Evolution Bundle. Thomas Thiemeyer

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Evolution Bundle - Thomas Thiemeyer


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trat näher und sah dabei zu, wie Arthurs Finger über die Tastatur huschten. Er hatte den drei Freunden eine ganze Weile beim Knacken des Verschlüsselungscodes zugesehen, doch als es in ihren Gesprächen nur noch um Algorithmen, Hybridverfahren und asymmetrische Kryptosysteme ging, war er ausgestiegen.

      Arthur balancierte den Laptop auf seinem Schoß und durchforstete seit einer guten halben Stunde die Datenbanken der Zentralbibliothek. Es war ihm gelungen, das Notebook mit einer Buchse im Körper des Roboters zu verkabeln und so Zugang zum Zentralcomputer der Bibliothek zu erlangen. Ziemlich umständlich zwar, aber es schien zu funktionieren. Jem war beeindruckt.

      »Ist der Code zu knacken?«, fragte er.

      »Ich konnte die Daten auf die Festplatte von M.A.R.S. kopieren. Wenn wir Glück haben, schafft er es, den Sicherheitsschlüssel außer Kraft zu setzen und die Pakete zu öffnen. Von da aus ziehe ich sie dann auf den Laptop und alles ist gut.«

      »Na, worauf warten wir dann noch?«, fragte Marek ungeduldig.

      »Das kann schon ein Weilchen dauern«, gab Arthur zur Antwort und schob seine Brille zurück.

      »Wie lange?«

      »Stunden, vielleicht Tage.«

      »Tage?« Marek wirkte sichtlich ungehalten. »Wie lange sollen wir denn noch hier rumhängen? Gibt es in dieser Bibliothek keine anderen Informationen?«

      »Nichts, was uns wirklich weiterbringt«, sagte Olivia. »Die Leseterminals und Beschallungskojen sind allesamt außer Betrieb. Klassische Bücher scheint es hier nicht zu geben. Die paar, die wir gefunden haben, sind Antiquitäten, so wie Lucies Zeitschrift. Der Rest ist digital oder online und kann nur noch über spezielle Reader gelesen werden.«

      Arthur klappte den Laptop zu. »Fertig«, sagte er und zog die Kabel ab.

      Jem runzelte die Stirn. »Heißt das, du hast die Datenpakete alle kopiert?«

      »Genau das. Sie liegen jetzt bei M.A.R.S. auf der Festplatte und können von dort ausgelesen werden. Das kann ich aber auch unterwegs machen, dafür müssen wir nicht hier rumsitzen.« Er zwinkerte in Richtung Fenster. »Die Zeit ist ohnehin fortgeschritten. Machen wir, dass wir zum Bahnhof zurückkommen.«

      *

      Lucie bemerkte ein Huschen aus dem Augenwinkel. Mehrere kleine Punkte leuchteten in der Dunkelheit. Als sie die Lampe darauf richtete, wuselten ein paar vierbeinige Gestalten schnell davon.

      Sie presste die Lippen zusammen und hastete weiter. Mit den herabhängenden Schlingpflanzen wirkte der Stollen wie ein aufgerissenes Maul, aus dessen Tiefen die rostigen Schienenstränge wie die Enden einer gespaltenen Zunge hinausrollten.

      »Connie, bist du hier irgendwo?«

      Nur das Tropfen von Wasser antwortete ihr.

      »Kannst du mich hören? Ich bin jetzt auf dem Weg nach draußen!«

      Nichts. Lucie glaubte, ein entferntes Kichern zu hören.

       »Connie?«

      Wieder dieses Kichern. Wenn man genau hinhörte, konnte man einzelne Silben vernehmen, die sich mit viel Fantasie zu einem Wort zusammensetzen ließen.

       Con…nie …

      Kein Zweifel, da flüsterte jemand.

      Der Tunnel hinter ihr war schwarz wie die Nacht. »Connie?«

       Connn…nieee …

      Die Echos jagten ihr Schauer über den Rücken. Als würden die Geister der Toten sich über sie lustig machen. Als würden sie ihr atemloses Gelächter in die Welt keuchen.

      »Bitte sag doch etwas.«

       Ettt…wasss…wass…was.

      Lucie richtete den Strahl ihrer Lampe tiefer ins Innere des Tunnels. Sie kniff die Augen zusammen. Auf der linken Seite hatte sie eine Bewegung gesehen. Zögernd ging sie darauf zu. Etwas Dunkles lag dort. Größe und Form nach zu urteilen, ein menschlicher Körper. Sie wagte es kaum, noch näher heranzutreten. Jede Faser ihres Körpers war angespannt.

      Als sie dort ankam, stellte sie fest, dass es nur eine verrottete Plastiktonne war. Vielleicht früher mal ein Aufbewahrungsbehälter für Öl oder Treibstoff. Sie wollte sich schon abwenden, als sie eine Chipstüte entdeckte. Eine von denen, die sie vorhin mitgenommen hatten. Wenn die hier lag, dann bedeutete das doch …

      Lucie ließ den Strahl ihrer Lampe umherzucken. »Connie?«

      Wieder antwortete ihr das Echo, aber sie ließ sich davon nicht verrückt machen. Connie musste hier gewesen sein, so viel stand fest. Vielleicht war sie wirklich ohnmächtig geworden und konnte nicht antworten.

      Systematisch fing Lucie an, die Umgebung abzusuchen. Sie rief, sie lauschte. Sie schaute hinter jeden Stein und unter jedes Blech, fand aber nichts. Ratlos kehrte sie zu der Tüte zurück. Bleiche Schatten stoben davon weg. Ratten! Und wie es schien, besonders dicke, große.

      Die Tiere bewegten sich gerade so weit, dass sie nicht mehr im Lichtkegel der Lampe waren. Dann hielten sie an und beobachteten sie. Ihre kleinen Knopfaugen glommen in der Dunkelheit.

      »Macht, dass ihr wegkommt«, rief Lucie und wedelte mit der Lampe. Doch es half nichts. Die Tiere wussten, dass sie ihnen nichts anhaben konnte. Sie waren die Herrscher hier unten.

      Die Tüte bereitete ihr Kopfzerbrechen.

      Ihr Inhalt lag weit verstreut über dem Boden. Wer hatte sie aufgerissen? Ein paar Meter entfernt lagen ein paar Konserven. Sie fand Tütensuppen und Spaghetti. Manche der Packungen waren zerfetzt, an manchen war nur herumgeknabbert worden. Ein paar Schritte weiter sah Lucie Connies Lampe auf dem Boden liegen. Sie hob sie auf, versuchte, sie anzuschalten. Ohne Erfolg. Mit zusammengepressten Lippen eilte sie vorwärts. Nur raus aus diesem verdammten Tunnel.

      Noch einmal blickte sie nach hinten. Dutzende von Ratten folgten ihr. Jetzt, da sie näher am Ausgang war, konnte sie sie besser erkennen. Waren das überhaupt Ratten? Sie sahen irgendwie seltsam aus. Mehr wie eine Kreuzung aus Katze und Opossum. Die Tiere schienen überhaupt keine Angst vor ihr zu haben. Nicht mal das Tageslicht hielt sie davon ab, ihr zu folgen.

      »Hört auf, mir nachzurennen«, sagte sie und kickte ein paar Steine mit dem Fuß weg. »Ich lasse euch in Ruhe und ihr mich, okay?«

      Wieder ertönte das seltsame Kichern.

      Die Anzahl der Tiere hatte deutlich zugenommen. Sie hockten überall, auf zerbeulten Blechtonnen, auf Kunststoffeimern und größeren Steinen. Seltsamerweise wuselten sie nicht länger herum, sondern saßen einfach nur da und schauten sie an.

      Sie hatte früher mal Rennmäuse gehabt, die ebenfalls sehr intelligent und neugierig waren. Allerdings gab es einen Unterschied, ob es sich um liebenswerte Haustiere oder fiese mutierte U-Bahn-Opossumratten handelte.

       Konzentrier dich! Jetzt nicht ablenken lassen, du hast es gleich geschafft.

      Sie näherte sich dem Ausgang. Noch etwa zwanzig Meter. Die Blicke der Tiere verfolgten sie weiter, Lucie spürte sie förmlich in ihrem Rücken. Als sie den Ausgang endlich erreicht hatte, drehte sie sich ein letztes Mal um. Keiner der seltsamen Höhlenbewohner folgte ihr.

      Einerseits fiel ihr eine zentnerschwere Last von den Schultern, weil sie der Enge und der Dunkelheit entkommen war. Auf der anderen Seite war es ein beklemmendes Gefühl, nicht zu wissen, wo Connie war. Sie konnte doch nicht einfach spurlos verschwunden sein!

      Der Tunnelausgang war meterhoch mit Gräsern und Sträuchern überwuchert. Ausgebleichte Plakatwände, Müll und verrostete Autos – das Bild hätte trostloser nicht sein können.

      Irgendwo vor ihr, auf dem verwilderten und verwahrlosten Gleisfeld, musste ein Weg zurück zum Bahnhof führen. Lucie hoffte, Connie spätestens dort zu finden.

      Ihre Schritte knirschten über den schwarzen Schotter.

      Einige Hundert Meter weiter begann


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