Gesicht des Todes. Блейк Пирс
Читать онлайн книгу.war sie davon ausgegangen, dass eine gewisse Anspannung zwischen ihnen herrschte.
Der Sheriff beugte seinen Kopf. „Wär ’ne prima Sache, wenn wir Sie bis heute Abend wieder in ein Flugzeug Richtung Heimat kriegen würden, wenn ich das so sagen darf. Würde mir eine Last von den Schultern nehmen.“
Shelley lachte. „Keine Sorge. Wir sind die Leute, die man nie um sich haben will, richtig?“
„Nichts für ungut“, stimmte der Sheriff gutgelaunt zu. Er wog fünfundachtzig Kilo, dachte Zoe, die ihn auf die gespreizte Art gehen sah, die für Übergewichtige so typisch war.
Sie gingen in sein Büro und begannen mit der Einsatzbesprechung. Zoe nahm die Akten und blätterte sie durch.
„Gib’s mir, Z“, sagte Shelley, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und wartete gespannt.
Anscheinend hatte sie schon einen Spitznamen.
Zoe sah leicht überrascht auf, aber als sie feststellte, dass Shelley es ernst meinte, begann sie, vorzulesen. „Anscheinend drei Leichen innerhalb von drei Tagen. Die erste in Nebraska, die zweite in Kansas und die dritte in Missouri – hier.“
„Wie, macht unser Täter eine Rundreise?“ spöttelte Shelley.
Zoe stellte sich die Linien gedanklich vor, verband die Städte. Vorwiegend südöstliche Richtung, wahrscheinlich würde er sich weiter durch das restliche Missouri nach Arkansas vorarbeiten, dann Mississippi, vielleicht ein Stück von Tennessee, unten in der Nähe von Memphis. Natürlich vorausgesetzt, dass sie ihn nicht vorher stoppten.
„Der letzte Mord passierte vor einer Tankstelle. Die einzige Angestellte vor Ort war das Opfer. Ihre Leiche wurde draußen gefunden.“
Zoe konnte es sich bildlich vorstellen. Eine dunkle und einsame Tankstelle, ein Abziehbild jeder anderen einsamen Tankstelle in diesem Teil des Landes. Isoliert, die Lichter über dem Parkplatz die einzigen im Umkreis mehrerer Meilen. Sie begann, die Tatortfotos durchzusehen, gab sie Shelley, als sie fertig war.
Ein deutlicheres Bild entwickelte sich. Eine tot auf dem Boden zurückgelassene Frau, dem Eingang zugewandt – von irgendwoher zurückgekehrt. War sie hinausgelockt und dann angegriffen worden, als sie unachtsam wurde? Irgendein Geräusch, das vermeintlich von Kojoten stammte, oder vielleicht ein Kunde mit angeblichen Fahrzeugproblemen?
Was auch immer es war, es hatte ausgereicht, um sie hinaus in die Dunkelheit zu locken, nachts, in der Kälte, weg von ihrem Arbeitsplatz. Es musste etwas Wirkungsvolles gewesen sein.
„Alle Opfer sind weiblich“, las Zoe weiter vor. „Keine Ähnlichkeiten im Aussehen. Überschiede in Altersgruppe, Haarfarbe, Gewicht, Größe. Das Einzige, was sie gemeinsam haben, ist ihr Geschlecht.“
Während sie sprach, stellte Zoe sich die Frauen vor, wie sie vor der Größenskala für Polizeifotos standen. Eine war 1,60 Meter groß, eine knapp 1,68, eine 1,75. Ein ziemlicher Unterschied. Immer 7,5 Zentimeter – was das ein Hinweis? Nein, sie waren nicht in der Reihenfolge getötet worden. Die kleine Frau war die Schwerste, die größere leicht und somit schlank. Wahrscheinlich trotz ihrer Größe einfach körperlich zu überwältigen.
Unterschiedliche Höhenlagen. Unterschiedliche Entfernungen zwischen den Tatorten – kein Hinweis einer Formel oder eines Algorithmus, der ihr verraten konnte, wie weit der nächste Tatort entfernt ein würde. Die Topographie der verschiedenen Tatorte war unterschiedlich.
„Sie scheinen … willkürlich.“
Shelley seufzte, schüttelte den Kopf. „Ich hatte Angst, dass du das sagen würdest. Wie sieht’s mit dem Motiv aus?“
„Vielleicht ein Gelegenheitsverbrechen. Jede Frau wurde nachts umgebracht, an einem isolierten Ort. Es gab keine Zeugen und an keinem der Tatorte lief eine Überwachungskamera. Die Spurensicherung sagt, dass kaum verwendbare Beweise zurückgelassen wurden.“
„Also haben wir einen Psycho voller Mordlust, der soeben beschlossen hat, auf eine Tötungstour zu gehen, der sich aber genug unter Kontrolle hat, um sich nicht zu verraten“, fasste Shelley zusammen. Ihr Ton war so trocken, dass Zoe bemerkte, dass sie sich ebenso unwohl fühlte wie Zoe selbst.
Das würde nicht der einfache, klare Fall werden, auf den sie gehofft hatten.
KAPITEL VIER
Die Tankstelle war unheimlich ruhig, als Zoe alleine am Tatort vorfuhr. Überall war Polizeiband, das potentielle Schaulustige fernhielt und ein einzelner Polizist stand bei der Vordertüre, um nach rebellischen Teenagern Ausschau zu halten.
„Morgen“, sagte Zoe und zeigte ihre Marke. „Ich schau mich mal um.“
Der Mann nickte zustimmend, nicht, dass sie seine Zustimmung gebraucht hätte, und sie ging an ihm vorbei, duckte sich unter dem Band, um hineinzugelangen.
Shelley hatte gewusst, wie sie ihre spezifischen und jeweiligen Fähigkeiten am besten einsetzen konnten. Ohne vorherige Beratung hatte sie vorgeschlagen, dass sie die Familie befragen würde und Zoe zum letzten Tatort weitergeschickt, nachdem diese sie bei der Familie abgesetzt hatte. Das war völlig in Ordnung. Zoe konnte hier die Muster finden und Shelley würde dort wissen, wie sie Gefühle und Lügen erkennen konnte. Das musste Zoe ihr lassen.
Deshalb hatte sie zugestimmt und vorgegeben, die Leitung zu haben. Es lag nur an Shelleys warmherzigem Wesen – und Zoes allgemeinem Desinteresse an der korrekten Beachtung der Hierarchie, solange der Fall gelöst wurde –, dass es für sie in Ordnung war. Shelley hatte sogar fast entschuldigend gewirkt, so eifrig darauf, zu zeigen, dass sie sich auskannte, dass sie aus Versehen ihre Grenzen überschritt.
An der Tankstellentür zögerte sie, wusste, dass es alles hier angefangen haben musste. Auf dem Boden fanden sich schwache Spuren, durch kleine Fahnen und Plastikdreiecke markierte Fußabdrücke. Die Frau – eine ältere Frau mit vernünftigen Schuhen und kurzen Schritten – war vorangegangen. Diese Tankstelle war so einsam, dass sie pro Tag nicht mehr als ein paar Kunden gehabt haben konnte und nur einige Schritte von der Türe entfernt konnten die Abdrücke nicht mehr mit anderen verwechselt werden.
Jemand war der Frau gefolgt, obwohl sie sich dessen vielleicht nicht bewusst gewesen war. Die Zahlen erschienen von Zoes Augen, sagten ihr alles, was sie wissen musste: die Entfernung zwischen ihnen wies auf Schritte ohne Hast hin. Es gab keine anderen Fußabdrücke, aus denen zu erkennen war, ob der Täter aus der Tankstelle oder von irgendeiner Stelle des Parkplatzes gekommen war. Die Frau war ruhig, gleichmäßig auf die Ecke zugegangen. Hier war ein Durcheinander, aber Zoe ging daran vorbei, sah, dass die Schritte sich fortsetzten und wusste, dass sie letztlich zurückkommen würde.
Zuerst setzten die Schritte sich ein wenig schneller fort. Hatte die Frau nun bemerkt, dass ihr jemand folgte?
Hier – direkt neben einigen verstreuten Bonbons auf dem Boden, vielleicht von einem ungeschickten Kind fallengelassen – hatten sie angehalten. Die Frau hatte sich umgedreht, um den Mann anzusehen, bevor sie auf dem Absatz kehrtgemacht hatte und auf eine Türe hinten im Gebäude zu gerannt war.
Der Schlüssel baumelte noch vom Schloss, schwang ab und an im Wind. Der Boden war an der Stelle leicht aufgewühlt, an der das Opfer angehalten hatte, um ihn im Schloss herumzudrehen, und dann fortgeeilt war.
Ihre weglaufenden Schritte zeigten eine größere Schrittlänge, schnelleres Tempo. Sie war fast gerannt, hatte versucht, zu entkommen und zurück zu dem Ladenraum zu gelangen, in dem sie arbeitete. Hatte sie Angst gehabt? In der Nacht gefroren? Einfach an ihren Tresen zurückkehren wollen?
Der Mann war ihr gefolgt. Nicht sofort, hier war eine Einkerbung, eine Schleifstelle aus leicht aufgehäuftem Schmutz am Ende des Fersenabdrucks, wo er sich langsam gedreht hatte, um ihr nachzusehen. Dann war er ihr nachgelaufen, mit anscheinend mühelosen, leichten Schritten, direkt auf sie zu, war ihr in den Weg getreten, um sie an der Ecke zu erwischen.
Ah, das Durcheinander von eben. Zoe hockte sich hin,