Im gleißenden Licht der Sonne. Clare Clark

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Im gleißenden Licht der Sonne - Clare  Clark


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seiner Brust und seinem Schädel tobte ein beißendes Feuer. Er bekam kaum Luft, so sehr raubte es ihm den Atem. Der scharfkantige Metallnagel schnitt ihm in die Hand. Er packte ihn, ruckte und zerrte daran, als wollte er ihn aus der Wand reißen. Blut rann aus der Wunde und lief ihm übers Handgelenk. Er schloss die Augen, aber ihre Stimme kroch ihm ins Ohr, wieder und wieder wie eine Schellackplatte, auf der die Nadel festhing.

      »Er macht mir Angst. Diese Schweinchenaugen, die uns angaffen, wenn wir miteinander schlafen. Und wo steckt seine andere Hand überhaupt? Im Ernst. Es ist abstoßend.«

      Und er hatte daraufhin gelacht. Das meinte sie nicht ernst, sie konnte es nicht ernst meinen, sie neckte ihn bloß. Sie war jung, er würde ihr alles beibringen. Warum nur hatte er nicht gesehen, dass sie unbelehrbar war? Es ist abstoßend. Das Gemälde, das seit dreißig Jahren sein Herz schneller schlagen ließ.

      Blutspuren an der Wand. Ein verschmiertes Rot und eine blasse graue Linie. Ein nackter Nagel. Ein Hauch von Blau, als habe das Gemälde einen Abdruck hinterlassen. Mein Vincent. Erneut stieg die Wut wie ein Granatfeuer in ihm hoch. Er schnellte herum und trat gegen den niedrigen Hocker hinter ihm, der polternd umfiel. Neben dem Lehnsessel standen eine Lampe und ein Stapel Bücher. Er schmetterte die Lampe gegen die Wand, dann auch die Bücher, bündelweise und so heftig er konnte, aber die Wut loderte immer weiter, dröhnte ihm in den Ohren, sodass er auch noch aus den Regalen die Bücher herausriss und zu Boden warf. Seine Arme bewegten sich wie Kolben, mechanisch und brachial. Wie von Sinnen drehte er sich zum Kamin um. Die Rosso-Büste starrte ihn vom Sims mit leeren, teilnahmslosen Augen an.

      »Sie ähnelt mir«, hatte Luisa einmal gesagt. Damals hatte er das nicht gesehen. Aber jetzt erkannte er es. Ihr leises Lächeln war voller Spott. Noch nie hatte er jemanden so abgrundtief gehasst. Er packte die Skulptur und schmetterte sie gegen das Fenster. Das Glas zerbarst.

      »Ohhh.«

      Es war weniger ein Wort, vielmehr ein Atemholen. Julius drehte sich um, die Arme von sich gestreckt. Fräulein Grüber stand in der Tür. Neben ihr ein junger Mann. Schlank, feingliedrig, mit blasser Haut und kupferfarbenem Haar. Unter dem Arm trug er ein in braunes Packpapier eingewickeltes Gemälde. Einen verwirrten, unwahrscheinlichen Augenblick lang hielt Julius das Bild für seinen van Gogh, den sie ihm zurückgeschickt hatte. Der junge Mann betrachtete das zerborstene Fenster, die Lampe und die Bücher, die aufgeklappt und zerrissen auf dem Boden lagen.

      »Ich – äh, bitte entschuldigen Sie«, stammelte die Stenotypistin. »Wir, äh, ich komme später noch einmal.«

      Sie sah betroffen drein, während sie nach der Klinke tastete. Der junge Mann blieb stumm, blickte Julius aber unverwandt an. Dann verbeugte er sich kurz und verließ rückwärtsgehend das Zimmer. Die Tür schloss sich. Julius sah auf seine blutverschmierten leeren Hände. Eine kalte Brise wehte durch das kaputte Fenster herein und brachte die Seiten der Bücher zum Rascheln.

      Später kamen ihm diese Augen wieder in den Sinn, ihr außergewöhnliches milchiges Grün, wie Meerglas.

      II

      Wie gewöhnlich veranlasste Frau Lang alles Nötige. Der Glaser kam gleich am nächsten Morgen, bevor Julius sein Frühstück beendet hatte. Die Haushälterin führte ihn hinaus in den Garten, damit er den Schaden begutachten konnte. Ihre Stimmen drangen durch das Fenster ins Speisezimmer. Diese Strolche heutzutage, sagte der Glaser, die werden uns alle noch im Bett erschlagen, ehe man sichs versieht. Auf dem Pflaster des Gartenwegs lagen noch Glassplitter. Sie funkelten im Morgenlicht.

      Julius hatte die Rosso-Büste unter einem Pfaffenhütchenstrauch gefunden, halb verdeckt wie ein verschossener Fußball. Ihr Gesicht war unversehrt. Die Skulptur starrte ihm entgegen, als er in die Hocke ging, um nach ihr zu greifen. Verschmierte Erde auf einer der bleichen Wangen, das leise Lächeln immer noch auf den Lippen. Erst als er sie hochhob, bemerkte er, dass die Rückseite des Kopfs zertrümmert war. Das fein bearbeitete Wachs hatte einen Riss, unter dem der Gipsabdruck zum Vorschein kam. Reumütig und bekümmert dachte Julius an Rosso in seinem Atelier, dessen Finger die Büste scheinbar aus Luft und Licht erschaffen hatten. Mutwillig ein Kunstwerk zu zerstören, es zerstören zu wollen – zu einer solchen Gefühllosigkeit fähig zu sein, hätte er sich niemals vorstellen können. Er hielt den Kopf behutsam in der Hand, die Finger schützend um den Riss im Schädel gelegt. Schließlich zog er ein gebügeltes Taschentuch aus der Hosentasche, wickelte es sorgsam um die Büste und trug sie ins Haus zurück.

      Seit dem Vorfall war seine Scham größer geworden, sie drückte ihm wie ein Stein auf die Kehle. Er konnte kaum schlucken. Julius schob seine Kaffeetasse beiseite. In der Eingangshalle schimpfte Frau Lang leise vor sich hin, als sie ihm Hut und Mantel reichte.

      »Der Glaser nagelt jetzt das Fenster zu«, sagte sie. »Obwohl ich ihm gesagt habe, er soll das lassen, Sie könnten derart eingesperrt unmöglich arbeiten, aber er meint, es geht nicht anders. Die Scheibe ist zu groß, sie muss erst bestellt werden.«

      Julius ließ sich mit dem Taxi zur Kanzlei seines Anwalts bringen. Langsame Handkarren behinderten den Verkehr, und die Schaufenster der Geschäfte leuchteten im Sonnenlicht. Als er in der Invalidenstraße eintraf, spürte er erneut den Hass in sich. Er wehrte Böhms Höflichkeitsfloskeln ab und drückte ihm umstandslos Luisas Brief in die Hand. Nachdem der Anwalt ihn gelesen hatte, sah er Julius über seine Brille hinweg stirnrunzelnd an.

      »Also gehört ihr das Bild gar nicht?«, fragte er. »Sie haben es ihr nicht geschenkt?«

      »Natürlich nicht«, gab Julius wütend zurück. »Warum auch? Sie hat es gehasst.«

      Böhm beschwichtigte ihn. Eine Ehefrau dürfe nicht einfach das Eigentum ihres Mannes an sich nehmen. Ein scharf formulierter Brief an Luisas Anwälte würde genügen, um das Gemälde sicher zurückzubringen. Und falls nicht, könne man rechtliche Schritte einleiten.

      »Und was die Scheidung betrifft, würde ich dazu raten, jegliche Entscheidung aufzuschieben, bis die Sache mit dem Gemälde geklärt ist«, sagte er. »Vielleicht kommt sie ja zurück.«

      »Nicht wenn ich es verhindern kann.«

      »Wie dem auch sei. Mit Provokationen ist nichts gewonnen.«

      Widerstrebend ließ Julius sich überzeugen. Luisa war impulsiv und unberechenbar, Gott allein wusste, was sie unternehmen würde, nur um ihn zu ärgern. Im Aufzug, während der livrierte Fahrstuhlführer seine Hebel bediente, lehnte sich Julius erschöpft an das Messinggeländer. Ihn quälte der Gedanke, sein Gemälde in dem überheizten Haus seines Schwiegervaters achtlos in der Ecke stehen zu wissen, ausrangiert zwischen den hässlichen braunen, mittelalterlich anmutenden Möbeln, dem geschmacklosen Nippes, der allüberall die Räume verunstaltete. Hinter seinen geschlossenen Lidern sah Julius das Gemälde so lebhaft vor sich, als würde er davorstehen, Vincent im Dreiviertelprofil, eine Pose, die an Rembrandts große Selbstbildnisse erinnerte, mit Palette und Pinseln in der Hand, die Augen stechend im ausgemergelten Gesicht, während um seinen Kopf herum die Leinwand in einer rasenden Kakophonie violettblauer Wirbel und Striche geradezu surrte. Der Künstler und der Verrückte, die einander in die Seele blicken.

      Der Aufzug hielt ruckend an. Von allen Selbstporträts, hatte Vincent an seinen Bruder Theo geschrieben, sei dieses das einzige, das seinen wahren Charakter erfasse. In den dreißig Jahren, seit Julius es besaß, hatte er Dutzende andere Bilder gekauft und verkauft. Er verabscheute die neuerliche Tendenz, Kunstwerke auf Vorrat zu lagern, als wären sie Rohmetall oder Erdöl, und sie in Lagerhäusern auf künftige Wertsteigerungen hin zu horten. Julius behielt ein Bild so lange, bis er beim Betrachten nichts Neues mehr darin entdeckte, dann gab er es weiter. Als die Preise für van Goghs in die Höhe schossen, hätte er das Selbstbildnis für das Zehnfache dessen verkaufen können, was er einmal dafür bezahlt hatte, dann für das Fünfzig- und Hundertfache und sogar noch mehr, aber er trennte sich nicht davon. Er wollte es sich jederzeit ansehen können. In Vincents nackter Angst, in der rückhaltlosen Aufrichtigkeit seines kompromisslosen Blicks war etwas, das Julius nur als heldenhaft bezeichnen konnte.

      Von der Invalidenstraße ging er direkt zum Hotel Adlon. Auf dem Pariser Platz flanierten Menschen im Sonnenschein. Die übliche Plage ausländischer


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