Evolution Bundle. Thomas Thiemeyer

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Evolution Bundle - Thomas Thiemeyer


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Blick.

      Sie senkte ihre Stimme, als wollte sie verhindern, dass die anderen etwas mitbekamen. »Ach, das war alles ziemlich verworren«, sagte sie. »Ich weiß nur noch, dass wir in eine Art Sturm gekommen sind. Es hat mich fast aus dem Sitz gehoben. Danach hatte ich so einen komischen Geruch in der Nase und es wurde furchtbar hell.« Sie lächelte entschuldigend. »Blöd, oder?«

      »Nee, überhaupt nicht …« Das konnte doch gar nicht sein. »Also entweder haben wir beide das Gleiche geträumt oder …« Er verstummte.

      »Oder was?«

      »Oder es war gar kein Traum.« Er schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich erinnere mich nämlich an haargenau dasselbe.«

      »Redet ihr gerade über die Sache mit den Turbulenzen?«, schaltete Olivia sich ein.

      »Tun wir.« Jem setzte sich wieder hin. »Hast du davon auch etwas mitbekommen?«

      »Allerdings«, stieß sie aus und sah sie dabei mit weit aufgerissenen Augen an. »Der Pilot hat noch versucht, uns etwas mitzuteilen, aber die Verbindung war gestört. Ich kann mich nur noch an Rauschen und Knacken erinnern.«

      »Das Knacken, stimmt, das hatte ich total vergessen.« Lucie hatte sich auf ihren Sitz gekniet und blickte Jem über die Rückenlehne hinweg an. »Und da war noch was: Meine Uhr hat gesponnen. Sie hat sich wie verrückt vorwärtsgedreht, so, als ob man das Uhrwerk unter Starkstrom gesetzt hätte. Jetzt läuft sie allerdings wieder ganz normal.«

      Paul und Arthur waren inzwischen ebenfalls wach und lauschten der Unterhaltung. Paul hatte hektische rote Flecken auf den Wangen. »Meine Taschenuhr funktioniert auch nicht mehr!« Wie zum Beweis schwenkte er sie hin und her. »Und dann dieses Flüstern. Daran kann ich mich besonders gut erinnern. Habt ihr das auch gehört …?«

      »Und ob.« Jem war inzwischen überzeugt, dass sie es hier nicht mit einem Zufall zu tun hatten. Und ein Traum war das schon gar nicht gewesen. Irgendetwas Merkwürdiges war hier im Gange. Geradezu unheimlich.

      »Ich sag euch, da ist was faul.« Paul senkte verschwörerisch die Stimme. »Irgendetwas geht hier vor, das spüre ich. Dazu passt auch, dass die Monitore noch nicht ausgeklappt sind und uns niemand sagt, was hier los ist.«

      »Nun macht euch mal nicht gleich ins Höschen, ihr Süßen.« Vor Arthurs Platz tauchte plötzlich Mareks blonder Strubbelkopf auf. Ein überheblicher Ausdruck lag auf seinem Gesicht. »Nur wegen ein paar Luftlöchern sind wir noch nicht gleich von Aliens entführt worden. Alles ganz normal. Trinkt ein Glas Milch, esst einen Keks, dann wird alles wieder gut.«

      Arschloch, dachte Jem. Aber was hatte er schon anderes erwartet?

      Arthur warf Marek einen giftigen Blick zu. »Und dass es hier null Empfang gibt, findest du auch normal?« Er hielt ihm sein Gerät entgegen. »Kein Netz, kein GPS, nichts.«

      »Bei mir auch nicht«, sagte Paul und tippte auf sein Smartphone. »Absolut tote Hose.«

      »Keine Ahnung, was mit euren Apparaten los ist«, erwiderte Marek schnippisch. »Wieso sind eure Smartphones überhaupt auf Empfang gestellt? Das ist doch verboten …«

      In diesem Moment ertönte ein Knacken in den Lautsprechern.

       »Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Aufgrund unvorhergesehener technischer Probleme sind wir leider gezwungen, unseren gegenwärtigen Kurs zu verlassen und einen Zwischenstopp auf dem Denver International Airport einzulegen. Wir werden dort in voraussichtlich dreißig Minuten eintreffen. Es besteht kein Grund zur Sorge, trotzdem möchten wir Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen …«

      Den Rest der Durchsage hörte Jem kaum noch. Er war viel zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt.

      Was ging hier vor? Was hatten sie da erlebt? Und warum nur glaubte er dem Kapitän nicht?

      Er hatte ein unmittelbares Gefühl von Bedrohung, das er aber nicht richtig fassen konnte.

      Er war inzwischen überzeugt, dass Paul recht hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht, man wollte ihnen nur nicht sagen, was.

      Das Knacken der Lautsprecher ließ Lucie hochschrecken. »Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befinden uns nun im Anflug auf den Denver International Airport. Wenn Sie rechts aus dem Fenster sehen, können Sie die Berggipfel der Rocky Mountains erkennen. Aufgrund unserer gegenwärtigen technischen Probleme sind wir leider nicht in der Lage, Funkkontakt mit dem Tower aufzunehmen. Da der Landeanflug manuell erfolgt, möchten wir Sie dringend ermahnen, Ihre Plätze nicht zu verlassen und Ihre Gurte geschlossen zu halten. Ich melde mich wieder, sobald wir sicher gelandet sind. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.«

      Einen Moment lang herrschte Stille im Flugzeug, dann fingen die Leute in der Reihe vor Lucie an zu spekulieren. Von Entführung war die Rede, von einem ärztlichen Notfall, von vergifteten Lebensmitteln, der junge Mann ganz außen sprach sogar von einem Ausfall der Turbinen. Zumindest das konnte Lucie ausschließen, immerhin war das Motorengeräusch noch zu hören.

      »Wissen die in Denver überhaupt, dass wir kommen?«, rief Connie von hinten. »Wie lange wird die Verzögerung dauern?« Niemand gab ihr eine Antwort.

      »Ich habe wichtige Termine in Los Angeles«, beklagte sich ein Mann mit Schnauzbart und kariertem Hemd, der rechts von Lucie am Fenster saß. »Wer informiert die Leute vor Ort? Wer kommt für die Kosten auf?«

      Lucie wünschte, sie könnte sich zurück nach Hause beamen, in ihr kleines Zimmer direkt unter dem Dach, das bis oben hin vollgestopft war mit Büchern. Wie gerne hätte sie jetzt mit einem dicken Schmöker auf dem Bett gelegen, anstatt hier zu sitzen und nicht zu wissen, was mit ihr passierte. Die Welt um sie herum schien aus den Fugen geraten zu sein. Die Stewardessen hetzten durch die Reihen, sammelten die letzten Tabletts und den Müll ein und versuchten, den aufgeregten Fragen zu entgehen.

      Denver? Das lag doch in Colorado. Wie sollte sie denn von dort aus weiter nach L.A. kommen? Ihr Smartphone war genauso tot wie das von Arthur und Paul. Niemand hatte Empfang. Wie sollte sie denn jetzt ihre Gasteltern erreichen?

      Lucie wusste, dass die Familie in Pasadena, ein paar Kilometer außerhalb des Zentrums, wohnte. Sie waren bestimmt schon in Richtung Flughafen unterwegs, um sie abzuholen. Aber das war vermutlich gerade das kleinste Problem.

      Viel wichtiger war erst mal, dass sie heil runterkamen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was beim Landeanflug alles schiefgehen konnte.

      »He, da unten ist Denver«, rief ein kleiner Junge. »Ich kann den Airport sehen.«

      Lucie reckte den Hals, konnte aber nicht wirklich viel erkennen. Ihre Sitze waren alle in der mittleren Reihe, sodass die Entfernung zum nächsten Fenster recht groß war. Sie hielt es nicht länger aus. Sie löste ihren Gurt, stand auf und beugte sich über die fensterseitigen Sitze. Sie fühlte sich magisch angezogen.

      Zwischen den Wolkenlücken erkannte sie Bäume, Wiesen und Wasserflächen. Das Land unter ihr sah wunderschön aus. Ruhig, beschaulich und grün. Verdammt grün.

      Die Sonne war bereits hinter den Bergen versunken und der Himmel flammte orangerot auf. Plötzlich tauchten ein paar Hochhäuser auf, deren obere Hälften vom letzten Licht des Abends spektakulär beleuchtet wurden.

      Lucie spürte ein Kribbeln im Nacken. Irgendetwas stimmte nicht. Als würde sie ein Bild betrachten, das ein verborgenes Geheimnis enthielt. Geradezu hypnotisch.

      Plötzlich wusste sie, was es war. Sie beugte sich noch ein Stück weiter vor.

      Der Mann mit dem Schnauzbart lehnte sich höflicherweise nach hinten, sodass sie mehr Platz hatte. Sie war viel zu verblüfft, um sich zu bedanken. »Das ist ja ein Ding«, murmelte sie. »Sehen Sie das auch?«

      »Was meinen Sie?«

      Lucie deutete hinaus. »Fällt Ihnen nichts auf? Da unten brennt kein einziges Licht.«


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