David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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und dabei gleichzeitig die meiner Mutter berührte. Und ich schob sie hinweg, so weit ich's vermochte.

      »Aber Davy!« ermahnte meine Mutter.

      »Der liebe Junge!« sagte der Herr. »Ich kann seine Zärtlichkeit schon begreifen.« , .

      Noch nie hatte ich meiner Mutter Antlitz so schön erröten sehen. Sie schalt mich sanft aus wegen meiner Unfreundlichkeit, und sprach, indem sie mich dicht an sich hielt, ihren Dank gegen den Herrn aus, daß er so gütig gewesen war, sie nach Hause zu begleiten. Sie reichte ihm ihre Hand, und als er sie nahm, kam es mir vor, als ob sie mich von seitwärts her rasch anblickte.

      »Nun laß auch uns gute Nacht sagen, mein kleiner Mann«, sagte der Herr zu mir, nachdem er sich–ich sah es ganz deutlich – über den zierlichen Handschuh meiner Mutter gebeugt hatte.

      »Gute Nacht!« sagte ich.

      »Komm! Wir müssen die besten Freunde von der Welt werden!« sagte er lachend. »Gib mir die Hand!« Meine rechte Hand lag in der linken meiner Mutter, deshalb gab ich ihm die andere.

      »Das ist ja aber die falsche Hand, Davy!« sagte der Herr lachend.

      Meine Mutter zog meine rechte Hand hervor, aber ich war entschlossen sie ihm nicht zu geben, und tat es auch nicht. Ich reichte ihm die andere, er schüttelte sie kräftig und sagte, ich sei ein wackerer Junge, und ging fort.

      Noch jetzt sehe ich ihn, wie er sich in der Gartentür umdrehte und uns noch einmal mit seinen unangenehmen schwarzen Augen ansah, ehe sich das Gitter hinter ihm schloß,

      Peggotty, die kein Wort gesprochen und keinen Finger gerührt hatte, schob sofort den Riegel vor, und wir gingen alle in das Wohnzimmer. Anstatt sich wie gewöhnlich in den Lehnstuhl neben das Feuer zu setzen, blieb meine Mutter heute am andern Ende des Zimmers stehen, und sang dabei leise vor sich hin.

      »Hoffentlich haben Sie einen angenehmen Abend verlebt, Ma'am«, sagte Peggotty, die so steif wie ein Stock in der Mitte des Zimmers stand und einen Leuchter in der Hand hielt.

      »Ich danke, Peggotty«, erwiderte meine Mutter mit sehr heiterer Stimme. »Ich habe einen sehr angenehmen Abend verlebt.«

      »Etwas Fremdes gibt eine angenehme Abwechselung«, bemerkte Peggotty.

      »Eine sehr angenehme Abwechselung, gewiß«, entgegnete meine Mutter.

      Da Peggotty regungslos in der Mitte des Zimmers stehen blieb, meine Mutter wieder zu singen anfing, schlief ich ein, obgleich ich nicht so fest schlief, daß ich nicht Stimmen hören konnte, wiewohl ich nicht verstand, was sie sagten. Als ich aus diesem unbehaglichen Schlummer halb erwachte, sah ich, daß Peggotty und meine Mutter in großer Aufregung miteinander sprachen und dabei weinten.

      »So einer wie dieser hätte Mr. Copperfield nicht gefallen«, behauptete Peggotty. »Das sage ich und das schwöre ich!«

      »Guter Gott,« rief meine Mutter, »du wirst mich noch zur Verzweiflung treiben! Ist jemals ein armes Mädchen von ihrem Dienstboten so mißhandelt worden! Aber warum tue ich mir das Unrecht, mich ein Mädchen zu nennen? Bin ich niemals verheiratet gewesen, Peggotty?«

      »Gott weiß, daß es wahr ist, Ma'am«, entgegnete Peggotty.

      »Wie kannst du dann wagen,« sagte meine Mutter – »das heißt, ich meine nicht, wie du es wagen kannst, Peggotty, sondern wie du es auch nur übers Herz bringen kannst, mir solches Unbehagen zu bereiten und so böse Worte zu sagen, da du doch recht gut weißt, daß ich draußen auf der ganzen Welt keinen einzigen Freund habe.«

      »Um so mehr habe ich Grund zu sagen, daß es nicht geht«, entgegnete Peggotty. »Nein, es geht nicht, nein; um keinen Preis, nein, nein!« – Ich glaube wahrhaftig, Peggotty wollte den Leuchter hinschleudern, so dramatisch deklamierte sie damit.

      »Wie kannst du mich nur so ärgern,« sagte meine Mutter und fing von neuem an zu weinen, »und mich so ungerecht verklagen? Wie kannst du reden, als ob alles schon abgemacht wäre, Peggotty, wenn ich dir immer und immer wieder sage, du böses Mädchen, daß außer den gewöhnlichsten Höflichkeiten nichts vorgefallen ist? Du sprichst von Bewunderung – was soll ich tun? Wenn Leute so töricht sind, Bewunderung zu fühlen, ist das meine Schuld? Was soll ich dagegen tun, frage ich dich? Soll ich mir etwa das Haar abscheren lassen, soll ich mir das Gesicht schwärzen, oder mich mit einem Brandfleck oder heißem Wasser oder etwas ähnlichem verunstalten? Ich glaube, du könntest das verlangen, Peggotty, ja ich glaube, du würdest dich noch darüber freuen.«

      Peggotty schienen diese Zumutungen nicht sonderlich zu Herzen zu gehen.

      »Und mein lieber Bubi,« rief meine Mutter und kam an meinen Stuhl und liebkoste mich, »mein lieber kleiner Davy! Willst du etwa sagen, es fehle mir an Liebe für mein kostbares Goldkind, für den besten kleinen Buben auf der Welt?«

      »Kein Mensch hat jemals an so etwas gedacht«, sagte Peggotty.

      »Du hast es getan, Peggotty!« gab meine Mutter zurück. »Ich weiß, daß du es gemeint hast! Was anders soll ich aus deinen Worten entnehmen, du böses Mädchen, da du doch recht gut weißt, daß ich mir nur seinetwegen im letzten Vierteljahr keinen neuen Sonnenschirm kaufen wollte, obgleich der alte grüne obenherum ganz schlecht ist und die Fransen entzwei sind: Das weißt du, Peggotty, und das kannst du nicht leugnen!« Dann wendete sie sich zärtlich an mich, schmiegte ihre Wange an die meine und sagte: »Bin ich eine böse Mama, Davy? Bin ich eine hartherzige, selbstsüchtige, schlechte Mama? Sage ja, Kind, sage ja, liebes Herz, dann wird dich Peggotty lieben und Peggottys Liebe ist viel, viel besser, als die meine, Davy. Ich liebe dich ja gar nicht, nicht wahr?«

      Bei diesen Worten fingen wir alle zu weinen an, und soviel ich mich besinnen kann, war ich der lauteste von den dreien, aber wir meinten es sicherlich alle drei gleich aufrichtig. Ich war wie aufgelöst, und ich glaube, daß ich in den ersten Aufwallungen verletzter Zärtlichkeit Peggotty ein Scheusal nannte. Ich besinne mich noch, wie das gute Mädchen in die tiefste Betrübnis geriet und bei dieser Gelegenheit alle ihre Knöpfe verloren haben muß, denn eine ganze Ladung davon sprang ins Zimmer, als sie, nach Versöhnung mit meiner Mutter vor meinen Stuhl hinkniete und das gleiche mit mir tat.

      Wir gingen alle sehr niedergeschlagen zu Bett. Mein Schluchzen hielt mich noch lange Zeit wach, und als mich ein starker Seufzer im Bette ordentlich in die Höhe hob, sah ich, daß meine Mutter auf dem Gestell saß und sich über mich beugte. Ich schlummerte nun in ihren Armen ein und schlief fest.

      Ob ich, schon am folgenden Sonntag den Herrn wieder sah oder ob ein größerer Zeitraum dazwischen lag, dessen kann ich mich nicht mehr entsinnen. In der Zeitrechnung bin ich nicht ganz zuverlässig. Aber er war wieder in der Kirche und begleitete uns dann nach Hause, Er kam auch in die Stube, um sich ein schönes Geranium anzusehen, das im Fenster stand. Er schien es nicht besonderer Aufmerksamkeit zu würdigen, aber ehe er uns verließ, bat er meine Mutter, ihm eine Blüte davon zu geben. Sie sagte, er solle sich selbst eine aussuchen, aber das wollte er nicht – ich konnte nicht begreifen, warum – und so pflückte sie eine Blüte ab und gab sie ihm. Er sagte, er werde sich nun und niemals von ihr trennen, und ich dachte, er müsse ein rechter Narr sein, um nicht zu wissen, daß die Blätter in ein oder zwei Tagen verwelkt sein würden.

      Peggotty fing jetzt an, uns abends weniger oft Gesellschaft zu leisten als früher. Meine Mutter besprach zwar mancherlei mit ihr – viel mehr als gewöhnlich, wie mir schien – und wir vertrugen uns vortrefflich, aber es war doch zwischen uns dreien anders geworden, und wir befanden uns nicht mehr so behaglich wie früher. Manchmal kam es mir vor, Peggotty habe etwas dagegen, daß meine Mutter jetzt immer ihre besten Kleider hervorholte und anzog, die in ihrem Kleiderschränke hingen, dann wieder, daß ihr Mutters häufige Besuche in der Nachbarschaft zuwider waren: doch ich konnte mir nicht klar darüber werden, was es eigentlich war.

      Allmählich gewöhnte ich mich an


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