Der Fluch des Bierzauberers. Günther Thömmes

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Der Fluch des Bierzauberers - Günther Thömmes


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Ihr mit dem nackten Leben davongekommen seid!« Damit war die Frage nach seinem Geburtsbrief erledigt, und das ohne eine erneute Glaubensfrage, war doch Magdeburg bekanntermaßen reformiert gewesen.

      »Was habt Ihr seither getrieben?« Die nächste Frage kam vom Schöffen Esch. Der stand auf, erst jetzt sah Knoll, dass dieser Oetz um fast zwei Köpfe überragte. Cord Heinrich Knoll erzählte seine Geschichte. Als er von der Kakushöhle sprach, schüttelten die beiden Bitburger Ratsherren erstaunt die Köpfe.

      »So wisst Ihr gar nicht, wie der Krieg seither weiterging?«

      »Nein, nur dass er noch nicht vorbei ist, das haben wir am eigenen Leib bitter erfahren müssen.«

      Der gut informierte Stadtrichter und sein Schöffe erzählten Knoll und Magdalena nun so viel sie von den Ereignissen der letzten drei Jahre wussten; immer wieder unterbrochen von überraschten Zwischenfragen der ehemaligen Höhlenbewohner.

      »Dass die Schweden in den Krieg eingetreten sind, habt Ihr noch mitbekommen?«

      »Wenn sie früher eingetreten wären, wäre uns und Magdeburg die Zerstörung erspart geblieben«, knurrte Knoll.

      »Also, das Schlachtenglück schwankte hin und her. Fortuna hatte niemals einen Liebling in diesem Krieg. Erst siegte Tilly«, bei Nennung des verhassten Generals verfinsterte sich Knolls Gesicht, »vor dreieinhalb Jahren bei Bamberg über die Schweden. Die wiederum belagerten und eroberten Donauwörth. Dann schlugen sie bei Rain am Lech das Heer der Katholischen Liga. Dabei wurde Tilly schwer verwundet.«

      »Und, was geschah mit Tilly?«, fragte Knoll.

      »Der starb zwei Wochen nach der Schlacht.«

      Knolls Miene hellte sich auf.

      »Freut Euch nicht zu früh. Noch im gleichen Jahr erlitt der Schwedenkönig bei Nürnberg seine erste Niederlage. Wallensteins Mannen waren zu stark für ihn.«

      »Wallenstein? Den hatte der Kaiser doch längst entlassen.« Knoll verstand die Welt nicht mehr.

      »Nachdem das Schlachtenglück so schlecht geriet, hat er ihn 1632 wieder eingesetzt«, erwiderte von Esch lakonisch.

      »Also, welcher Partei ist denn derzeit die Gunst des Kriegsgottes hold?«

      »Das Jahr war ja noch nicht zu Ende. Im November kam es zur großen Schlacht, die fand bei Lützen statt. Im Sachsen-Anhaltinischen kämpften achtzigtausend Soldaten sieben Stunden lang. Und am Ende war der Schwedenkönig tot.«

      Knolls Kinnlade fiel herab. König Gustav Adolf war tot?

      »Aber auch Pappenheim zog sich eine tödliche Verletzung zu«, ergänzte Oetz. »Er starb am Tag nach der Schlacht.«

      »Und wer hat denn jetzt gewonnen?« Knoll wurde ungeduldiger.

      »Beide – und niemand!« Oetz schüttelte den Kopf. »Seit Lützen geht alles drunter und drüber. Alle wollen die Schlacht gewonnen haben. Die Schweden hatten plötzlich eine sechsjährige Königin, Gustav Adolfs Tochter Christina. Dennoch kämpft Schweden weiter, deren Reichskanzler Oxenstierna will es so.«

      »Und weiter?« Knoll wollte alles wissen.

      »Dann, 1633, haben die Schweden den Heilbronner Bund gegründet, als Gegengewicht zur Katholischen Liga. Hat denen aber nicht mehr Fortune gebracht. Und nachdem die Schweden geschwächt schienen, hat der Kaiser in Wien Wallenstein wieder entlassen und ihn gleich darauf ermorden lassen.«

      »Auch Wallenstein weilt nicht mehr unter den Lebenden?«

      Knoll zählte kurz durch: Wallenstein, Tilly, von Pappenheim – alle drei tot, die Mörder von Magdeburg, gefallen oder ermordet. Ein Gefühl tiefer Befriedigung machte sich in seiner Seele breit. »Zu siegen verstehst Du, oh Hannibal, den Sieg zu nutzen verstehst Du nicht«, schlug er leise murmelnd eine historische Brücke vom alten Karthago bis zu den Generälen der Habsburger Kaiser. Dann lauter: »Wie ging es weiter?«

      »Und im letzten Jahr haben die Schweden dann bei Nördlingen endgültig den Marsch geblasen bekommen und sind mit eingezogenem Schwanz aus Süddeutschland abgehauen.« Nun war es an Oetz und von Esch, etwas Befriedigung zu zeigen.

      »Nachdem seit diesem Jahr aber die Franzosen im Krieg mit dabei sind, geht es wieder retour. Das größte Übel ist meiner Meinung nach mittlerweile der Kardinal Richelieu. Der ist im Hintergrund ein stiller Teilhaber aller Koalitionen gegen Habsburg.«

      Von Esch setzte hinzu: »Ein Meister des kalten Krieges ist er. Und der verdeckten Intrigen. Wenn das so weitergeht, dann wird es eine richtige Feindschaft zwischen unseren Völkern geben, dem deutschen und dem französischen. Bislang tragen das nur die Armeen aus; das Volk leidet unter allen Heeren gleich.«

      Oetz seufzte. »Man hätte den Krieg jetzt gut beenden können, ohne Sieger. Jedoch, irgendwer will immer weiterkämpfen. Solange der Krieg den Krieg ernährte, ging das noch halbwegs. Wenn wir uns indes jetzt das Land anschauen …«

      Er schüttelte bekümmert den Kopf. Das brauchte er Knoll nicht zu erzählen. Der hatte es am eigenen Leib erfahren. Doch Knoll war noch nicht am Ende mit seinem Wissensdurst.

      »Und wer ist sonst noch gestorben während der Zeit?«

      »Friedrich V. von der Pfalz, die hundsföttige Hundsnase, die elende, die den ganzen Krieg hier überhaupt erst mit angezettelt hat, schmort auch schon seit drei Jahren in der Hölle!«

      Da fiel Knoll noch eine andere Hauptfigur dieses unseligen Krieges ein: »Was ist mit dem Kaiser?«

      »Der erfreut sich bester Gesundheit, ist aber durch den Krieg weich geworden«, wusste Oetz bestens Bescheid. »Er hat nach Nördlingen den Prager Frieden geschlossen, um zumindest ein bisschen Ruhe ins Reich zu bringen.«

      »Was sagt der Prager Frieden denn aus?«

      Allein das Wort ›Frieden‹ klang zu verlockend.

      »Der Kaiser hat Frieden mit den deutschen Reichsständen geschlossen, mit der Reformation.«

      »Aber, dann ist der Krieg ja vorbei!« Knoll glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Nun verstand er auch, warum die Bitburger so aufgeschlossen waren in Glaubensdingen. Es gab einen neuen Religionsfrieden.

      »Ihr vergesst die Schweden und die Franzosen«, dämpfte Oetz sogleich die Erwartungen. »Die kämpfen nach wie vor gegen unseren Kaiser. Und zwar auf deutschem Boden. Und es gibt noch zehntausende ehemaliger Söldner, überwiegend Krüppel und Invaliden, die das Land heimsuchen. Da wird einiges auf uns zu kommen. Wir müssen weiterhin wachsam sein und unsere Stadt verteidigen.«

      Das Gespräch steuerte seinem Ende entgegen.

      »Nun, ich bin dankbar für die Neuigkeiten, die Ihr mir präsentiert habt. Jetzt bin ich sicher, dass das Leben weitergeht, jeder Krieg ein Ende findet und die Sonne sich weiterhin brav um unsere Erde dreht.«

      »Bei Letzterem wäre ich nicht mehr so sicher!« Von Esch hatte sich bereits zum Abschiedsgruß erhoben, bleckte die Zähne zu einem Grinsen und fügte noch im Gehen an: »Da gibt es einen Mann in Italien, einen sogenannten Sterndeuter namens Galilei. Der behauptet nämlich, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.« Er lachte schelmisch.

      »Es soll mittlerweile viele Menschen geben, die das auch glauben. Und um dem erst einmal einen Riegel vorzuschieben, hat die Heilige Inquisition Galilei verurteilt und unter Hausarrest gestellt. Er hat schon widerrufen. Also, passt auf mit Behauptungen, die Ihr nicht beweisen könnt.« Wieder lachte er. »Gehabt Euch wohl.«

      Knoll und Magdalena waren allein mit dem Stadtrichter Oetz.

      8.

      Der Stadtrichter wusste anscheinend genau, worüber Knoll und Magdalena sich sorgten und redete dementsprechend nicht lange, sondern kam gleich zum entscheidenden Punkt: »Möchtet Ihr in unserer Stadt bleiben?«

      Die beiden nickten.

      »Auch wir haben viele Tote und Weggegangene zu beklagen. Überall gibt es Mangel an guten Arbeitskräften. Ihr


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