Schönbrunner Finale. Gerhard Loibelsberger
Читать онлайн книгу.rel="nofollow" href="#ulink_b3e51d51-e3ce-5a1a-ae82-3a5781d74bf5">31, und wenn du es auftreiben kannst, auch ein Englisches32.«
Nechyba nahm neuerlich einen Schluck und fuhr ungerührt fort:
»Und zwar gestern. Das Fleisch will ich zerlegt und pariert haben. Die Knochen zerhackt als Zuwaag. Na? Jetzt geht dir der Schmäh aus, was? Jetzt schaust ganz kariert.«
Der Guade nahm einen Schluck Weinbrand und flüsterte:
»Aber das kostet a kleines Vermögen …«
»Hab’ i g’sagt, dass ich was gratis will?«
»Haben S’ Geld unterschlagen oder geerbt?«
»Noch so eine depperte Bemerkung und du verbringst die Nacht in der Liesl33.«
»’tschuldigung. War nicht so gemeint. Also wann ich a Knöpfel auftreiben kann, wird das Kilo beiläufig um die 20 Kronen kosten.«
»Und das Englische?«
»Marantjosef34! Ich weiß net, ob ich des krieg. Aber unter 25 Kronen das Kilo wird sich da nix abspielen.«
»In Ordnung. Wann lieferst?«
»Das Knöpfel können S’ in zwei bis drei Tagen in meiner Fleischerei abholen. Das Englische braucht länger.«
»Ich hol gar nix ab. Übermorgen treff’ ma uns wieder hier im Café. Dann bekommst von mir die Lieferadresse.«
Nechyba trank aus, stand auf und wollte grußlos gehen. Doch der Guade war ebenfalls aufgesprungen und hatte seine Hand gepackt. Er schüttelte sie und versicherte mit treuherzigem Blick:
»Herr Oberinspector, es war mir ein Vergnügen. Auf den Kaffee mit Cogn… äh … Weinbrand sind Sie selbstverständlich eingeladen.«
Nechyba schüttelte dem Ganoven, obwohl ihm das peinlich war, die Hand. Dabei grantelte er:
»Den Kaffee hätt’ i sowieso net zahlt.«
26 Zuhälter
27 Spieler eines illegalen Kartenspiels
28 Karten spielen
29 Lump
30 Verbrecher
31 Knöpfel ist der Name des hinteren Teils des Rindes gemäß der Wiener Teilungsmethode: Schale, Fledermaus, Zapfen, Hieferschwanzel, Hieferscherzel, Tafelspitz, Tafelstück, schwarzes und weißes Scherzel, Gschnatter, hinterer Wadschunken, Bratzel, Ochsenschlepp
32 Lungenbraten, Beiried, Rostbraten
33 Polizeigefangenenhaus an der Elisabethpromenade
34 Maria und Josef!
6. Februar 1918
Schon wieder! Schon wieder läutete das Telefon auf des Oberinspectors Schreibtisch. Dieser hielt nach einem kargen Mittagessen im Gasthaus Zum Rebhuhn gerade sein Mittagsschläfchen. Entsprechend langsam und unwirsch war seine Reaktion.
»Haut’s euch über die Häuser und lasst’s mich in Ruh. Ihr Nebochanten35 …«
Da der Apparat partout keine Ruhe gab und unaufhörlich weiterläutete, hob Nechyba schließlich doch ab und raunzte:
»Ja …«
»Herr Oberinspector, sind Sie das? Bin ich richtig verbunden?«
»Wer spricht?«
»Schmerda hier. Hofrat Schmerda. Ich wollt’ mich nur bei Ihnen bedanken, Herr Oberinspector. Also die Fleischlieferung ist angekommen und Ihre Frau Gemahlin zaubert derzeit wunderbare Sachen in der Küche. Wie in der guten alten Zeit vor dem Krieg …«
»Das freut mich.«
»Als Zeichen meiner Dankbarkeit und Verbundenheit hab’ ich ihr heut beim Mittagessen aufgetragen, dass sie sich Fleischknochen und ein Suppenfleisch mit nach Hause nehmen soll. Es ist nur legitim, lieber Herr Oberinspector, dass Sie auch wieder einmal ein ordentliches Stück Fleisch und ein kräftiges Supperl bekommen.«
Nechyba, vom Schlaf noch immer benommen, war verdattert.
»Da … da … sag ich ein ganz herzliches Dankeschön. Da machen S’ mir eine Mordstrum Freud’.«
»Na, das freut mich dann umso mehr. Übrigens: Die Verhaftung der Aufwiegler haben Sie und Ihre Leute vorbildlich durchgeführt. Jetzt, wo die Rädelsführer alle eing’sperrt sind, ist wieder Ruhe in den Betrieben.«
»Ja, hoffen wir’s, dass es so bleibt. Wenn sich die allgemeine Verpflegungssituation aber nicht bessert, sehe ich schwarz. Da werden die Leut’ auch ohne die linksradikalen Rädelsführer neuerlich streiken. Weil a knurrender Magen ist wie ein bissiger Hund …«
»Korrekt, Nechyba. Das ist absolut korrekt. Hoff’ ma, dass sich alles zum Besseren wendet. Nicht wahr?«
»Hoffen kann man ja …«
»Apropos Hoffnung: Wissen S’, auf was ich hoffen täte? Auf einen schönen saftigen Schweinsbraten, eine Schweinsstelze, geselchte Ripperln, einen fesch durchzogenen Schopfbraten vom Schwein und natürlich auf Schweinsschnitzerln …«
Nechyba schwieg. Es knisterte in der Leitung. Schließlich murmelte er:
»Wer hätt’ das net gerne?«
»Freilich, Nechyba, freilich. Ich bitt’ Sie, denken S’ an mich. Vielleicht fällt Ihnen was ein. Es soll nicht zu Ihrem Schaden sein.«
Nechyba dachte an einen Schweinsbraten mit einer knusprigen Kruste und bekam vor Aufregung feuchte Hände. Der Speichelfluss in seinem Mund war kaum zu bändigen, und er musste zweimal schlucken, bevor er antworten konnte.
»Ich werd’ mich umhören, Herr Hofrat.«
»Ausgezeichnet, Nechyba. Ausgezeichnet. Also bis bald, gell? Beste Grüße, ich empfehle mich.«
Nechyba saß an seinem Schreibtisch und freute sich auf heute Abend. Fleischknochen und ein Suppenfleisch. Mein Gott! Wie lange hatte es das schon nicht mehr in seiner Küche gegeben? Ja, der Herr Hofrat ließ ihn nicht verkommen. Dafür musste er sich natürlich wiederum erkenntlich zeigen und den Guadn kontaktieren. Dass der dem Hofrat möglichst eine halbe Sau liefern würde. Da müsste dann ja auch wieder etwas für ihn selbst abfallen. Dieser Gedanke trieb seinen Blutdruck in die Höhe, sein Herz pochte schneller, und der Speichelfluss wollte weiterhin nicht versiegen. Nechyba sah auf seine Taschenuhr. Es war halb vier Uhr nachmittags. Im Polizeigebäude herrschte Totenstille und der Oberinspector hatte plötzlich Lust auf etwas Gesellschaft. Mit der Faust pumperte36 er an die Wand, sodass es im Nebenzimmer laut und deutlich zu hören war.
Augenblicke später trat sein Adjutant ein, der folgende Instruktionen empfing:
»Pospischil, Er hält die Stellung hier. Falls mein Telefon läutet, hebt Er ab und sagt,