Soziale Interventionen in der Psychotherapie. Группа авторов

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Soziale Interventionen in der Psychotherapie - Группа авторов


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A. (2010). Psychische Belastungsrisiken aus Sicht der Arbeitswissenschaft und Ansätze für die Prävention. In B. Badura, H. Schröder, J. Klose & K. Macco (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2009. Arbeit und Psyche: Belastungen reduzieren – Wohlbefinden fördern Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft (S. 13–22). Heidelberg: Springer.

      Schubert, H., Parthier, K., Kupka, P., Krüger, U., Holke, J. & Fuchs, P. (2013). Menschen mit psychischen Störungen im SGB II (IAB-Forschungsbericht, Bd. 2013/12). Nürnberg: IAB. Zugriff am 29.03.2018 unter http://doku.iab.de/forschungsbericht/2013/fb1213.pdf.

      Techniker Krankenkasse (TK) (2014). Gesundheitsreport 2014 der Techniker Krankenkasse mit Daten und Fakten zu Arbeitsunfähigkeit und Arzneiverordnungen. Schwerpunktthema: Risiko Rücken. Hamburg: TK. Zugriff am 29.03.2018 unter https://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/644772/Datei/124009/Gesundheitsreport-2014.pdf.

      Wilkinson, R. G. & Pickett, K. (2010). Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind (3., verbesserte Auflage). Berlin: Tolkemitt bei Zweitausendeins (englisches Original erschienen 2009).

      World Health Organization (WHO) (2001). The World Health Report 2001. Mental health: new perspectives, new hope. Genf: WHO. Zugriff am 29.03.2018 unter www.who.int/entity/whr/2001/en/whr01_en.pdf.

Teil I Psychosoziale Arbeit als Schnittstelle zwischen Sozialer Arbeit und Psychotherapie

      1 Das biopsychosoziale Modell im Kontext sozialer Mitbehandlung

      Helmut Pauls

      1.1 Einführung: Das »Individuum-in-seiner-Welt«

      Im Alltagsbewusstsein vieler Menschen steht mit »Krankheit« zunächst die Körperlichkeit im Fokus: Es geht um spezifische Symptom- und Verlaufsmuster biologischer Prozesse und Ursachen, wie sie bei somatischen Erkrankungen in der Regel vorkommen. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich auch ein Verständnis für psychische Erkrankungen, wobei dafür statt »Krankheit« eher der offenere Begriff der psychischen »Störung« verwendet wird (Baumann & Perrez, 2005). Die Psychotherapie ist folgerichtig mit dem »Psychotherapeutengesetz« 2001 zum berufs- und sozialrechtlich anerkannten Heilberuf geworden. Allerdings wird oft spätestens im Moment der Manifestation einer Erkrankung bzw. Störung mit körperlichen und/oder psychischen Symptomen und Folgen ein sozialer Zusammenhang spürbar: Die soziale Umwelt ist bei Störung, Krankheit, Krise mitbetroffen und beansprucht, oft auch mitverursachend. Insbesondere schwere und chronische Erkrankungen leiten eine gravierende soziale Diskontinuität im Leben der Betroffenen ein. Zuwendung und soziale Unterstützung werden notwendig angesichts von vielfältigen sozial unerwünschten und nicht akzeptierten Verhaltensweisen und Konsequenzen (z. B. Fernbleiben von der Arbeit). Hier wird das Soziale als Krankheitsfolge zentral: Erkrankte Menschen werden abhängig von sorgenden (versorgenden) Personen – Angehörigen, NachbarInnen, KollegInnen, ÄrztInnen, TherapeutInnen, HelferInnen. Krankheit bzw. Störung ist allerdings nicht nur für soziale Konsequenzen relevant, sondern sie ist nicht selten auch sozial (mit)bedingt. D. h., soziale Strukturen, Lebensbedingungen, Beziehungen und Handlungsformen sind für psychische und somatische Prozesse kausal zu beachten. Strotzka sprach bereits 1965 (S. 27 ff.) von »Sozialpathologie«. Sozialwissenschaftlich gesehen können sich Betrachtungen von Krankheit und Störung nicht nur auf Individuen beziehen, sondern ebenso auf größere soziale Einheiten bzw. Systeme (Familie, Nachbarschaft, Betriebe, Institutionen). Menschen sind sozial ebenso verwundbar wie psychisch und körperlich. Deshalb benötigt die somatische, psychiatrische und psychotherapeutische Gesundheitsversorgung eine Ergänzung durch eine Soziale Arbeit mit klinischer bzw. sozialtherapeutischer Expertise, die den Anspruch an komplexer Problemwahrnehmung und integrativer Problembearbeitung, der einem biopsychosozialen Modell implizit ist, theoretisch, methodisch und praktisch einlöst (vgl. Pauls & Lammel, 2017).

      1.2 Biopsychosoziale Grundannahmen

      In der Klinischen Sozialarbeit und auch in der Klinischen Psychologie (vgl. Perrez & Hilti, 2005, S. 406) spielt das biopsychosoziale Modell eine wichtige Rolle (Pauls, 2013a, 2011/2013b; Gahleitner, Pauls, Hintenberger & Leitner, 2014). Ein Wegbereiter für biopsychosoziales Denken war in den 1950er-Jahren die Erforschung von Risikofaktoren zum Krankheitsgeschehen unter Einbezug sozialer und psychologischer Faktoren (Hurrelmann & Laaser, 1998), sie bildete auch die Grundlage für die Konzeption präventiver Gesundheitsmaßnahmen und der Gesundheitsförderung. Wissenschaftshistorisch wichtig war weiterhin die Entstehung der Allgemeinen Systemtheorie (General Systems Theory, GST). Die GST entstand sowohl in der Biologie als auch in den Sozialwissenschaften (Bateson, 1972). Betrachtungsgegenstände oder Phänomene (Systeme) werden im Kontext der komplexen wechselseitigen Beziehungen der ihnen verknüpften Elemente verstanden bzw. im Kontext der Organisation oder Umgebung, deren Teil sie sind. Auch die Stressforschung bereitete der Entwicklung des biopsychosozialen Modells den Boden. Selye (1953) identifizierte das allgemeine Adaptationssyndrom (GAS – General Adaptation Syndrome) als eine unspezifische physiologische Antwort des Organismus auf eine Vielzahl von Stress auslösenden biologisch-physikalischen, psychologischen und sozialen Reizen. Die Bezeichnung Syndrom macht deutlich, dass es sich um verschiedene Manifestationen auf verschiedenen Integrationsebenen von Stress handelt, die zusammen auftreten. Die Funktion der allgemeinen Stressreaktion ist zunächst nicht nach der Art der Stressquelle zu differenzieren, sondern der Organismus reagiert auf die wahrgenommene Notwendigkeit einer Anpassungsreaktion (vgl. ebd.). Physische, psychische wie soziale Stressoren (z. B. Kälte, Nahrungsmangel, Tod des Partners/der Partnerin, Angstzustände) rufen das gleiche Syndrom hervor.

      So lagen in den 1970er-Jahren wichtige theoretische und empirische Bausteine vor, als der Psychiater Engel (1977, 1980) das biopsychosoziale Krankheitsmodell formulierte, das auch psychosoziale Faktoren zur Erklärung von psychischen und körperlichen Erkrankungen heranzog. Der Grundgedanke des Engel’schen Modells »besteht darin, dass alle drei Bedingungen – die biologisch-organische, die psychische und die soziale – in sich kontinuierlich ändernden Wechselbeziehungen stehen und aus diesen Faktoren und deren Veränderungen sich Entwicklung und Verlauf von Störungen erklären lassen« (Jungnitsch, 1999, S. 31). In Genese und Verlauf von Erkrankungen gibt es ein dynamisches Wechselspiel der drei Ebenen, was bedeutet, dass neben den biologischen ebenfalls psychische und soziale Faktoren auch kausal für die Entstehung von Krankheiten in Betracht kommen. Der Mensch ist in dieser Sicht Teil umfassender Systeme und selbst wiederum ein System aus vielen Subsystemen bis hinab zur molekularen Ebene.

      Dies lässt sich gut anhand chronischer sozialer Belastungszustände mit negativen Emotionen (Distress) veranschaulichen: Soziale Benachteiligungen werden als Kränkungen erlebt, die zu langandauernden belastenden emotionalen Zuständen im Organismus führen.

      »Leiden an der Gesellschaft in Form von Gewalt, Benachteiligung, Überforderung, Ausschluss oder anderen Arten zwischenmenschlicher Konflikte ruft starke, wiederkehrende negative Emotionen der Bedrohung, Angst und Hilflosigkeit, aber auch der Irritierung und Verärgerung hervor, die ihrerseits Aktivierungszustände im Organismus auslösen (chronischer sozio-emotionaler Distress). Vermittelt über das autonome Nervensystem, das neuroendokrine und das Immunsystem vermögen solche Aktivierungen längerfristig das geordnete Zusammenspiel physiologischer Funktionen zu beeinträchtigen und pathophysiologische Prozesse zu begünstigen, bis hin zu organischen Läsionen« (Siegrist, 1998, S. 273).

      Beachtet man also die biopsychosoziale Integration, dann wird das erhebliche pathogene Potenzial der sozioökonomischen Lebenssituation und des sozialen Status erklärbar: Armut, relative Benachteiligungen und ungünstige Wohn- und Arbeitsverhältnisse wirken begünstigend auf die Entwicklung und den Verlauf akuter und chronischer körperlicher und psychischer Erkrankungen. Diese sind aus biopsychosozialer Perspektive immer in ihrer Einbettung in soziale und soziokulturelle Kontexte zu sehen (also auch »soziopsychobiologisch«).

      1.3 Das biopsychosoziale Modell als Grundlage kooperativer


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