APEX. Ramez Naam

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APEX - Ramez  Naam


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das tat jemand anders. Es war nicht sie selbst.

      Barb starrte Abigail an. »Die Videos?«

      Abigail schaute ihr in die Augen. Levi kam auf sie zu und legte die Arme um seine Frau.

      »Ich weiß nur von den Kindern. Und von ihm.« Sie deutete auf Shankari. Den Terroristen. Und dann nickte sie.

      »Das ist alles wahr.«

      Barb schluckte heftig. »Warum hast du mir nichts gesagt?«

      »Oh Barb«, sagte Abigail und legte eine Hand auf die Schulter ihrer Freundin. »Es tut mir so leid. Wir haben unser Bestes getan, es die ganze Welt wissen zu lassen.«

      Später trat Barb benebelt aus der Kirche hinaus, mit der Waffe in ihrem Holster und ihrer Patrouillenbrille in der Hand baumelnd.

      Sie lief um den Truck herum und auf ihren wartenden Streifenwagen zu. Am hinteren Kotflügel des Wagens hockte sie sich hin, wie in Trance und legte ihre Patrouillenbrille hinter den Reifen auf der Fahrerseite des Streifenwagens. Dann ließ sie sich in den Fahrersitz sinken, ließ ihr Fenster herunter und rollte über die Brille, vor und zurück, bis sie sicher war, dass sie zerstört war. Dann stieg sie aus und sammelte die Bruchstücke auf, um sie in einen Gully mit schnell fließendem Wasser zu werfen. Um die Daten darauf zu anonymisieren und die Video- und Audiodateien, die noch nicht übermittelt worden waren, für immer auszulöschen.

      Dann rief Barb wieder bei der Leitstelle an.

      »Zentrale, hier Wagen 148. Wiederaufnahme der Patrouille wegen Shankari.«

      

      

       19| BÖSES ERWACHEN

      

      Montag, 05.11.2040 Einen halben Tag später kamen sie, um Kade zu holen. Es wurde ihm gestattet etwas zu essen und sich zu erleichtern. Und dann schlief er vor lauter Erschöpfung auf seinem Stuhl ein, während er mit seiner unbeschadeten Hand seinen Kopf auf dem Tisch abstützte.

      Das Knallen einer aufgestoßenen Tür riss ihn aus seinem Schlaf. Er schaute auf und sah bewaffnete Soldaten auf ihn zukommen. Immer mehr strömten in den Raum.

      Ein Ton entwich seiner Kehle. Er drückte sich erschrocken vom Tisch weg und versuchte sich aufzurichten. Dabei blieb eines der hinteren Stuhlbeine hängen und plötzlich kippte der Stuhl mitsamt Kade nach hinten um.

      Er streckte seinen Arm aus, um den Sturz abzufangen, und seine verletzte Hand krachte auf den Fußboden.

      Dabei schoss ein schrecklicher Schmerz durch die Hand.

      Fast zeitgleich knallte Kades Kopf auf den Boden. Noch mehr Schmerzen glühten in seinen zertrümmerten Rippen auf. Die Welt um ihn herum drehte sich.

      »Hebt ihn auf«, hörte er jemanden sagen.

      Zwei Soldaten tauchten über ihm auf. Ihre Hände krallten sich wie Schraubzwingen um seinen Bizeps. Sie hievten ihn hoch und stellten ihn auf. Er stöhnte auf, als noch mehr Schmerzen durch seinen Leib schossen. Kurz bevor er zusammenklappte, zogen sie eine Kapuze über seinen Kopf und nahmen ihm so die Sicht.

      »Hände«, sagte dieselbe Stimme.

      Er hatte die Vision, Bruce Lee zu Hilfe zu rufen, aber er wusste, wie zwecklos das gewesen wäre.

      Seine Handgelenke wurden hinter seinem Rücken zusammengehalten. Die verletzte Hand schmerzte so sehr, dass ihm Tränen aus den Augen schossen. Kaltes Metall schloss sich um sie. Er hörte das Klicken der sich schließenden Handschellen.

      Kade brachte das Icon für das Suizidskript, das er geschrieben hatte, direkt vor sein inneres Blickfeld.

      Was auch immer sie wollten, sie würden es nicht aus ihm herauskriegen.

      »Geh«, befahl die Stimme.

      Jeder Schritt schmerzte. Er hörte dumpfe Geräusche. Türen öffneten und schlossen sich. Die Echos der Schritte auf den Fliesen und dann auf nacktem Beton.

      Sie stiegen hinab, in Tunnel.

      In eine Garage.

      Dann wurde er in ein Fahrzeug gestoßen.

      Sie fuhren los, beschleunigten, überholten, wendeten, fuhren weiter. Geräusche von geschäftigem Treiben. Von der Stadt da draußen. Neu-Delhi.

      Da waren Männer bei ihm. Soldaten. Viele.

      Sie befanden sich gerade draußen, da war er sich sicher.

      Er sandte seine Gedanken aus und suchte nach einem Transmitter. Aber da war nichts.

      Er sammelte sein Bewusstsein wieder, so wie Ling es ihm gezeigt hatte, und öffnete sich allen Arten von elektromagnetischer Aktivität. Aber er war blockiert. Abgeschirmt. Die Kapuze oder irgendetwas anderes hatte ihn abgeschirmt.

      Zuerst verschwanden die Geräusche der Stadt. Das geschäftige Treiben. Der Lärm des Verkehrs und der Straßenverkäufer verschwanden, Stück für Stück. Dann auch der letzte Ton, bis alles still war.

      Waren sie dabei, ihn außer Landes zu bringen? An einen geheimen Ort, um ihn auszufragen? An einen Platz, wo sie eine Kugel in seinen Kopf jagen konnten?

      Dann änderte sich noch etwas. Sie fuhren eine Rampe hinab und die Geräusche hatten etwas an sich, das ihm sagte, dass sie sich nicht mehr im Freien befanden. Dann wieder einige Kurven, bevor sie anhielten und die Soldaten in Bewegung kamen. Sie stießen ihn aus dem Wagen und führten ihn einen betonierten Gang entlang und durch Türen. Durch mehrere Türen und dann in einen Aufzug und wieder heraus.

      Sie brachten ihn an einen ruhigeren, gedämpften Ort. Der Boden unter seinen Füssen fühlte sich anders an.

      Hände führten ihn, drehten ihn, wirbelten ihn umher, stoppten ihn und drehten ihn wieder um seine eigene Achse.

      Plötzlich zerrte jemand an seinen Handgelenken. Er hörte ein Klicken, ein weiteres Klicken und dann nahmen sie ihm die Handschellen ab. Jemand schob ihn, fast schon behutsam, und er fiel in einen Stuhl.

      Jemand anders zerrte an der Kapuze und nahm sie ihm ab.

      Er befand sich in einem kitschig dekorierten Raum und saß mit dem Gesicht zu einer Tür mit Holzschnitzereien in einem vergoldeten Rahmen.

      Ich bin nicht tot, erkannte er.

      Dann öffnete sich die Tür. Ein riesiger Mann in einem grauen Anzug trat hinein. Und dann ein weiterer. Ihre Gesichter waren maskiert und ihre Augen scannten den Raum ab.

      Hinter ihnen kam eine kleine, grauhaarige Frau in einem grünen Seidensari herein.

      Kades Gesichtserkennungs-App leuchtete neben ihr auf. Er ignorierte es.

      Er war nicht auf die Hilfe einer App angewiesen, um Ayesha Dani zu erkennen, die Premierministerin von Indien.

      Kade stellte sich auf seine Beine und stöhnte vor lauter Schmerzen erneut auf.

      Die Premierministerin schritt auf ihn zu, bis sie nur noch ein paar Zentimeter von ihm entfernt stand. Ihr Kopf reichte ihm gerade einmal bis zum Kinn. Sie hatte ein Blatt Papier in ihrer rechten Hand.

      »Sie haben zu einem meiner vertrautesten Berater gesagt er solle sich verpissen«, sagte sie. Ihre Stimme war von höchster Autorität. Eine Stimme, der man Gehör schenkte. Ihre Aussprache war präzise und akzentuiert und irgendwie sogar perfekter in ihrem Gebrauch der englischen Sprache, als die meisten Amerikaner es jemals hinbekamen. »Warum?«

      Weil er ein Arschloch ist, dachte sich Kade.

      Er blinzelte und musste sich anstrengen, sich an diese äußerst außergewöhnliche Situation anzupassen. »Ich musste …« Er strengte sein erschöpftes Gehirn an, um die richtigen Worte zu finden. »… Mister Aggarwal die Tiefe meiner Überzeugung in dieser Angelegenheit … verständlich machen«,


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