waren, trat er an einen erhöhten Platz, reizte sie auf und beschuldigte unter anderem Flaccus, dass er sie für Geld verraten wolle, sodass die Soldaten den ihnen vorgesetzten [Offizier] Thermus davonjagten.
Fimbria brachte viele aus keinem gültigen Grund, noch weil es in Roms Vorteil lag, sondern aus reiner Leidenschaft und Mordlust um. So hatte er einmal viele Pfähle einschlagen lassen, an die er sie binden und zu Tode geißeln ließ; als die Zahl der Pfähle weit größer als die der zum Tode bestimmten war, befahl er aus den Umstehenden einige zu ergreifen und an die überzähligen zu binden, damit sie nicht umsonst eingeschlagen wären.
Nach der Einnahme Ilions machte er alles, dessen er habhaft wurde, ohne Schonung nieder und legte fast die ganze Stadt in Asche. Er eroberte sie aber nicht mit Sturm, sondern durch Arglist. Er lobte sie wegen der Gesandtschaft, die sie an Sulla geschickt hatte, und äußerte, dass es einerlei sei, mit welchem von beiden sie sich vertrügen, da ja sie beide Römer wären. So zog er ein, als käme er zu Freunden und beging die vorerwähnten Gräuel.
258. Im Jahr der Stadt 669 (85 v.Chr.).
Archelaos redete Sulla zu, mit Mithridates Frieden zu schließen. Da dieser darauf einging, kam folgender Vertrag zustande: Mithridates solle Asien und Paphlagonien räumen, Bithynien an Nikomedes, Kappadokien an Ariobarzanes abtreten, den Römern aber 2000 Talente57 zahlen und 70 erzbeschlagene völlig ausgerüstete Schiffe geben, Sulla dagegen ihn in seinem übrigen Reich bestätigen und zum Bundesgenossen der Römer erklären.
Nach dieser Übereinkunft zog Sulla durch Thessalien und Makedonien an den Hellespont und hatte den Archelaos, den er sehr in Ehren hielt, in seinem Gefolge. Als derselbe bei Larissa gefährlich krank wurde, setzte er mit dem Marsch aus und war um ihn besorgt, als ob er einer seiner Unterfeldherrn oder Kriegsobristen wäre. Dies erregte den Argwohn, dass es in der Schlacht bei Chaironeia nicht mit rechten Dingen zugegangen sei; zumal da er alle Freunde des Mithridates, die seine Gefangenen waren, zurückgab und nur Aristion, einen Feind des Archelaos umbringen ließ, hauptsächlich aber, dass er dem Kappadokier 10 000 Morgen Landes auf Euboia gab und ihn in die Zahl der Freunde und Bundesgenossen der Römer aufnahm.
259. Als von Mithridates Gesandte ankamen und sich zum Übrigen bereit erklärten, Paphlagonien aber nicht abtreten wollten und leugneten, dass über Schiffe überhaupt etwas bedungen sei, wurde Sulla unwillig und erwiderte: »Was sagt ihr? Mithridates will Paphlagonien behalten und mir die Schiffe verweigern? Er, den ich voll Dank zu meinen Füßen erwartete, weil ich ihm die rechte Hand noch ließ, womit er so viele Römer ermordete? Er soll mir eine andere Sprache führen, wenn ich nach Asien hinüberkomme! Jetzt aber mag er in Pergamon sitzen und sich auf einen Krieg gefasst machen, den er noch nicht gesehen hat. Aus Furcht schwiegen die Gesandten; Archelaos aber flehte Sulla an, weinte, drückte ihm die Hand und besänftigte seinen Zorn, indem er ihn veranlasste, ihn selbst an Mithridates abzusenden. Er wolle den Frieden unter seinen Bedingungen vermitteln oder, wenn er ihn nicht dazu bringe, sich selbst entleiben.
260. Sulla hielt zu Dardanos in Troas eine Zusammenkunft mit Mithridates, welcher 200 Ruderschiffe, 20 000 Mann schwerbewaffnetes Fußvolk und 6000 Reiter hatte, während Sulla nur vier Eskorten und 200 Reiter begleiteten. Als ihm Mithridates entgegenkam und die Hand reichte, fragte er ihn zuerst, ob er auf die mit Archelaos eingegangenen Bedingungen den Krieg beilegen wolle.
261. Nachdem Sulla und Mithridates den Frieden abgeschlossen hatten, söhnte er ihn auch mit den Königen Ariobarzanes und Nikomedes aus. Mithridates lieferte 70 Schiffe und sehr viele58 Bogenschützen aus und schickte sich an, mit den Übrigen nach dem Pontos abzusegeln. Als aber Sulla seine Soldaten über diesen Frieden sehr unzufrieden sah – denn es empörte sie, dass der feindlichste König, der 150 000 Römer in Asien an einem Tag hingemordet hatte, aus Asien, das er vier Jahre lang geplündert und gebrandschatzt hatte, mit Schützen und Beute beladen abfahren sollte –, entschuldigte er sich damit, dass er Fimbria und Mithridates, wenn sie sich verbanden, allein nicht gewachsen wäre.
262. Weil Cinna und Carbo sich gegen die ausgezeichnetsten Männer Ungesetzlichkeiten und Gewalttaten erlaubten, flüchteten viele, um ihrer Tyrannei zu entgehen, wie in einen sicheren Hafen in das Lager Sullas, und bald hatte sich eine Art Senat um ihn gebildet.
263. Metellus, von Cinna besiegt, kam zu Sulla und war ihm sehr nützlich; denn der Ruf seiner Gerechtigkeit und kindlichen Liebe bewog viele, die sonst eben keine Freunde Sullas waren, zu ihm überzutreten, in der Voraussetzung, dass ein Mann wie er sich nicht ohne Grund an ihn anschließe und nie eine andere als die bessere und für das Vaterland wirklich nützlichere Partei ergreife.
In das Capitol schlug der Blitz ein, und es gingen nebst anderen die Sibyllinischen Bücher zugrunde.
264. Im Jahr der Stadt 671 (83 v.Chr.).
Gnaeus Pompeius, ein Sohn Strabos,59 den Plutarch mit dem Spartaner Agesilaos verglich, aufgebracht über diejenigen, die in der Stadt geboten, flüchtete, noch nicht einmal zum Manne gereift, in das Picenische, sammelte auf eigene Hand dort, wo sein Vater Statthalter gewesen war, eine Mannschaft und stellte eine Privatarmee auf, mit der er für sich allein etwas Erkleckliches ausrichten konnte. Er schloss sich sodann Sulla an, und er, der so klein angefangen hatte, blieb an Größe nicht hinter jenem zurück und verdiente mit der Tat den Namen des Großen, den man ihm beilegte.
265. Im Jahr der Stadt 672 (82 v.Chr.).
Sulla übergab das Heer einem Mann, der in nicht besonderem Lob stand, obgleich er viele um sich hatte, die von Anfang an zu ihm gehalten hatten und weit mehr Erfahrung und Übung besaßen und welche er auch bis dahin zu allem Nötigen verwendet und treu befunden hatte. Ehe er gesiegt hatte, bedurfte er ihrer und sprach ihre Dienste an; als er aber größere Hoffnung hatte, alles in